Turnen:Balken-Signal

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Pauline Schäfer überrascht mit dem ersten deutschen EM-Finalauftritt am Balken seit der Rostockerin Bärbel Wielgoß im Jahr 1990. (Foto: imago)

Bei der Turn-EM in Frankreich fehlen viele deutsche Leistungsträger. Pauline Schäfer hat im Finale am Balken Medaillenchancen.

Von Volker Kreisl, Montpellier/München

Nach wie vor scheint die eine Liste des deutschen Turnerbundes länger zu sein als die andere. Die gefühlt längere Liste ist die der Verletzten, operierten und aus diversen Gründen geschonten Frauen und Männer, darunter Fabian Hambüchen, Elisabeth Seitz und Kim Bui. Die kürzere ist die der schlagkräftigen Ersatzturner, die nun bei der Einzel-EM am Start ist. Ihre Namen sind kaum bekannt, auch das hässliche Wort "Notbesetzung" ist schon gefallen. Nun haben zumindest die Frauen, teils noch im Jugendalter, dieses Etikett abgerissen. Zwei Finalteilnahmen haben sie erreicht, die eine, Pauline Tratz, 15, steht im Mehrkampf am Freitag; die andere, Pauline Schäfer, 18, hat am Sonntag am Balken Medaillenchancen. Das derzeit größte Talent, die 15-jährige Kim Janas (Stuttgart), hätte gemäß der Schwierigkeiten ihrer Balken- und Stufenbarrenübung große Chancen auf die Finals gehabt, musste aber wegen einer Muskelverhärtung im linken Knie passen. Bundestrainerin Ulla Koch resümierte nach dem Auftakt: "Das ist keine Notbesetzung."

Janas wird eine Woche Pause machen, die Balkenübung abzubrechen, war auch eine Vorsichtsmaßnahme. Sie hat soeben einen Kreuzbandriss im rechten Knie auskuriert, den sie auch als Resultat übermäßigen Ehrgeizes einstufte. Nun absolviert sie im Zweifel lieber eine Krankenhausuntersuchung als eine Übung zu viel. Nach der Entwarnung der Ärzte in Montpellier ist sie nun Zuschauerin bei Tratz und Schäfer. Letztere hat schon vor dem Balken-Finale am Sonntag ein Signal gesetzt für die neue Arbeit der deutschen Turnerinnen. Der Schwebebalken galt lange als Zitterbalken, nun hat Schäfer als erste Deutsche seit 25 Jahren wieder ein EM-Finale auf dem zehn Zentimeter schmalen Turnsteg erreicht. Schäfer gilt schon länger als gute Balkenturnerin, nun hat auch vor großem Publikum erstmals fast alles geklappt: Sie zeigte Schwierigkeiten, die sich auf 5,8 Punkte summierten, große Bewegungsamplituden, Eleganz, und ihr gelang auch jener Salto mit halber Drehung, den sie einst selbst kreiert hatte. Im Vorkampf kam sie auf Platz drei.

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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