TV-Ereignis WM (3): Waldis WM-Club:Waldi Hartmann entdeckt das Moppel-Ich

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Das Traumpaar wieder vereint: Waldemar Hartmann begrüßt Harald Schmidt zum Fußballstammtisch. Gemeinsam bestaunen sie, was Bärbel Schäfer unter "breit aufstellen" versteht.

Christina-Maria Berr

Für Waldemar Hartmann, 62, ist es ein Fest wie beim Geburtstag. Der bayerische ARD-Sportmoderator hat mit seinem Fußballstammtisch, Waldis WM-Club, im Münchner Seehaus im Englischen Garten ein Heimspiel. Macht er einen Witz, lachen die Gäste zuverlässig.

Waldi Hartmann ist mit seinem Fußballstammtisch, "Waldis WM-Club", im Münchner Seehaus zu Gast. Mit dabei: ARD-Humoriker Harald Schmidt. (Foto: ag.ddp)

Zudem hat der öffentlich-rechtliche Sender gerade Waldis Vertrag um zwei Jahre verlängert - und damit gehört seiner Fußballfachsimpelei vor Bierkrügen und Rettichbrettchen eine gewisse Zukunft. Seit 2006 präsentiert er seinen WM- oder auch EM-Stammtisch, gewissermaßen den Musikantenstadl der Fußballfans. Born to be Waldi heißt hier: kontrollierte Offensive des Humors.

Im Zuschauerraum rund um den Expertentisch im Seehaus sitzen Waldi-Fans mit Weißbiergläsern, die sie auf Tischen und Bäuchen abstellen. Daneben: Damen mit Halstuch, die unter dem Stuhl ein Wasserglas verstecken. Als Waldemar Hartmann eintritt, setzen sofort frenetische "Waldi"-Chöre ein, hier braucht es kaum ein Warm-up für das Publikum. Dass an diesem Montagabend auch ARD-Altmeister Harald Schmidt dabei ist, wird akzeptiert, mehr aber auch nicht.

Doch dann kommt alles anders.

"Ich erwarte die deutsche Nationalmannschaft auf dem Rathausbalkon in München", erklärt Harald Schmidt, der ARD-Humoriker und Schauspieler. Er findet, ohne die Jungs vom FC Bayern ginge es eigentlich nicht in Südafrika. Der Late-Night-Mann aus Köln ist Mitglied beim VfB Stuttgart, beim FC Bayern München und bei Hannover 96. Er weiß, was Fans zu hören wünschen.

Hartmann und Schmidt sind eine Art Dreamteam in der Fußball-Plauderei, das nun wiedervereint ist. Die beiden brauchen eigentlich keine weiteren Gäste für ihren Talk, doch das ist nicht Prinzip dieser Sendung. So sitzen auch der einstige Nationalspieler Pierre Littbarski am Tisch, sowie Comedian Matze Knop und - als Quotenfrau - Bärbel Schäfer. Bislang war sie eher durch emotional aufwühlende Nachmittagstalks im Privatfernsehen aufgefallen, nun soll sie etwas zu WM-Spielen sagen.

Vor einem halben Jahr hatte Bärbel Schäfer den Born-to-be-Waldi-Hartmann in ihre HR-3-Radiosendung geladen und dabei hatte er angeblich ihre Fußball-Begeisterung entdeckt. Es ist nun mal so, dass sich ein Zirkel im deutschen Talkshowwesen laufend gegenseitig selbst einlädt, was die Planung kolossal vereinfacht. Es gibt in Deutschland so etwas wie ein Panel der Plauderer.

Bärbel Schäfer sitzt nun im Seehaus zwischen den Matadoren Hartmann und Schmidt, ganz in Schwarz gekleidet, die blonden Haare vorne rockig hochgesprayt, als würde sie ein wenig gegen die ARD-Zuschauer-Erwartungen rebellieren wollen. "Wir sind Gruppenerster", erklärt sie. Ermutigt vom Szenenapplaus lässt sie eine kleine Abhandlung über die 4-2-3-1-Taktik folgen und sagt: "Ich danke Jogi Löw!"

"Ich danke Louis van Gaal", schiebt Harald Schmidt hinterher. Der Trainer der Bayern habe schließlich entscheidend zur WM-Vorbereitung beigetragen.

Doch Moderatorin und Buchautorin Schäfer, von den Fußball-Experten der Runde völlig unbeeindruckt, erklärt, worum es eigentlich in Südafrika für die Nationalelf gehe: "Moppel-ich-Taktik", sagt sie, "breit aufstellen". So einfach kann Fußballwissen für alle sein. Man fragt sich sofort, warum Bärbel Schäfer nicht schon längst eine Fußballsendung für Frauen moderiert. Zumindest für den neuen Mädelssender Sixx wäre sie die ideale Kickerfachfrau.

Das Schöne an Waldis WM-Club ist ja nicht nur, dass sich Millionen Bundestrainer an diesem Stammtisch vertreten fühlen. Das wirklich Wunderbare ist, dass auch diejenigen, denen sich die Begeisterung für Autospiegel-Flaggenstrickzeug und Spieleranalysen noch nicht erschlossen hat, hier ebenfalls angesprochen fühlen. Bei den Plaudereien von Waldi und seinen Gästen kommt jeder mit.

Die ballkundigen Kenner unter den Zuschauern bedient Ex-Nationalspieler Pierre Littbarski, WM-Held vor 20 Jahren. Ungeachtet von Harald Schmidts Witzeleien über Jogi Löws und Hansi Flicks Partnerlook-Pullover ("Babykaschmir ohne Unterhemd, das schweißt doch ein") und den Bärbel-Schäfer-Schlussfolgerungen ("Jetzt ist Kuscheltaktik angesagt"), zerlegt "Litti" das Spiel Australien gegen Deutschland ("Das stimmte hinten und vorne nicht"), bis man den Eindruck gewinnen muss: Eigentlich sind hier lauter Dilettanten am Werk.

Doch das lässt Harald Schmidt nicht auf sich sitzen und geht nun ebenfalls in die Spielanalyse. Er schwärmt vom Rückpass von Müller auf das 1:0 von Podolski. Und überhaupt.

Da kommt Matze Knop aus dem Off und lobt Comedian Schmidt: "Machen Sie weiter so, Herr Hallervorden." Der Mann, der wohl die gesamte Fußballprominenz rauf und runter imitieren kann, witzelt sich durch den Abend. Das soll vermutlich lustig sein, wäre aber durchaus etwas komischer, wenn Harald Schmidt nicht auch noch zu Matzes Witzen lachen würde. Schmidt kann Pointen setzen wie kein anderer, Witze anderer mit gewolltem Lachen unkomisch machen, das kann er auch. Aber das Publikum im Studio ist willig - und johlt einfach über alles weg.

Dann geht es auch hier über das Lieblingsthema von Fans und Nichtfans dieser WM, die südafrikanischen Vuvuzelas, die öhrenbetäubend lauten Tröten. Schmidt findet sie toll ("Mir gefällt es gut, weil es den Kommentar überlagert"), Bärbel Schäfer erklärt, sie musste ihren Vater beruhigen, der offenbar meinte, sein Fernseher sei kaputt und Waldemar Hartmann blendet einen Stadionjubel ganz ohne Getröte ein - zur Beruhigung des ARD-Publikums.

Ein ruhiger Applaus als Betthupferl zur WM. So nett ist Fernsehen aus dem Pavillon am See im Englischen Garten.

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