Uefa-Cup:Nichts als schöne Erinnerungen

Der FC Aberdeen ist ein Schatten des Teams, das den FC Bayern München 1983 im Europapokal der Pokalsieger bezwang. Heute abend ab 19 Uhr können die Münchner Revanche nehmen.

Raphael Honigstein

Die speziell angefertigten "Munich Uefa"-Teetassen gehen im Vereinsshop sehr gut weg, die "European Tour 2008"-T-Shirts noch viel besser. Zeitlos schön sind diese Hemdchen für die Aberdeen-Fans, weil auf ihnen praktischerweise nichts über den Besuch von Ottmar Hitzfelds Männern an diesem Donnerstag, dafür aber das Ergebnis des glorreichsten Spiels der Vereinsgeschichte steht: "1983: Aberdeen 3 - 2 FC Bayern Munich". Auf dem Weg zum Triumph im Europapokal der Pokalsieger schalteten die "Dons" vor 25 Jahren die favorisierte Elf von Paul Breitner, Karl-Heinz Rummenigge und Dieter Hoeneß im Viertelfinale aus.

Bayern Rensing

Im Nebel von Aberdeen: Michael Rensing vertritt Oliver Kahn im Tor.

(Foto: Foto: Getty)

Das Hinspiel im Olympiastadion war torlos geblieben, bevor man im Pittodrie nach zweimaligem Rückstand (Münchner Torschützen: Klaus Augenthaler und Hansi Pflügler) die Wende erkämpfte. "Wir wussten, dass es schwer werden würde, als wir sahen, dass von den Schotten keiner Zähne im Mund hatte", hat (der damals nicht eingesetzte) Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff gesagt; Uli Hoeneß, der von 1981 bis 1985 gleich fünf Mal hintereinander fatale Europapokalniederlagen gegen britische Teams auf der Bank ertragen musste, spricht heute ehrfürchtig von einem "phantastischen Spiel im Regen von Aberdeen".

Die Rückkehr der goldenen Achtziger

Obwohl man sich im Nordosten Schottlands wenig Hoffnung auf eine Wiederholung der Heldentat macht, empfindet man den FC Bayern als regelrechtes Glückslos. Ganz Aberdeen fiebert dem "größten Europapokalspiel der vergangenen 20 Jahre" (The Scotsman) entgegen, denn mit den Münchnern kommt die goldene Vergangenheit zurück in die Stadt, zumindest für einen Tag.

Mehr als schöne Erinnerungen sind von den erfolgreichen achtziger Jahren, als man unter dem jungen Alex Ferguson (heute Trainer von Manchester United) das Monopol der Glasgower Vereine (Rangers und Celtic) durchbrach und Spitzenspieler des schottischen Fußballs wie Alec McLeish und Gordon Strachan beschäftigte, nämlich nicht übrig geblieben. Sportlich und wirtschaftlich trottet Aberdeen in der Scottish Premier League meist nur hinterher, momentan belegt man den fünften von zwölf Tabellenplätzen. Trainer Jimmy Calderwood, 52, gerät zunehmend unter Druck: Er lege mehr Wert auf seinen Teint als auf gezielte Trainingsarbeit, murrt mancher Anhänger.

In Aberdeen, der durch Nordseeöl zu Wohlstand gekommenen 200 000-Einwohner-Stadt, sind die Menschen etwas reservierter als im lebenslustigen Süden des Landes. Aus Sicht der Fans aber hält sich Vereinsbesitzer Stewart Milne doch zu sehr zurück: Der schwerreiche Bauunternehmer investiert trotz eines Vermögens von gut 600 Millionen Euro kaum in den Verein, sondern garantiert nur Bankverbindlichkeiten von 16 Millionen Euro. Mit dem stimmungsreichen, aber kleinen Stadion direkt an der Nordseeküste (22 000 Zuschauer) ist man ohne zusätzliche Gelder nicht konkurrenzfähig. Im Winter verlor man zwei Stammspieler an kleine Teams der zweiten englischen Liga, weil dort weitaus mehr gezahlt wird als in der Stadt des Granits. Innenverteidiger Zander Diamond ist mit 260 000 Euro Jahresgehalt der Bestverdiener; Lee Miller, 24, ein beweglicher Stürmer, der einzige nennenswerte Individualist.

Zuletzt setzte es daheim gegen Dundee United und Celtic zwei empfindliche Niederlagen mit insgesamt neun Gegentoren. Gerade in der Abwehr fallen dem experimentierfreudigen Calderwood keine Lösungen ein: Er hat es schon mit 16 verschiedenen Spieler-Kombinationen in der Innenverteidigung probiert, aber in 37 Saisonspielen 53 Tore kassiert. Am Donnerstag fehlen ihm zudem fünf Stammspieler. "Ich bin etwas deprimiert", sagt er.

"Klub des immerwährenden Erfolges"

Da man sich in Schottland jedoch traditionell an der Größe des (Fußball-)Gegners misst, kommen die Bayern auch ohne Franck Ribéry wie gerufen. "Eine der besten Mannschaft in der Welt", hat Calderwood als Spion auf diversen Bundesligatribünen zuletzt gesehen. Der seriöse Herald beschrieb Bayern als einen "Klub des immerwährenden Erfolges, mit der Art von Spielern, die so sturköpfig und arrogant sind, dass sie wahrscheinlich nicht mal für eine schwangere Frau ihren Sitzplatz im Bus räumen würden".

Man darf das ruhig als Kompliment verstehen. Calderwood will dennoch auf Sieg spielen. Er setzt auf die "elektrische Atmosphäre", die den Spielern schon zum 4:0 gegen Kopenhagen im Dezember verhalf, dem bisher einzigen Sieg im Uefa-Pokal. Danach wurde in der Stadt tagelang gefeiert, man ist dabei auf den Geschmack gekommen. "Wir wollen wieder Geschichte schreiben", sagt Calderwood. Und vielleicht auch mal wieder ein paar neue T-Shirts bedrucken.

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