Uefa-Cup-Spiel Zenit - Bayern:Weiterhin im Visier

War das Uefa-Cup-Halbfinale 2008 zwischen St. Petersburg und Bayern manipuliert? Die Uefa und die spanische Justiz ermitteln mit verstärkter Energie. Die betroffenen Klubs reagieren äußerst wortkarg.

Thomas Kistner

Am Montagmorgen glühten die Drähte zwischen München und dem Schweizer Nyon. Dort, idyllisch am Genfer Seeufer, logiert die Europäische Fußball-Union (Uefa), von hier aus stemmt sie sich - erfolgreicher als jeder andere Verband - gegen die Bedrohungen, die den Sport immer heftiger im Würgegriff halten: Wett- und Ergebnismanipulation.

Dabei kooperiert die Uefa längst intensiv mit Polizei- und Ermittlungsbehörden überall in Europa. Zum Beispiel auch mit der Justiz in Madrid, die seit Herbst 2008 Hinweise auf Manipulationen beim Uefa-Cup-Halbfinal-Rückspiel 2008 zwischen Zenit St. Petersburg und dem FC Bayern München (4:0) sowie auch beim folgenden Finale Petersburg - Glasgow Rangers (2:0) vorliegen hat. Am 30. April waren jetzt Uefa-Vertreter "zu einem Gespräch nach Madrid gebeten" worden, dies erfuhr die Süddeutsche Zeitung am Montag aus verbandsnahen Kreisen.

Da hatte bereits eine Meldung aus Spanien nicht nur die Medienlandschaft, sondern auch die Bayern in Aufruhr versetzt, die mit der Uefa Kontakt aufnahmen. Bestätigen wollten die Münchner am Montag nicht einmal das auf SZ-Anfrage. Sie verwiesen lediglich auf aktuelle Sportagenturmeldungen, nach denen ein Uefa-Sprecher offiziell erklärt habe, der Verband habe den "Fall genau untersucht und nichts gefunden, was ein Disziplinarverfahren rechtfertigen würde".

Gespräch wird fortgesetzt

Das schafft Verwirrung, jedenfalls in der öffentlichen Darstellung des heiklen Themas: Wird noch ermittelt in der Causa St. Petersburg oder nicht? Es wird, so erfuhr die SZ. Aber nicht in Form eines sportlichen Disziplinarverfahrens der Uefa, sondern in Spanien. Die dortigen Behörden hielten sich auch am Montag auf Anfrage bedeckt.

Für den neuerlichen Wirbel sorgt ein Vorgang aus dem Jahr 2008, der nach langer Funkstille - in der das Thema wohl für erledigt gehalten wurde - am Montag zunächst bei stern.de aufgegriffen wurde. Im Herbst 2008 hatte die Madrider Justiz die abgehörten Telefonate von seit Juni jenes Jahres inhaftierten, in Spanien ansässigen mutmaßlichen Mitgliedern einer russischen Geldwäsche-Mafia ausgewertet.

Dabei kamen den Strafermittlern Hinweise auf die Manipulation der besagten Uefa-Spiele unter. So soll sich der Chef eines kriminellen Petersburger Unterwelt-Rings in einem der mitgeschnittenen Telefongespräche gegenüber einem Kollegen gerühmt haben, den Erfolg von Zenit im Halbfinale "für 50 Millionen" gekauft zu haben. Die Währung soll nicht genannt worden sein.

Erinnerungen an Skategate

Während die Madrider Justizbehörden hartnäckig schweigen, berichtete die Zeitung ABC, dass weder dem Nationalen Gerichtshof noch der Uefa schlüssige Daten vorlägen, um eines der beteiligten Teams der Manipulation zu beschuldigen. Dies deckt sich mit Informationen der SZ. Allerdings sollen im Zuge zäher internationaler Ermittlungen vorwiegend in Bank- und Wirtschaftskreisen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten bei den damaligen Partien aufgetaucht sein, sie seien ernstzunehmender Natur.

Pavel Pogrebnyak, Bastian Schweinsteiger, Marcel Jansen, Miroslav Klose, Luca Toni, Martin Demichelis, Franck Ribery

Zenits Pawel Pogrebnjak beim Freistoß zum 1:0.

(Foto: AP)

Jedenfalls gehen nun die generellen Ermittlungen rund um die ominösen Figuren und Behauptungen, die sich um jene Partien ranken, mit offenbar verstärkter Energie weiter. Wie die SZ am Montag in der Schweiz erfuhr, soll das Ende April aufgenommene, direkte Gespräch zwischen den Madrider Behörden und der Uefa schon "in dieser Woche oder zeitnah fortgesetzt" werden. Der stille Austausch sei fruchtbar, hieß es weiter, "wir kennen schon ein paar Sachen und die Behörden wissen auch einiges, es ist eine gute Zusammenarbeit". Ob sie am Ende wirklich in einen Fall Petersburg mündet, das könnte sich vielleicht schon in den kommenden Wochen herausstellen.

Für die betroffenen Klubs gilt die Unschuldsvermutung. Sie hatten schon 2008 jegliche Verdachtsmomente strikt zurückgewiesen. "Das ist absoluter Blödsinn", tat nun ein Zenit-Klubsprecher kund. Die Untersuchungen seien längst beendet, man frage sich, "warum das Thema jetzt wieder hochgekocht wird".

Wortkarge Bayern

Der FC Bayern hielt sich am Montag bedeckt. Ein Pressesprecher erklärte auf die SZ-Anfrage, ob dem Verein bekannt sei, dass auch die Ermittlungsbehörden in Spanien in der Sache ermittelten, man habe den aktuellen Pressemeldungen des Sport-Informations-Dienstes samt der darin enthaltenen offiziellen Uefa-Aussage "nichts hinzuzufügen". Das Ganze, hatte es in der Agentur weiter geheißen, sei für die Bayern "kein Thema mehr".

Wie auch immer. Telefonmitschnitte hatten schon einmal geholfen, einen großangelegten Sportbetrug aufzudecken. Bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City hatte eine französische Preisrichterin auf Geheiß ihres Verbandschefs mit ihrer Stimme dafür gesorgt, dass das russische Paar Bereschnaja/Sicharulidse Gold zugesprochen bekam, Tage später bekamen die durch die Manipulation zweitplatzierten Kanadier Jamie Sale und David Pelletier ebenfalls Gold im Paarlauf ausgehändigt.

Dabei kam heraus, dass ein russischer Geschäftsmann zumindest diese Entscheidung aus seinem Domizil in der Toskana eingefädelt hatte. Die italienische Finanzpolizei hatte ihn als Geldwäscher unter Verdacht und über Monate abgehört. Der Geschäftsmann saß ein Jahr in Untersuchungshaft, wurde aber dann nach Moskau expediert und nicht an die USA ausgeliefert - das FBI sucht ihn noch heute per Haftbefehl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: