U-21-Elf im Finale:Sie trällern Fiderallala, Fiderallalalala

  • Die U-21-Elf erreicht das EM-Finale, auch wenn sie gegen England ein paar Schwierigkeiten hatte.
  • Nach dem Sieg singen die Spieler in der Kabine, Trainer Stefan Kuntz stilisiert den Erfolg zu einer Braveheart-Geschichte.

Von Ulrich Hartmann, Tychy

"Fiderallala", schallte es aus der Kabine der deutschen U-21-Mannschaft. Das ist also das Lied, das die Jungfußballer bei der Europameisterschaft in Polen nach jedem Sieg intonieren, das Lied, das sie bislang um keinen Preis hatten verraten wollen, das sie am Dienstagabend nach dem Halbfinal-Sieg gegen England aber nun allzu gern preisgaben angesichts des geglückten Einzugs ins Finale.

Der Torwart Julian Pollersbeck, der mit zwei gehaltenen Elfmetern zum EM-Helden der deutschen U-21-Mannschaft avancierte, ist bei diesem Lied der Vorsänger, er denkt sich für den einen oder anderen Mitspieler eigene Strophen aus, aber wenn man Pollersbeck fragt, wie junge Fußballer, die sonst bevorzugt Gangsta-Rap und R'n'B hören, bei ihrem Kabinenlied ausgerechnet auf die "Vogelhochzeit" kommen, dann sagt der 22-Jährige: "Wie, Vogelhochzeit? Ich kenn das Lied nur vom Fußball."

Den deutschen U-21-Fußballern wurde gleich zu Beginn der EM beigebracht, dass sie in Polen "Geschichte schreiben" mögen, ihre "eigene Geschichte", um genau zu sein, und dann schreiben sie eben nebenbei auch ihre eigenen Lieder. Ob da Vögel heiraten oder Fußballer auf die Schippe genommen werden, war ihnen Dienstagnacht ganz egal nach einem für den Deutschen Fußball-Bund historischen Nachwuchsspiel. 1:0 waren sie in Führung gegangen durch Davie Selke, 1:2 haben sie hintengelegen noch in der 70. Minute, ehe der sieben Minuten zuvor eingewechselte Felix Platte in seinem allerersten U-21-Länderspiel den 2:2-Ausgleich erzielte. Aber weil sie es dann binnen weiterer 50 Spielminuten nicht fertigbrachten, noch ein Tor zu schießen, ging es ins Elfmeterschießen.

In diesem las Pollersbeck per Spickzettel die Elfmetergewohnheiten der Engländer ab - ganz nach Vorbild eines dadurch zur Legende gewordenen Torhüters Jens Lehmann. Zwei Elfmeter parierte er, aber ob ihm das wegen der Instruktionen auf dem im Stutzen versteckten Zettel gelang, konnte er hinterher gar nicht mal sagen. "Ich war im Tunnel", entschuldigte er sich. Im Tunnel hat man bekanntlich schlechten Empfang.

Kurz nachdem die Fußballer in der Kabine "Fiderallala" gesungen hatten, saß Trainer Stefan Kuntz in der Pressekonferenz und hatte so einen Blick drauf, als sollten ihm gleich ein paar Tränen aus den Augen purzeln. Er stilisierte ein Fußballspiel zu einer Braveheart-Geschichte: Bei solchen Spielen säßen Väter und Söhne gemeinsam vor dem Fernseher, sagte Kuntz gerührt, und während die Söhne die Schuhe und Frisuren der Stars bewunderten, erklärten die Väter den Söhnen die Bedeutung eines aufopferungsvollen Kampfs der Fußballer. Und während sein Pathos für die internationalen Journalisten ins Englische übersetzte wurde ("A father says to his son ..."), schien ihm gleich noch einmal schwerer ums Herz zu werden. "So schöne Tage", sagte Kuntz, der als Sportdirektor in Kaiserslautern einst in schwere See geraten war, "gibt es im Fußball nur selten."

Das Finale wird extrem schwierig

Noch schöner könnte es freilich am Freitagabend in Krakau werden, sollte die deutsche Mannschaft nun auch noch das Endspiel gegen Spanien gewinnen, aber das wird extrem schwierig. Die DFB-Jungstars haben schon gegen England ein paar Schwierigkeiten gehabt, haben in der Abwehr oft schlecht ausgesehen und im Angriff viel zu viele Chancen vergeben. "Zu diesem Sieg", sagte der Sportdirektor Horst Hrubesch, "hätten wir eigentlich kein Elfmeterschießen brauchen müssen." Dem Überschwang in der Kabine tat die Dramatik freilich gut, und dass in dieser Mannschaft traditionelle deutsche Lieder gesungen werden, gefällt Hrubesch auch gut. Als er selbst noch Trainer der U 21 bei der EM vor zwei Jahren in Tschechien war, hat er einmal mit Karel Gott auf dessen Terrasse mitten in Prag gesungen, und seine Mannschaft hat das Halbfinale damals mit 0:5 gegen Portugal verloren.

Nun singen sie alle gemeinsam und stehen im Endspiel und haben zum Ziel, dass Freitagnacht aus der deutschen Kabine im Cracovia-Stadion wieder ein "Fiderallala" erklingt.

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