Uli Hoeneß im SZ-Interview:"Wir haben unheimlich viel Geld investiert"

Uli Hoeness

Uli Hoeneß und seine Frau Susanne verfolgen eine Partie in der Münchner Basketball-Halle - bald könnten sie in einer neuen Arena mitfiebern.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Vor dem Start der Playoffs spricht Bayern-Präsident Uli Hoeneß über die Investitionen in Basketball, die kürzliche Entlassung von Trainer Djordjevic und die neue Halle in München.

Interview von Barbara Klimke und Ralf Tögel

SZ: Herr Hoeneß, wie überredet der Präsident des FC Bayern München seine Geschäftspartner, nicht ins Fußball-Stadion zu gehen, sondern ihn stattdessen zum Basketball zu begleiten?

Uli Hoeneß: Da ist keine Überredung nötig. Damit würde man dem Basketball nicht gerecht. Es mag Bedenken in der Vergangenheit gegeben haben, aber keiner, den ich je mitgenommen habe zu einem Spiel, hat nachher gesagt: Da fahre ich nicht mehr hin, das fand ich langweilig. Viele, die nie ein Basketballspiel gesehen hatten, kommen heute bei jeder Gelegenheit, ich denke an Martin Winterkorn, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von VW. Das Interesse hat sich gewaltig entwickelt, das sieht man auch an unseren Zuschauerzahlen: Unsere Dauerkartenverkäufe steigen deutlich.

War das zu erwarten? München ist ja traditionell eine Fußballstadt.

Ja, aber es hat sich gezeigt, dass Basketball hinter dem Fußball - weit hinter dem Fußball natürlich - eine zweite Größe in München sein kann. Die Entscheidung, Basketball als zweite Sportart zu pushen, war sicherlich richtig.

Wie viel Anschub war nötig? Basketball ist vergleichsweise kompliziert. Es gibt wissenschaftliche Studien, die besagen, Basketball sei verwirrend für Erstzuschauer: Deshalb gebe es keine "schnellen Ansteckungseffekte".

Das mag sein. Aber es fällt auf, dass viele Leute, die in die Halle kommen, einen akademischen Hintergrund haben. Sie sagen, sie hätten das an der Schule, an der Hochschule schon ausprobiert. Und wenn man ehrlich ist, stimmt das sogar: An den Universitäten wurde früher tatsächlich mehr Basketball gespielt als Fußball. Ob diese neuen Zuschauer dann die Regeln in der Bundesliga kennen, ist eine andere Sache. Aber das Interesse ist da.

War das bei Ihnen ähnlich?

Am Gymnasium in Ulm stand Basketball jede Woche auf dem Plan, Fußball selten. Das musste ich im Verein machen.

Sie waren 1972 in der deutschen Olympia-Auswahl der Fußballer. Haben Sie damals auch beim olympischen Basketball-Turnier vorbeigeschaut? Spielstätte in München war ja damals - wie heute für die FC-Bayern-Basketballer - die Rudi-Sedlmayer-Halle, die jetzt Audi Dome heißt.

Damals war ich als Olympia-Kämpfer auch ein-, zweimal als Zuschauer beim Basketball, ja. Aber man muss wissen, dass die Spiele 1972 durch das Attentat schlagartig völlig verändert worden sind. Die Stimmung war am Anfang fantastisch, auch im Olympischen Dorf, aber danach war keinem mehr nach Fröhlichkeit zumute. Das war sehr schade: Olympia lebt ja davon, dass man sich viel anschauen kann, und zum Basketball wäre ich sicher noch sehr viel häufiger gegangen.

Sie mussten dann erst 55 Jahre alt werden, ehe Sie Ihr Basketball-Erweckungserlebnis hatten. Warum hat es so lange gedauert?

