TV-Rechte:Riads Raubkopierer

Ein saudischer Piratensender zapft exklusive Bilder des katarischen Rechteinhabers ab: Auch die Fußball-WM wird von einem politischen Konflikt in der Golfregion erfasst - der Weltverband gibt sich überrascht.

Von Thomas Kistner

Gianni Infantino hätte Kronprinz Mohammed bin Salman einfach direkt ansprechen können, als die beiden auf der Ehrentribüne des WM-Eröffnungsspiels den Untergang Saudi-Arabiens gegen Gastgeber Russland (0:5) mitverfolgten. Große Bedeutung hat dieses Thema ja: Ein offenkundig saudischer Piratensender überträgt die WM-Partien illegal im Mittleren Osten und in Nordafrika.

Der Raubkopierer, so verrät schon der Name BeoutQ, reißt sich das teuer bezahlte Rechtematerial des katarischen Senders beIN Sports unter den Nagel. Gesteuert wird die unfreundliche Übernahme vom Satellitenunternehmen Arabsat in Riad. Die TV-Piraten sind seit Herbst 2017 am Werk, sie strahlen katarisches Exklusivmaterial von Champions League, Premier League und anderen Bewerben aus. Dass sie auch die exklusiven WM-Bilder abzapfen würden, hatten sie sogar angekündigt.

Aber das war unter Kronprinz und Fifa-Boss offenbar kein Thema. Obwohl beIN seit Monaten Klagen einreicht, bis zur Welthandelsorganisation WTO, und obschon die Europa-Union Uefa bereits amerikanische Fachanwälte an das Raubthema gesetzt hat - der Weltverband gab sich nun in Russland völlig überrascht: Rechte-Piraterie? Erst am Wochenende erklärte die Fifa, sie prüfe alle Optionen, das zu unterbinden. Szenekenner sind sicher, dass die Prüfung über die nächsten vier Wochen hinausreichen wird - dann ist die WM vorbei.

Egypt feature FIFA World Cup 2018, Cairo - 15 Jun 2018

Public Viewing mit Wasserpfeife: Fans verfolgen die WM in Kairo, wo die Bilder eines saudischen Piratensenders zu empfangen sind.

(Foto: Mohamed Hossam/EPA-EFE/REX/Shutterstock)

Was wie dreister Diebstahl ausschaut, hat politische Hintergründe. Saudi-Arabien reißt die Führungsrolle in der Golfregion an sich, unter Regie des 33 Jahre alten Kronprinzen; es boykottiert Katar im Bund mit Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain. Doha unterstütze Terroristen, lautet die Begründung. Die Blockade traf Katar nicht so schwer wie erhofft. Jetzt zielen Riad und Co. verstärkt auf den Fußball, auf die WM 2022, die in Katar stattfinden soll. Das zeigte im Herbst ein Tweet, den Generalleutnant Dhai Khalfan absetzte: "Wenn die WM Katar verlässt, wird auch die Krise vorbei sein (...), weil sie dafür geschaffen wurde." Khalfan leitet den Geheimdienst der VAE.

Dann begann eine Großoffensive, die Raubzüge von BeoutQ, die auf aufwendiger Technologie basieren, sind nur ein Teil davon. Infantino, dem die Finanzsituation der Fifa zusetzt, beschloss beim König in Riad einen engen Schulterschluss. Teil davon war offenbar ein 25-Milliarden-Dollar-Paket, das der Fifa-Boss im März ganz überraschend seinen Ratsherren auf den Tisch warf: So viel wolle eine Investorengruppe für neue Turnierformate bezahlen, eine reformierte Klub-WM und eine Nationen-Liga. Wer hinter der Offerte steht, hat er bis heute nicht verraten; durchgesickert ist trotzdem, dass Saudi-Arabien die zentrale Rolle spiele. Die Fußballwelt schmetterte den obskuren Vorstoß ab, Infantino sucht nun andere Wege, um die anonymen Gelder in den Fußball zu schleusen.

World Cup - Group A - Russia vs Saudi Arabia

Schulterschluss: Fifa-Boss Gianni Infantino (links) beim WM-Eröffnungsspiel mit Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman.

(Foto: Christian Hartmann/Reuters)

Dem engen Draht zu Riad tat das keinen Abbruch. Anfang Juni gestattete die Fifa den Saudis, mit zugeneigten Ländern einen neuen Verband zu gründen: den südwestasiatischen Fußballbund (SWAFF). Im Gegenzug halfen die Saudis, ein großes Problem Infantinos zu lösen. Der Fifa-Boss hatte erkennbar große Sympathien dafür, dass die WM 2026 dem Bündnis USA/Mexiko/Kanada zufällt, das wirtschaftlich viel attraktiver ist als Gegenkandidat Marokko. Dass dies nun gelang, lag nicht nur daran, dass die Fifa Donald Trumps offene Drohungen gegen die globale Wählergemeinde tolerierte. Ein guter Freund führte im Mittleren Osten Amerikas Kampagne fort. Turki al-Sheikh, Chef der saudischen Sportbehörde, leistete hinter den Fifa-Wahlkulissen in Moskau tagelang heftige Lobbyarbeit, um Marokko zugesicherte Voten abzuknüpfen: die des Irak, der VAE, von Jordanien, Libanon, Pakistan und anderen, die zufällig auch Riads neuer SWAFF beitraten. US-Verbandschef Carlos Cordeiro war von der saudischen Assistenz so angetan, dass er gleich nach dem WM-Zuschlag eine flammende Videobotschaft an das saudische Königshaus schickte: "Danke für die enorme Unterstützung", explizit auch an den Kronprinzen sowie an "meinen guten Freund Turki al-Sheikh".

Auch beim Piraterie-Problem zeichnet sich eine Lösung ab. BeIN Sports hält die WM-Übertragungsrechte in 23 Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas. 22 Spiele müssen aufgrund der globalen Fifa-Regeln ohnehin im Free-TV der Region ausgestrahlt werden: alle Partien Saudi-Arabiens und Ägyptens, Halbfinals und Endspiel. Weil die Saudis beIN-Decoder im eigenen Land verboten haben und die Piraterie fortsetzen, und weil in Ägypten die Wettbewerbsbehörde die Fifa verpflichten will, die 22 freien Spiele dem Staatssender zu übertragen, hat beIN das Signal jetzt in der ganzen Region verfügbar gemacht. Auch darauf hoffend, so den Piratensender abzuschneiden. Dies sei eine "klare Geste des guten Willens des Senders, seinen Inhalt einem möglichst großen arabischen Publikum anzubieten", teilt der Sender mit.

In der Not muss sich Doha konziliant geben, derweil reitet Riad die nächste Attacke. Sportchef al-Sheikh kündigte eine Klage gegen beIN Sports an, weil ihm die Kommentare über die Saudis beim Eröffnungsspiel zu negativ waren. "Das beweist, dass die saudischen Behörden zurecht verbieten, dass diese auf unserem Boden ausgestrahlt werden", erklärte er in einem Video. Das ist auch insofern witzig, als parallel der saudische Verbandschef Adel Ezzat harte Sanktionen gegen drei eigene Kicker androhte, die gegen Russland besonders versagt hätten. Er nannte die armen Kerle sogar namentlich: Abdullah al-Mayouf, Omar Hosawi und Mohammed al-Sahlawi.

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