Turnen:Über den Holmen

Cottbus Turnen 40 Turnier der Meister Lausitzarena Cottbus Finale 03 04 2016 Lukas Dauser GE

"Ein bisschen nervenaufreibend, wenn es für einen selbst und für den ganzen Sport um so viel geht." - Lukas Dauser über die Olympia-Qualifikation.

(Foto: imago/Johannes Koziol)

In Rio zeigt sich, dass der Unterhachinger Lukas Dauser immer wichtiger für das Nationalteam wird.

Von Volker Kreisl

Vom Barren hält Kurt Szilier sehr viel. Das Turngerät mit den zwei Holmen, auf die der Athlet nach dem Salto mit den Oberarmen prallt, an dem er sich vom Hin- und Herschwingen Schrunden in den Handflächen holt, von dem er tief stürzen kann, dieser Barren ist Kurt Sziliers Lieblingsgerät. Das war schon so, als er vor rund 35 Jahren EM-Zweiter wurde, für Rumänien noch. Und das gilt auch noch heute für den Turn-Coach Szilier.

Landestrainer in Bayern ist er, und seine Barrenliebe wirkt sich gerade indirekt auch auf höchster Ebene im Turnen aus. In Rio de Janeiro hat das deutsche Nationalteam gerade die Qualifikation für die Olympischen Spiele gesichert, in der zweiten Runde, nachdem es bei der WM zuvor noch gescheitert war. In Rio wurden die Deutschen nun Erster, und zwei Fünftel der Mannschaft waren Unterhachinger. Zwei ziemlich wichtige Fünftel: der zweimalige Silber-Gewinner Marcel Nguyen, 28, und der 22-jährige Lukas Dauser. Beide sind bei Kurt Szilier in die Barrenschule gegangen, beide lieben dieses Gerät.

Während Nguyen mit der Silbermedaille im Mehrkampf und an den Holmen bei Olympia 2012 in London wohl schon den Höhepunkt seiner Laufbahn hatte, beginnt sich Dausers Talent in diesen Wochen gerade zu entfalten. Die WM in Glasgow im Herbst hatte er wegen einer Schulterverletzung verpasst, beim Turnier in Cottbus konnte er im März seinen Trainingsstand überprüfen, der Auftritt in Rio war nun also sein erster Wettkampf, in dem ihn der volle Ernst des Turnens erfasste.

Die Olympiateilnahme stand auf dem Spiel, "das war ein bisschen nervenaufreibend, wenn es für einen selbst und für den ganzen Sport um so viel geht", sagt Dauser. Aber Turnen ist ja definierbar und berechenbar, und die Konkurrenz in Zeiten des Internets einigermaßen transparent. Hat sich ein Team ein gewisses Maß an Schwierigkeiten und Notenpunkten antrainiert, dann kann eigentlich nicht viel passieren. "Wir wussten, wenn wir unser Zeug abliefern, sind wir dabei", sagt Dauser. Er ist ein ausgeglichener Mehrkämpfer geworden, auf sich aufmerksam macht er aber am Barren. In Rio hat er da die beste deutsche Leistung vollbracht, im Einzelfinale wurde er mit 15,6 Punkten Vierter. Dauser beherrschte die Holme, wie damals schon als Zwölfjähriger.

Mit dem Tsolakidis könnte er bei Olympia ins Finale kommen

Szilier erinnert sich, dass sich Dauser, nachdem er aus Glonn bei Ebersberg zu ihm ans Landesleistungszentrum kam, schnell zurechtfand in der Welt der vielen Stütz-, Hang-, und Fliehkräfte an diesem Gerät. "Der Barren ist gut für die Ausbildung der Turner", sagt Szilier, "er ist ein sehr komplexes Gerät." Und wenn einer schon mit zwölf, wenn das Hemd noch am Körper flattert, einen Diamidov schafft, also einen Vorschwung in den Handstand mit ganzer Drehung, dann ist das ein Zeichen, dass er "großes Bewegungstalent" besitzt, wie Szilier sagt.

Dauser ist nun über den Diamidov weit hinaus. Vor zwei Jahren wechselte er den Standort, Szilier konnte ihm Fachberatung bieten, aber keinen Trainingswettstreit unter hochkarätigen Konkurrenten. Er wechselte nach Berlin, was den angenehmen Effekt hatte, dass er nicht mehr täglich dreieinhalb Stunden vom Land in die Stadt pendeln musste, sondern nur noch ein paar Minuten von der Haustür zur Umkleide. Jetzt arbeitet er am Tsolakidis, einem Element, das bisher nur der griechische Erfinder selber geturnt hat. Damit hätte seine Übung bei Olympia einen Wert von 7,1 Punkten, er könnte damit ins Finale kommen.

Zunächst fliegt Lukas Dauser noch einmal nach Brasilien, in Sao Paulo wird er Ende Mai am Weltcup teilnehmen, die zu zeitaufwendige EM in Bern lässt er aus. Danach beginnt die Qualifikationsphase für Olympia mit viel Training in Berlin. Dann könnte er zum festen Bestandteil des Nationalteams werden. Sziliers Hachinger Turner sind in der Welt unterwegs, die Barrenschule nehmen sie mit.

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