U19-Europameister im Porträt:Seeler-Enkel, Mini-Schürrle und Lahms Nachfolger

-

Noch Teenager, schon Europameister: Kevin Akpoguma, Oliver Schnitzler und Benjamin Trümner (von links).

(Foto: AFP)

Der Torwart ist einfach nur nett, im Mittelfeld tummeln sich große Versprechen - und im Angriff gibt es zwei echte Stürmer. Wer sind die Spieler, die Deutschland zum U19-EM-Titel schossen? Die Europameister in Kurzportraits.

TOR/ABWEHR:

Oliver Schnitzler: Oliver Kahn wirkte stets verbissen, Manuel Neuer wirkt entschlossen, Oliver Schnitzler wirkt: nett. Der junge Torwart wirft auf Facebook mit Smileys um sich und warnt vor den Folgen von Zigaretten. Beim Spiel schreibt er sich die Anfangsbuchstaben von Mutter und Freundin auf das Stütz-Tape, das er um das Handgelenk wickelt. Sein Glücksbringer. Offenbar hilft es, Schnitzler erhielt während der ganzen EM nur zwei Gegentore. Vor dem Turnier ist er, nachdem in Leverkusens zweiter Mannschaft kein Platz für ihn war, zum VfR Aalen gewechselt. Dort stehen ihm zwei ältere und erfahrenere Konkurrenten vor der Nase - da wird Nettigkeit nicht viel helfen.

Kevin Akpoguma: Damals, in der U18, setzte Trainer Horst Hrubesch Kevin Akpuguma als Stürmer ein. Es gibt wilde Geschichten, was passiert, wenn Abwehrspieler plötzlich stürmen sollen - doch Akpoguma machte seine Sache hervorragend, schoss zwei Tore. Mittlerweile ist der 19-Jährige aber wieder festes Mitglied des Abwehrverbunds, bei der U19-EM konnte sich sein Team auf Akpogumas erwachsenes Spiel verlassen. Sein größtes Gut: Er ist Rechtsverteidiger - also auf jener Position zu Hause, die außer Philipp Lahm in Deutschland kaum einer zu spielen vermag. Akpoguma ist 18, könnte langsam als Nachfolger aufgebaut werden. Muss sich dazu aber erstmal bei 1899 Hoffenheim in der ersten Mannschaft durchsetzen.

Niklas Stark: Spätestens als die SMS von seiner Großmutter eintraf, wurde U19-Kapitän Niklas Stark bewusst, dass er und seine Teamkollegen in Budapest Außergewöhnliches geschafft hatten. "Sogar meine Oma hat mir geschrieben", sagte der Verteidiger nach dem EM-Triumph. "Die holt sonst nie ihr Handy raus." Erfolge hatte Stark aber auch schon vor dem U19-Turnier vorzuweisen. Beim 1. FC Nürnberg hat er sich längst durchgesetzt, sein Vertrag wurde vor wenigen Tagen vorzeitig verlängert. Doch nach dem EM-Triumph muss er erst einmal einen Karriere-Rückschritt in Kauf nehmen: Nürnberg spielt kommende Saison in der zweite Liga.

Marc-Oliver Kempf: Die Freiburger wollten nicht abwarten, bis sich Marc-Oliver Kempf ins Blickfeld anderer Klubs spielt. Der SC schlug vorher zu, verpflichtete den Abwehrspieler kurz vor dem Start der U19-EM. Der Wechsel hatte mit Kempfs Selbstverständnis zu tun: Er wollte mehr spielen, als es ihm sein Ex-Klub Frankfurt gestattete. Also der Schritt nach Freiburg, wo junge Spieler gerne mit außergewöhnlich viel Spielzeit bedacht werden. Bei der EM überzeugte Kempf als umsichtiger, kampfstarker Innenverteidiger. Geht es darum, welchen U19-Europameistern die größte Zukunft bescheinigt wird, fällt stets auch sein Name. Beim SC Freiburg haben sie das vorher gewusst.