Zunächst habe ich ja in der Schulmannschaft gespielt. Dann hat mich, viele Jahre später beim FC Bayern, unser ehemaliger Vizepräsident Bernd Rauch jede Woche mit dem Thema drangsaliert. Solange ich Vorstand der Fußball-AG war, konnte ich nichts unternehmen. Die Beschlusslage war: Die AG subventioniert keine andere Sportart. Wir haben zu Beginn eine halbe Million Euro zur Verfügung gestellt, aber das war's auch. Und es war niemand da, der die Sponsoren daherbringt. Als ich dann Präsident wurde, und Bernd Rauch wieder kam, gab's keine Ausrede mehr: Ich habe mein Netzwerk eingebracht. Und die Einnahmen aus Sponsoring und Marketing sind sehr schnell erheblich gestiegen.

Schon Mitte der 1990er-Jahre hat Sie auch Alba Berlins Manager Marco Baldi für die BBL gewinnen wollen. Mit dem Argument, dass etliche europäische Fußballklubs erfolgreiche Basketball-Teams unterhalten: Real Madrid, der FC Barcelona, Olympiakos Piräus. Hat der FC Bayern Jahre verschenkt?

Na, wir haben schon tüchtige Leute, die in Sieben-Meilen-Stiefeln hinter ihnen her marschiert sind. Wir haben das im schnellen Durchlaufverfahren gemacht: Wir sind ja erst in der siebten BBL-Saison.

Beim FC Bayern fällt auf, wie viele Fußballprofis bei Basketballspielen auf der Tribüne sitzen: Am Anfang Bastian Schweinsteiger, seit Neuestem Arjen Robben, Thomas Müller, Javi Martinez. Fordern Sie das?

Nein, das muss jeder selbst wissen. Aber das ist ja immer noch mein Traum: Ich sehe den FC Bayern als ganze Familie und möchte, dass die Fußballer zum Basketball kommen und die Basketballer zum Fußball. Das werden wir hoffentlich künftig noch ein bisschen verstärken.

Zieht es Sie selbst auch in andere Hallen, etwa in der NBA?

Wenn ich in den USA war, habe ich jede Gelegenheit genutzt: Mit meiner Frau war ich einmal in Houston, da habe ich die Rockets angeschaut. Dann waren wir in New York bei den Knicks. Bewundert habe ich früher natürlich Michael Jordan - aber mein Favorit war Scottie Pippen. Neulich, als wir in Sevilla waren (im Viertelfinale der Fußball-Champions-League, Anm.), habe ich mir bei Real TV das Euroleague-Spiel gegen Malaga angesehen. Real hat gewonnen - und mein Lieblingsspieler Fabien Causeur hat in den letzten zwanzig Sekunden fünf Punkte gemacht: erst einen Dreier, dann einen Zweier. Unnachahmlich!

Und wer ist der Lieblingsspieler in Ihrer eigenen Mannschaft?

Ich finde, wir haben einen sehr ausgeglichenen Kader. Natürlich ist Jared Cunningham außergewöhnlich. Auch Braydon Hobbs: Der hat uns quasi allein besiegt, als er noch in Ulm war. Bei uns ist die Dreier-Quote ausbaufähig. Ich habe mal gehört, dass Dirk Nowitzki zwischen sechs und acht Stunden in der Halle ist und Hunderte von Würfen macht. So etwas hatte ich bei uns zuletzt, ehrlich gesagt, vermisst.

Ist das der Grund, warum Sie sich sehr spät in der Saison von Trainer Alexandar Djordjevic trennten - trotz des Pokalsiegs?

Zunächst war das eine Entscheidung der Geschäftsführung des FC Bayern Basketball und des Sportdirektors, Daniele Baiesi, die das Präsidium mitgetragen hat. Sie kamen nach intensiver Diskussion zum Ergebnis, dass die Maßnahme unausweichlich sei, um den Erfolg dieser Saison nicht zu gefährden. Es fiel auf, dass wir viele Spiele bis zur Halbzeit gut gestaltet und teilweise am Schluss dramatisch verloren haben. In Istanbul (im Eurocup-Halbfinale gegen Darussafaka, Anm.) haben wir mit 17 Punkten geführt und das Spiel noch aus der Hand gegeben.

