Uli Hoeneß' Rückkehr zum FC Bayern:"Das ist keine Alibigeschichte"

Uli Hoeness

Arbeitet als Freigänger für den Nachwuchs des FC Bayern: Uli Hoeneß

(Foto: dpa)

Freigänger Uli Hoeneß fängt in der Nachwuchsabteilung des FC Bayern an. Anders als bei den Profis, bei denen es unter Pep Guardiola glänzend läuft, warten hier große Herausforderungen auf ihn.

Von Benedikt Warmbrunn

Der Fußballer, der aus dem Gefängnis zurückgekommen war, saß meistens im Empfangszimmer, den Rücken zur Tür, den Blick auf dem Bildschirm. Manchmal schaute einer zur Tür rein und fragte: "Breno, wie geht's?" Dann lächelte Breno Vinícius Rodrigues Borges, es ging ihm gut, er war draußen, er war beschäftigt. Manchmal stand Breno auch auf einem der hinteren Trainingsplätze, einmal traf er dort Pep Guardiola, sie schüttelten sich die Hände, redeten miteinander. Mittags verabschiedete sich Breno wieder. Und fuhr zurück ins Freigänger-Haus.

Breno, der Fußballer, der aus dem Gefängnis zurückgekommen war, das war eine Geschichte, die dem Präsidenten des FC Bayern München, der damals Uli Hoeneß hieß, gefallen hatte. Breno war wegen schwerer Brandstiftung zu einer Haftstrafe verurteilt worden, im August 2013 stellte ihn der FC Bayern als Freigänger wieder ein, Breno half in der Administration in der Jugendabteilung, außerdem im Trainerstab der U23. Montag bis Freitag, von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr. Und Hoeneß' FC Bayern zeigte in der Wiederaufnahme Brenos seine soziale, seine familiäre Seite.

Im Dezember ist Breno vorzeitig aus der Haft entlassen worden, er ist jetzt Profi beim FC São Paulo. Sein Fall als Freigänger bleibt dennoch aktuell. Wegen Uli Hoeneß, dem ehemaligen Präsidenten, der jetzt aus dem Gefängnis zurückkommt.

Im März war Hoeneß wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, seit Juni war er in der Justizvollzugsanstalt Landsberg. Am Freitag bestätigte das bayerische Justizministerium, dass Hoeneß Freigänger sei, dass er einem geregelten Job nachgehen werde. Hoeneß, der am Montag 63 wird, arbeitet fortan in Jugendabteilung jenes Vereins, den er selbst, so wie er heute dasteht, als schuldenfreier Weltklub, als deutscher Rekordmeister, erfunden hat.

Die Mannschaft hat bis zum 7. Januar frei

Was Hoeneß konkret zur Talentförderung beitragen soll, das äußerte weder das Justizministerium noch die JVA. Auch der FC Bayern schweigt. Aufgrund der "Persönlichkeitsrechte des Betroffenen" wollte der Sprecher des Justizministeriums auch nicht sagen, wann exakt Hoeneß anfängt. Wenn er in diesen Tagen das Vereinsgelände betritt, wird er noch weitgehend allein sein - die meisten haben wie die Mannschaft bis zum 7. Januar frei.

Die Aufgabe in der Jugendabteilung ist die Aufgabe, die sich Hoeneß gewünscht hat. Eine leichte Aufgabe ist es nicht.

Zwar gehören die Bayern-Profis zu den besten Mannschaften des Planeten, unter Trainer Pep Guardiola geht es derzeit nur noch um weitere Rekorde. Allerdings hält die Jugend des Klubs mit diesen Maximalwerten schon seit einigen Jahren nicht mehr mit. Als die deutsche U19-Nationalelf im Sommer 2014 Europameister wurde, stand kein Spieler des FC Bayern im Kader. Die A-Jugend war zuletzt 2004 deutscher Meister, die jüngsten Titel gingen nach Hoffenheim, Wolfsburg und Schalke. Und die U23 des FC Bayern, die eigentlich den Übergang in die erste Mannschaft absichern soll, scheiterte zuletzt zwei Mal am Aufstieg in die dritte Liga.

FC Bayern will wieder mehr Spieler selbst ausbilden

Seit zehn Jahren haben nur wenige eigene Talente den Sprung zu den Profis geschafft, sofort durchsetzen konnten sich Thomas Müller und Holger Badstuber; Toni Kroos oder David Alaba waren zunächst ausgeliehen worden. Im Sommer debütierte Gianluca Gaudino, damals 17, in der Bundesliga, sein Beispiel ist inzwischen die Ausnahme: Dass ein neuer Profispieler des FC Bayern auch das Fußballspielen beim FC Bayern gelernt hat.

Alaba war fast 16, als er nach München kam, Kroos bereits 16, Pierre-Emile Hojbjerg 17. Im August verpflichtete der Klub Sinan Kurt, 18, aus Mönchengladbach (noch ohne Profi-Einsatz). Und am Freitag wurde bekanntgegeben, dass zum 1. Juli der U19-Europameister Joshua Kimmich, 19, vom VfB Stuttgart kommt; zurzeit ist er an RB Leipzig ausgeliehen. Genau das war zuletzt eher die offensichtliche Jugend- arbeit: Talente von anderen Klubs abzuwerben. Kimmich kostet angeblich sieben Millionen Euro Ablöse.

Spieler selbst auszubilden, gehört historisch zum Markenkern des FC Bayern, zum viel zitierten Mia-san-mia. Die Fans suchen gerade in der Münchner Weltauswahl nach lokalen Identifikationsfiguren, nach Spielern wie Müller, Lahm, Schweinsteiger. Zu diesem Zwecke wurden jüngst schon wieder namhafte Trainer engagiert: für die U19 Heiko Vogel, der mit Basel im Champions-League-Achtelfinale stand; für die U17 Heiko Herrlich, der ehemalige U17-Nationaltrainer. Denn dass eine erstklassige Jugendarbeit richtig Geld sparen kann, das wissen die Bayern nicht erst seit der Personalie Kimmich.

In diesem Milieu, das er kennt, soll Hoeneß, "der Macher" (Präsident Karl Hopfner), neue Anstöße geben. Arbeiten wird er mit Abteilungsleiter Wolfgang Dremmler, mit Sportchef Michael Tarnat, mit Sportvorstand Matthias Sammer. Erster Ansprechpartner dürfte Michael Reschke sein, den Hoeneß schätzt und der im Sommer von Bayer Leverkusen als Technischer Direktor abgeworben wurde. Auch, um die Talentsichtung voranzutreiben.

"Das ist keine Alibigeschichte", sagt Präsident Hopfner

Bleibt die Frage, ob sich Hoeneß, der mehr als drei Jahrzehnte lang den Klub gelenkt hat, nur darauf konzentrieren wird. Schließlich muss dieser Klub heute schon in die Ferne blicken: Was passiert, wenn selbst ausgebildete Identifikationsfiguren wie Lahm, 31, und Schweinsteiger, 30, in Rente gehen. Wer wird dann, neben Müller, zum bayerischen Botschafter auf dem Rasen? "Das ist keine Alibigeschichte", sagt Hopfner zum Aufgabenfeld für Hoeneß. Jupp Heynckes, ein Hoeneß-Vertrauter, meinte jüngst: "Es ist vertraglich geregelt, dass er für die Jugendarbeit zuständig ist und nicht für die Profis. Das ist alles besprochen, da wird es nichts anderes geben. Da bin ich felsenfest von überzeugt."

In dem grauen Klotz auf dem Vereins- gelände, in dem die Jugendabteilung ihre Büros hat, wird Hoeneß jedenfalls nicht oft sitzen. Es gibt dort kein freies Zimmer (Hoeneß' altes Büro dagegen ist frei). Hoeneß wird auch daran arbeiten, das zu ändern. Zu den Aufgaben im Nachwuchs gehört, dass ein Umzug geplant werden muss. Im Münchner Norden soll ein Nachwuchsleistungszentrum gebaut werden.

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