Fabian Holthaus: Der Bochumer verfügt über einen großen Vorteil gegenüber seinen Kollegen: Er ist Außenverteidiger und Linksfuß in Personalunion. Übt beide Tätigkeiten laut eigener Auskunft freiwillig, sogar mit Freude aus. Hat zuvor zudem Berufserfahrung auf der Innenverteidiger-Position gesammelt. Besitzt also sämtliche Anlagen, um eines Tages in einem Löw'schen Innenverteidiger-Riegel mitzuwirken - natürlich als Außenverteidiger. Noch ein Vorteil: Kann sich beim VfL Bochum in der zweiten Liga in aller Ruhe entwickeln. Nachteil: Hatte zuletzt Schwierigkeiten, sich beim VfL Bochum in der zweiten Liga zu entwickeln, weil Trainer Peter Neururer lieber erfahrener Spieler einsetzte. Vorteil: Nimmt den Wettbewerb um einen Stammplatz auf der Außenbahn jetzt als U-19-Europameister auf.

Zum Stolz seines Opas

MITTELFELD:

Levin Öztunali: Endlich hat Levin Öztunali seinen ersten großen Erfolg. Bislang war der 18-Jährige ja vor allem eines: der Enkel von Uwe Seeler. Seine Jugend verbrachte der Sohn von Seelers Tochter - zum Stolz seines Opas - beim Hamburger SV. Früh beobachteten ihn Topklubs, auch der FC Bayern. Er ging jedoch zu Bayer Leverkusen, lehnte eine 500 000-Euro-Offerte des HSV ab - und hatte bei seinem Ex-Klub fortan ein Raffzahn-Image. Dass sein Wechsel richtig war, zeichnet sich ab: Öztunali kam bereits zu neun Bundesliga-Einsätzen, wurde zu Bayers jüngstem Bundesligaprofi. Er gilt als Sechser der neuen Schule, dem viele in der kommenden Saison eine noch bessere Rolle zutrauen. Roger Schmidt, Leverkusens neuer Trainer, hält große Stücke auf Öztunali. Keine ganz schlechten Vorzeichen.

Joshua Kimmich: Der FC Bayern ist ohne seine Weltmeister in die USA gereist, auch U-19-Europameister Joshua Kimmich hat nun erst einmal Sonderurlaub bekommen. Beim Saisonauftakt am Wochenende fehlt der 19-Jährige. Danach wird er sicherlich bald zu seinem ersten Zweitliga-Einsatz für RB Leipzig kommen. Der kleine Mittelfeldspieler trug entscheidend dazu bei, dass Leipzig nun eine Klasse höher spielt. Und auch am EM-Titel hatte er entscheidenden Anteil: Im Finale griff er rettend ein und schlug den Ball weg, als Torwart Schnitzler von den Portugiesen schon überlistet war.

Julian Brandt: Pokale und Auszeichnungen hat Julian Brandt, 18, schon einige gesammelt. Vor einem Jahr wirkte er dank 13 Toren in 23 Spiele nachhaltig am A-Jugend-Meistertitel des VfL Wolfsburg mit. Am Donnerstag gewann er den EM-Titel mit der U19-Nationalmannschaft. Zudem halten nicht wenige Beobachter Brandt für einen der größten Schätze in der prall gefüllten Talente-Schatzkammer des DFB. Ähnliches wurde allerdings auch Hochbegabten wie Piotr Trochowski, Marc-André Kruska oder Savio Nsereko nachgesagt. Brandt kann immerhin zwölf Bundesliga-Einsätze, zwei Tore sowie zwei Kurzauftritte in der Champions League vorweisen. Bayers neuer Trainer Roger Schmidt ist angetan von seinem schnellen, torgefährlichen Außenstürmer. Auch wenn er Brandt zunächst einmal den Auftrag erteilt hat, weiter an sich zu arbeiten, vor allem an der Physis. "Dann kann er in der in der Bundesliga im offensiven Mittelfeld künftig eine Top-Rolle spielen", sagt Schmid.

Marc Stendera: 17 Jahre, drei Monate und 27 Tage war Marc Stendera alt, als er für Eintracht Frankfurt in der Bundesliga debütierte. 18 Jahre, sieben Monate und 21 Tage war er alt, als er U-19-Europameister wurde. Dazwischen liegen zehn Bundesliga-Einsätze und ein Kreuzbandriss. Eintracht wollte, dass sich das Talent bei der U19-EM Selbstvertrauen holt, um in der neuen Saison endlich den vorgesehenen Part im Mittelfeld auszufüllen. Der Plan ging auf. Stendera war als Spielmacher unverzichtbar für die Mannschaft, jetzt nimmt er unter dem neuen Trainer Thomas Schaaf erneut Anlauf in der Bundesliga.