Ist Ihnen das schon mal passiert, dass Sie einen Trainer so kurz vor der Meisterschaftsentscheidung ausgetauscht haben?

Der Zeitpunkt spielt gar keine Rolle. Das Entscheidende ist Folgendes: Auf die Dauer kann man in einem Klub nur Erfolg haben, wenn die wesentlichen Personen gut zusammenarbeiten. Das habe ich im Fußball auch im Fall Carlo Ancelotti gespürt. Das hat es hier im Basketball seit langer Zeit nicht mehr gegeben. Es war nur ein Nebeneinander, kein Miteinander. Einmal waren ja alle an einem Tisch, aber es hat trotzdem nicht funktioniert. Und dann kann es in einem Verein nur eine Lösung geben: Dann muss der Trainer gehen. Man hat nicht mit-, sondern übereinander gesprochen. Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen.

Diese Zusammenarbeit der wesentlichen Personen ...

...ist beim FC Bayern für alle Zeiten das oberste Gebot! Man muss darauf achten, dass man nicht den Superstar als Trainer hat, sondern jemanden, der sich in die Gruppe integriert. Ich nehme jetzt ein Beispiel aus dem Fußball: José Mourinho bei Manchester United ist ein Superstar. Aber er hat den Klub kein Stück weiter gebracht. Alles konzentriert sich immer nur auf ihn.

Wie wichtig ist die Meisterschaft für den FC Bayern?

Sehr wichtig. Wir haben uns wirtschaftlich einen enormen Kraftakt zugemutet, wir haben unheimlich viel Geld investiert. Es gibt keinen Zweifel, dass wir den besten Kader in der Liga haben. Aber der beste Kader nützt nichts, wenn die Leute nicht miteinander zurechtkommen.

"Die Halle wird das Tollste, was es auf der Welt gibt"

Ein Pokalsieg, der erste seit 50 Jahren, reicht auf einmal schon nicht mehr?

Der Pokal ist eine wunderbare Geschichte. Aber die Meisterschaft ist eine andere Sache: Stellen Sie sich vor, die Fußballer des FC Bayern gewinnen den Pokal, aber werden in der Meisterschaft nur Zweiter oder Dritter. Dann ist hier keine Zufriedenheit da. Und so wird es auch im Basketball in Zukunft sein.

Ist es nach Ihrer jüngsten Erfahrung also ebenso unmöglich, den Erfolg im Basketball zu kaufen wie im Fußball?

Im Basketball ist es vielleicht leichter, weil nur fünf Spieler auf dem Platz sind, nicht elf. Wichtig bleibt, dass man fleißig ist.

Seit der FC Bayern in der Bundesliga ist, hat sich die Sportart hierzulande stark entwickelt. Sie sind täglich dabei, das Produkt zu verbessern. Was ist das große Ziel?

Unsere Vision muss sein, dass eine Mannschaft, besser noch zwei oder drei, in der Lage sind, in der Euroleague mitzuspielen. Sie zu gewinnen, wird schwierig. Ich war ja in Moskau, da finanziert das Innenministerium eine Mannschaft, nämlich ZSKA. In der Türkei sind alle basketballverrückt. Die konzentrieren sich extrem auf die Euroleague, und da dürfen zum Beispiel auch zwölf Ausländer im Kader sein, was bei uns nicht möglich ist - was ich aber richtig finde. Deshalb haben wir noch viel zu tun.

Eine Station auf dem Weg dahin ist die neue Arena in München. Bedauern Sie, dass die Ihnen noch nicht zur Verfügung steht?

Nein, gar nicht, weil wir im Moment den Bedarf noch nicht haben. Es würde mich stören, wenn diese neue Halle, die ja um die 10.000 Plätze haben wird, nur mit 6000 bis 7000 Leuten gefüllt wäre. So wie es ausschaut, wird sie 2020/21 fertig. Sie wird das Tollste, was es auf der Welt gibt. Weil alle Beteiligten - sowohl Red Bull als auch der FC Bayern und ebenso der neue Namensgeber - keine billige, sondern eine moderne, spektakuläre Halle bauen wollen. Und bis dahin müssen wir eine Mannschaft haben, die in wichtigen Spielen regelmäßig 10.000 Zuschauer anzieht.

Das heißt: Sie haben jetzt noch keine 10.000-Zuschauer-Mannschaft - nur eine 7000-Zuschauer-Mannschaft?

Nein, Basketball ist hier in München noch keine 10.000-Zuschauer-Sportart.

Was fehlt?

Wir müssen in der Euroleague spielen.

Der einfache Weg geht traditionell über den Meistertitel in der BBL. Wer ist jetzt in den Playoffs der größte Titel-Rivale?

Berlin, eindeutig. Und Bamberg. Bei denen habe ich den Eindruck, dass sie sehr lange unter ihren Möglichkeiten gespielt haben. Vielleicht auch Ludwigsburg.

Alba Berlins Trainer Aíto García Reneses ist 71 Jahre alt. Sie sehen beim FC Bayern jetzt gerade mit Bedauern Ihren Fußball-Trainer Jupp Heynckes, 72, ziehen. Was sagt Ihnen das?

71, das ist doch super! Der gewinnt ihnen die Spiele! Sie kennen ja meine These, dass es nur gute und schlechte Trainer gibt, keine alten und jungen. Ich habe hohen Respekt vor Berlin und bin froh, dass sie einen Trainer gefunden haben, der da wieder eine richtige Spielkultur reingebracht hat. Denn der Sport lebt vom Wettbewerb. Ich werde den Teufel tun, zu hoffen, dass wir für alle Zeiten vorneweg marschieren.

Sie wollen tatsächlich mehr Konkurrenz im deutschen Basketball?

Ich würde mir wünschen, dass die eine oder andere Großstadt eine Basketball-Abteilung mitspielen ließe. Ich denke an Hamburg, Köln oder Stuttgart: Städte mit wunderbaren Hallen. Dem Sport würde das gut tun. Wobei ich diesen universitären Charakter des Basketballs sehr schätze: Heidelberg, Tübingen, Göttingen und auch Gießen, das sind alles Universitätsstädte. Die möchte ich in der Bundesliga nicht missen. Aber eine gesunde Mischung würde ich mir wünschen. Ich hätte auch kein Problem, wenn die Kommunen in kleineren Städten ein bisschen einspringen würden, um den Wettbewerbsvorteil, den wir als Bundesligaverein haben, auszugleichen. Ich wäre der Letzte, der das beklagte.

Weil dann zu fürchten ist, dass die Schere zwischen den Großen und den Kleinen auch im Basketball immer größer wird?

Sport ist auch Teil der Kultur in unserer Gesellschaft. Gerade in den Universitätsstädten wäre es schön, wenn der eine oder andere Verein mitspielen könnte. Man denke nur an College-Basketball: Was da in Amerika abgeht, ist ein Traum. Ich habe viele Freunde in den USA, die lieber College-Basketball als NBA schauen, weil es emotionaler und spannender ist.

Borussia Dortmund überlegt gerade, eine Abteilung auszubauen - im Handball.

Ich mag auch Handball sehr. Aber man darf sich nicht verzetteln. Ich muss auch an die Zeit nach mir denken: Vielleicht kommt ein Präsident, der mit Basketball weniger am Hut hat oder mit Handball nichts anfangen kann. Dann hätten wir ein Riesen-Investment getätigt, und es wird nicht mehr angemessen verwaltet. Der FC Bayern steht vor einer Zäsur in den kommenden Jahren, darüber bin ich mir im Klaren. Die Nachfolger müssten alles auch so sehen. Denn eines ist klar: Alles steht und fällt mit den handelnden Personen.

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