Uli Hoeneß vor Gericht:"Erzählen Sie keinen vom Pferd!"

Seine Stimme klingt wie immer, doch Uli Hoeneß bleibt bei seiner alten Strategie: Die Steuerhinterziehung erklärt der Bayern-Präsident mit seiner Zocker-Leidenschaft. Als der Richter zum Zeitpunkt der Selbstanzeige nachhakt, wird Hoeneß unkonkret. Das ärgert selbst seinen Verteidiger.

Aus dem Gericht von Lisa Sonnabend

Uli Hoeneß presst die Lippen aufeinander, der Blick geht zum Fenster. Doch dann nimmt er sich zusammen - kurz zumindest. Er lächelt, wenn auch gequält, er nickt ins Publikum. Hoeneß ist schließlich Profi. Am Montagmorgen betritt der Bayern-Präsident den Gerichtssaal 134 im Münchner Justizpalast - von der Stadiontribüne also auf die Anklagebank. Der massive Mann, der zuletzt noch massiver geworden ist, wirkt plötzlich verletzlich.

Hoeneß vor Gericht - es ist ein ungewohntes Bild. Denn die Öffentlichkeit kennt den stürmischen Fußballer Uli Hoeneß, der in den Siebzigern Welt- und Europameister wurde. Sie kennt den erfolgreichen Manager und Klubpräsidenten, unter dem der Verein 18 Meisterschaften, elf Pokalsiege, zwei Champions-League-Titel holte. Sie hat vom Unternehmer Hoeneß gehört, der in seiner Nürnberger Fabrik an manchen Tagen Millionen Würstchen produziert. Sie hat den 62-Jährigen gesehen, wie er vertrauensvoll mit Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht, wie er sozialen Einrichtungen Schecks überreicht oder wie er in Talkshows Moral predigt.

Doch der Uli Hoeneß, der jahrzehntelang nur Erfolg hatte, ist gestürzt. Egal wie das Verfahren ausgeht, die Tage vor Gericht schmerzen vermutlich mehr als der Moment, in dem er im EM-Finale 1976 den Elfmeter in den Nachthimmel von Belgrad schoss, oder die Minuten der Nachspielzeit, als Manchester United seinem Verein 1999 die Champions-League-Trophäe entriss.

Am Montagmorgen rattert der Staatsanwalt im Gerichtssaal die Anklage herunter, Hoeneß wird Steuerhinterziehung in Höhe von 3,5 Millionen Euro vorgeworfen. Währenddessen sitzt Hoeneß regungslos auf seinem gepolsterten Drehstuhl, der Kopf verharrt im Nacken. Danach meldet sich der Hoeneß-Anwalt Hanns W. Feigen zu Wort - und verkündet etwas, was Hoeneß noch mehr in die Defensive drängt. Demnach hat der Bayern-Präsident weitere 15 Millionen Euro am Fiskus vorbeigeschleust. Ob und wie viel von dieser Summe bereits verjährt ist, bleibt unklar - auch weil Richter Rupert Heindl nicht nachfragt.

Dann spricht Hoeneß selbst. Der 62-Jährige setzt seine schwarze Brille auf und liest ab: "Hohes Gericht, ich habe Steuern hinterzogen." Sein Vortrag dauert mehrere Minuten. Er betont, wie viel ihm daran gelegen sei, nun steuerehrlich zu werden. Er habe dafür dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und den Finanzbehörden Ende Februar Unterlagen zur Verfügung gestellt, das Zusammenstellen habe mehrere Monate gedauert. Mehr als 50.000 Transaktionen habe es auf dem Schweizer Konto gegeben. "Ich habe richtig gezockt", sagt Hoeneß vor Gericht. "Das war der Kick, das pure Adrenalin."

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Der Verteidiger grätscht dazwischen

Prozessauftakt gegen Uli Hoeneß

Uli Hoeneß: Gefasst vor Gericht

(Foto: dpa)

Der Bayern-Präsident bleibt ruhig, als er spricht. Seine Stimme krächzt wie immer, doch sie füllt ohne Probleme den Gerichtssaal: "Ich will ohne Wenn und Aber reinen Tisch machen, um zu zeigen, dass ich steuerehrlich bin", sagt er und schiebt noch hinterher: "Ich sollte wohl eher sagen, dass ich steuerehrlich geworden bin." Bei den letzten Worten versagt seine Stimme. Es soll das einzige Mal, an diesem Vormittag bleiben.

Das Zocken, das komplexe Bank- und Steuersystem - Uli Hoeneß greift vor Gericht seine Strategie auf, die er auch in zahlreichen Interviews in den vergangenen Monaten angewendet hatte. Auch seine guten Taten lässt er vor Gericht nicht unerwähnt. "Ich bin kein Sozialschmarotzer", sagt Hoeneß zum Ende seiner Erklärung. "Ich habe knapp fünf Millionen Euro gespendet. Ich will mich damit nicht rechtfertigen - auch nicht damit, dass ich in den vergangenen Jahren fast 50 Millionen Euro Steuern in Deutschland gezahlt habe."

Richter Rupert Heindl scheint sich dafür allerdings wenig zu interessieren. Er beißt sich erst an einer Transaktion fest, will herausfinden, wie sie genau ablief. Hoeneß beteuert, er wisse das alles nicht so genau. Dann will Heindl wissen, wann Hoeneß sich zur Abgabe der Selbstanzeige entschieden habe? Richter Heindl fährt ihm gelegentlich ungeduldig über den Mund - und sogar sein Verteidiger Feigen grätscht mehrmals dazwischen, wenn sein Mandant sich unkonkret äußert.

Die Recherchen eines Stern-Journalisten hätten für die Selbstanzeige "keine Rolle" gespielt, sagt Hoeneß. Da schlägt Feigen auf den Tisch und poltert: "Erzählen Sie keinen vom Pferd!" Er fordert von Hoeneß, genau zu sagen, welche Rolle die Stern-Recherchen gespielt hätten. "Es hat eine Rolle gespielt", korrigiert sich Hoeneß. "Eine große", ruft sein Verteidiger. "Haben Sie doch vorher selbst gesagt!", macht Feigen weiter. Hoeneß, der die Offensive liebt, ist plötzlich in der Defensive.

Hoeneß ist einer, der sich bisher fast nie danach richten musste, was andere für richtig halten. Er tut das, was er für richtig hält. Auch die Justiz griff er an, wenn er, der Metzgersohn, anders geurteilt hätte. Als der Bayern-Spieler Breno 2011 seine Villa anzündete und verhaftet wurde, polterte Hoeneß: "So etwas Unglaubliches habe ich schon lange nicht mehr gehört. Gute Nacht, Deutschland."

Nun wird über Uli Hoeneß gerichtet.

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