Der U19-Schürrle

STURM:

Hany Mukhtar: Der Hertha-Spieler teilte sich das Zimmer mit Davie Selke. Statt zu schlafen, übten die beiden nachts offenbar Toreschießen. Selke gelangen sechs Treffer während des Turniers, Mukhtar schoss ein Tor im Halbfinale und das entscheidende im Endpsiel. Er wurde nach Schlusspfiff von den Mitspielern deswegen besonders geherzt. Ob auch die Kollegen bei Hertha BSC bald über ein Tor von ihm jubeln dürfen? Als Stammspieler hat sich Mukthar noch nicht durchgesetzt, er überlegt derzeit, ob er seinen Vertrag verlängern soll oder lieber einen kleineren Verein suchen, bei dem er Spielpraxis sammeln kann.

Davie Selke: Manchmal geht es im Fußball ganz schnell. Am Donnerstag gewann Davie Selke den EM-Titel, am Samstag soll der 19-Jährige auf Wunsch von Werder Bremen wieder beim Training des Profikaders antreten. Sechs Mal hat Selke bei der Endrunde in Ungarn getroffen, 14 Tore sind es mittlerweile in 15 Spielen für die U19, einen derart begabten Spieler wollen sie in Bremen etwas häufiger in die Bundesliga-Arbeit einbinden. Drei Mal haben sie Selke bislang in der Bundesliga mitmachen lassen, in der laufenden Saison sollen einige Einsätze dazukommen - wenn es nach Werder geht auch darüber hinaus, Selkes Vertrag läuft nach der Spielzeit aus. Dass andere Klubs mittlerweile Gefallen an dem Sohn eines Äthiopiers und einer Tschechin gefunden haben, ist Werder-Manager Thomas Eichin (erst einmal) egal: "Andere Klubs können sich die Anrufe sparen", ließ Eichin freundlich ausrichten.

EINWECHSELSPIELER:

Felix Lohkemper: Der Stümer Felix Lohkemper war bei der U19-EM so etwas wie der André Schürrle von Marcus Sorg: der wichtigste Jokerspieler für die Offensive - wie der Chelsea-Akteur bei der WM in Brasilien. In drei von fünf Partien wurde Lohkemper eingewechselt, auch im Finale kam er in der 84. Minute auf den Platz. Ein Tor gelang dem 19-Jährigen in Ungarn allerdings nicht. Derzeit spielt Lohkemper beim VfB Stuttgart II, den Sprung in die erste Mannschaft hat er noch nicht geschafft. Die Tage in Ungarn waren für ihn eine wichtige Erfahrung, die Einsatzzeiten konnte er allerdings nicht so geschickt wie Kollege Schürrle nutzen, um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen.

Anthnony Syhre: Beim Eröffnungsspiel gegen Bulgarien stand Anthony Syhre in der Startelf, danach wurde er allerdings nur noch zwei Mal eingewechselt. Im Finale positionierte er sich in der Nachspielzeit an der Seitenlinie, entscheidend zum EM-Titel beitragen, konnte er in den wenigen verbleibenden Sekunden auf dem Platz verständlicherweise nicht mehr. Bei Hertha BSC spielt der 1,87 Meter lange Innenverteidiger derzeit noch in der 2. Mannschaft. Dort macht er seine Sache allerdings so gut, dass der DFB ihm 2013 die Fritz-Walter-Medaille verlieh - wie zuvor Manuel Neuer, Mario Götze oder Julian Draxler, alle mittlerweile A-Nationalspieler.

Die weiteren Spieler im U19-Kader, die es (noch) nicht in die erste Elf geschafft haben: Marius Gersbeck (Torwart, Hertha BSC), Marvin Friedrich (Abwehr, Schalke 04), Pascal Itter (Abwehr, Schalke 04), Sebastian Stolze (Mittelfeld, VfL Wolfsburg), Benjamin Trümner (Mittelfeld, TSG 1899 Hoffenheim).

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: