Türkei:Messi unterm Mondstern

Türkei: Gerade erst den Einstand als Profi gefeiert, gilt Emre Mor bereits nach zwei Testspielen für die Türkei (hier gegen Slowenien) als Wunderkind.

Gerade erst den Einstand als Profi gefeiert, gilt Emre Mor bereits nach zwei Testspielen für die Türkei (hier gegen Slowenien) als Wunderkind.

(Foto: Jure Makovec/AFP)

Emre Mor gilt als das größte Talent in der türkischen Auswahl, der 18-Jährige wird bereits mit Barcelonas Weltfußballer verglichen. Vielleicht ist es da gut, dass der künftige Dortmunder kein Türkisch spricht.

Von Tobias Schächter, Paris

"Emre, Emre"! Egal wo Emre Mor dieser Tage türkischen Fußballfans begegnet, alle rufen seinen Namen. Alle wollen ein Foto mit diesem Kicker machen, der so plötzlich ein großer Hoffnungsträger der Milli Takim geworden ist. Auch beim letzten öffentlichen Training der Türken in ihrem EM-Quartier in Südfrankreich vor dem Turnier-Start diesen Sonntag in Paris gegen Kroatien war das so.

700 Menschen waren in die Nähe von Nizza gekommen, auch um diesen Emre Mor zu sehen. 18 Jahre jung ist der, gerade vom dänischen Klub FC Nordsjaelland zu Borussia Dortmund gewechselt. Selbst normalerweise zurückhaltende Fachleute schwärmen von einem "neuen Messi", wenn sie über die Künste des in Kopenhagen geborenen Linksfußes sprechen. Nordsjaellands-Trainer Kasper Hjulmand, der einst acht Monate Mainz 05 trainierte, sagt: "Er hat so viel Geschwindigkeit in seinen Füßen und ist so unvorhersehbar. Wenn man erwartet, dass er jetzt einen Pass spielt, macht er stattdessen noch ein Dribbling und ändert die Richtung. Und wenn er das macht, ist er nicht mehr zu fassen - das ist einfach unmöglich." Und Otto Addo, Hjulmands Assistent, sagt: "Ich habe vom Talent noch nichts Besseres gesehen. Wie er dribbelt, erinnert wirklich an Messi."

Ein Messi mit dem Mondstern auf dem Trikot? Der Hochgelobte selbst sagt über sich: "Wenn ich in der richtigen Stimmung bin, dann habe ich das Gefühl, dass ich praktisch alles schaffen kann."

Erst im November gab er sein Profidebüt bei Nordsjaelland

Seit seinem Profi-Debüt vergangenen November für Nordsjaelland gilt der Sohn eines Türken und einer Mazedonierin als Wunderkind. Für die türkische Nationalmannschaft könnte er bei dieser EM ein Joker werden, der den Unterschied macht. Eigentlich nominierte Trainer Fatih Terim den sagenhaften Linksfuß für den Vorbereitungslehrgang nur, um ihn kennenzulernen. Dann brachte der 1,68 Meter kleine Mor bei seinen Auftritten in den Tests gegen Montenegro und Slowenien (jeweils 1:0) auch Terim zum Staunen. Nun sagt der Trainer: "Emre ist ein außergewöhnlicher Spieler. Wäre er gewöhnlich, wäre er nicht hier."

Terim liebt es, Spieler zu Stars aufzubauen, das hat er mit Arda Turan gemacht, dessen internationaler Stern bei der EM 2008 aufging, als die Türken Dritter wurden und mit späten Siegen als "Comeback-Türken" in die Turnier-Geschichte eingingen. Und so hat es Terim vor über elf Jahren mit Nuri Sahin gemacht. Als türkische Fans beim letzten Test in Ljubljana Mor wie einen Heilsbringer feierten, stand Sahin ein paar Meter daneben und grinste. Dazu muss man wissen: Als der Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund vor elf Jahren mit 17 für die Türkei gegen Deutschland debütierte, schoss er ein Tor, und die Fans in Istanbul riefen euphorisch "Nuri, Nuri". Wenn Nuri Sahin Emre Mor sieht, erinnert er sich an seine eigenen Anfänge.

Nuri Sahin hat ihn unter seine Fittiche genommen

Die Erwartungen an Talente steigen in der Türkei schnell ins Unermessliche. Nach der EM werden die beiden Teamkollegen in Dortmund sein, Sahin sagt: "Ich habe Emre unter meine Fittiche genommen. Auch ich bin diesen steinigen Weg gegangen, deswegen kann ich mich in ihn hineinversetzen. Ich versuche ihm beizustehen." Mor habe "ein Wahnsinnstalent", sagt auch Sahin: "Jetzt liegt es an uns, wie wir damit umgehen."

Sahin, 28, ist der erfahrenste Spieler im Team, sein Wort zählt, auch wenn er nicht erste Wahl ist, nach über anderthalb Jahren Absenz wegen Verletzung. Zuletzt hat er den ein großes Selbstvertrauen ausstrahlenden Mor im Training zurechtgewiesen. Sahin ist das Regulativ im Kader, die EM bezeichnet er "als Höhepunkt" seiner wechselhaften Karriere. Die türkischen EM-Hoffnungen sind mit dem Auftauchen von Mor noch einmal gewachsen, in türkischen Zeitungen stehen Hymnen über ihn. Vielleicht ist es ja ein Vorteil, dass Emre Mor kein Türkisch spricht.

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