Turn-WM: Frauen:Über Rio nach Rio

Die deutschen Frauen verpassen als Zwölfte der Qualifikation die direkte Olympia-Qualifikation und müssen im April zu einem Vorturnier nach Brasilien.

Von Volker Kreisl, Glasgow

Es war ein langer Tag mit einem späten Wettkampf - und einer nicht enden wollenden Nacht. "Eine Nacht fast ohne Schlaf", sagte Ulla Koch, die Trainerin der deutschen Turnerinnen. Denen dürfte es genauso ergangen sein nach ihrem enttäuschenden WM-Auftakt. Sie alle grübelten, wie das passieren konnte und was es bedeutet für die kommenden Monate.

Als Zwölfte der Qualifikation von Glasgow haben sie den direkten Weg zu Olympia verpasst und müssen schon im April nach Rio. Die besten Vier aus den Teams zwischen Rang neun und 16 der Vorkämpfe von Glasgow sind dann bei Olympia dabei. Das gelingt den Deutschen aber nur, wenn sie nicht so auftreten wie in Glasgow. Da haben einige Fehler zu Beginn das über Jahre entwickelte Projekt Olympia ins Wanken gebracht. Dieses Projekt umfasst unter anderem eine neue Herangehensweise an das Zittergerät Schwebebalken, eine systematischere Nachwuchsarbeit, junge Turnerinnen mit eigenen Element-Kreationen wie Pauline Schäfer und Sophie Scheder und große Begabungen wie die derzeit noch verletzte Kim Janas. Aber das Projekt verträgt noch keine Fehltritte zum falschen Zeitpunkt, wie in Glasgow die von Scheder am Balken.

"Einen langen Urlaub gibt es diesmal nicht."

Ihre Gerät-Abgänge nach Spreizsalto und 180-Grad-Drehung stürzten die 18-Jährige in Selbstzweifel. "Ich habe die Enttäuschung wohl mitgenommen", sagte sie. Nur so war es zu erklären, dass sie am Boden versehentlich zweimal die gleiche Akrobatikbahn präsentierte, womit sie weitere Punkte einbüßte. Aber Scheder war nicht die Einzige, die Deutschen leisteten sich ein halbes Dutzend schwerer Patzer, bis hin zum verfrühten Abstieg von Stufenbarren-Spezialistin Elisabeth Seitz - am Stufenbarren. Dass am Ende Schäfer (Balken) und Scheder (Barren) in Einzelfinals und Seitz und Schäfer im Mehrkampffinale standen, war ein mäßiger Trost.

Missgeschicke sind aber auch den Top-Turnerinnen passiert. Die Amerikanerin Brenna Dowell musste am Boden ohne Musik turnen, weil der Musik-Computer klemmte, nicht aber die Uhr zum Countdown. Und Doppel-Olympiasiegerin Gabrielle Douglas verfehlte nach Rückwärtssalto versehentlich den Balken und schrammte daran entlang zu Boden. Das sah übel aus, doch die fortwährend lächelnde Douglas stieg auf, turnte unbeeindruckt weiter, und auf den restlichen Team-Auftritt wirkte es sich nicht sonderlich aus.

Die USA, Russland, die Chinesinnen und Britinnen turnen in einer anderen Liga, sie haben mehr Zeit für die Übungen, und irgendwann sitzen die Übungen eben fest in Kopf und Körper, resistent gegen Angst und Zweifel. Die Deutschen aber, die ihre Talente nicht nur in die Halle, sondern richtigerweise auch in die Schule schicken, müssen für die kommenden Monate umplanen: Es wird verstärkt trainiert.

Weihnachten findet zwar statt, "aber nur an den Feiertagen", sagt Koch. Vom 27. Dezember an wird wieder geturnt. Zur Nachqualifikation in Rio sind die verletzten Kim Janas und Kim Bui noch nicht fit, dafür wohl Talente wie die 15 Jahre alte Tabea Alt aus Ludwigsburg. Und eines steht fest, erklärt Elisabeth Seitz: "Einen langen Urlaub gibt es diesmal nicht."

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