TSV 1860 unterliegt BVB:Glückselig in Lederhosen

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Tonangebend: Eine Musikkappelle in bayerischer Tracht vor Spielbeginn (Foto: Imago Stock&People)

"Ab jetzt gibt es keine Sitzplätze mehr": Der TSV 1860 verliert zwar im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund, erlebt aber einen Festtag vor seiner bisher größten Kulisse in der Arena in Fröttmaning. Sogar die Anhänger des BVB stimmen in die Fangesänge ein.

Aus dem Stadion von Lisa Sonnabend

Es waren 90 Minuten gespielt. Der TSV 1860 München hatte das Pokalspiel nicht gewonnen und für die meisten war es nur eine Frage der Zeit, bis Borussia Dortmund in der Verlängerung doch noch ins Tor trifft. Doch die Anhänger des TSV 1860 München jubelten, schrien, klatschten, als hätte ihr Verein den Bundesliga-Tabellenführer eben aus dem Pokal geschmissen. Manche tanzten ausgelassen oder umarmten sich glückselig. Stadionsprecher Stefan Schneider rief durchs Mikrophon: "Ab jetzt gibt es keine Sitzplätze mehr." Aber sitzen geblieben war sowieso kaum einer mehr.

Um die 18.000 Anhänger kommen gewöhnlich zu einem Spiel des Zweitligisten TSV 1860 München. Die Arena in Fröttmaning wirkt dann wie ein riesiges Freibad bei Regenwetter, das nur von ein paar wenigen weiß-blauen Badegäste besucht wird. Die Szenerie ist sinnbildlich für den Zustand des Vereins, der so gerne in die erste Liga zurück will, doch sportlich meist hinter den Erwartungen zurück bleibt und sich intern selbst zerfleischt.

An diesem Dienstagabend kamen nun jedoch 71.000 Fans - so viele wie noch nie bei einem Spiel der Löwen in Fröttmaning. Erst zwei Mal bekam der Verein die Arena ausverkauft, das letzte Mal 2007. Damals lag die Stadionkapazität noch bei 67.000 Sitzen.

BVB siegt gegen 1860 München
:39:2 Torschüsse, 18:1 Ecken - und doch Verlängerung

Beim knappen Pokalerfolg gegen Zweitligist 1860 München offenbart Borussia Dortmund, wie schwer dem Team derzeit das Toreschießen fällt. Manche Profis sind bereits gezeichnet von den vielen Spielen in der Frühphase der Saison.

Aus dem Stadion von Lisa Sonnabend

Nun besangen die Fans ihren Verein, schrien sich die Kehlen heiser, auch die 15.000 aus Dortmund angereisten Fußballanhänger machten eifrig mit. Gelegentlich sangen beide Lager gemeinsam - meist schickten sie dann wenig freundliche Grüße an den FC Bayern.

Für dieses besondere Spiel borgte sich 1860 sogar noch eine dritte Vereinsfarbe: braun. Genauer gesagt: Lederhosenbraun. Für die Choreographie hisste der Fanblock weiße, hellblaue und braune Pappschilder und entrollte ein Transparent, auf dem ein Löwe nach einer Wiesn-Maß greift. Viele Fans trugen Krachlederne zum Trikot.

Der ergreifendste Moment ereignete sich dann in der 69. Spielminute: Als Sven Bender, der früher beim TSV 1860 spielte, ausgewechselt wurde, war niemand im Stadion, der ihm den Weggang nachtrug. Tausende Anhänger erhoben sich stattdessen, klatschten. Sven-Bender-Sprechchöre begleiteten den Mittelfeldspieler hinunter vom Feld. Bender sagte nach dem Spiel: "Von beiden Fanlagern beklatscht zu werden, das passiert einem nicht alle Tage."

Ruhe im Pfeifkonzert

Natürlich gewann nach Verlängerung dann doch der BVB gegen den Zweitligisten. Dominik Stahl sah Rot für ein Foul an Marco Reus und anschließend verwandelte Pierre-Emerik Aubameyang den Elfmeter (104.) - obwohl es ein Rätsel bleibt, wie der BVB-Zugang gegen ein derart gellendes Pfeifkonzert die Ruhe bewahren konnte. In der 110. Minute hatte dann Henrikh Mkhitaryan keine Mühe mehr, Torwart Gabor Kiraly zu überlisten und das 2:0 zu erzielen. Von da an wurde es auch etwas leiser im Stadion.

Der neue 1860-Trainer Friedhelm Funkel fand nach der Partie: "Die Fans haben für die entsprechende Stimmung gesorgt. Ich hoffe, dass viele Zuschauer uns auch bei den kommenden Aufgaben unterstützen." Torwart Kiraly meinte: "Es erinnert mich an meine Zeit." Er meinte die Zeit bei Hertha BSC, als er noch in der Bundesliga spielte. 1860-Stürmer Benjamin Lauth sagte: "Ich hoffe, dass ich das hier noch ein paar Mal erleben darf." Defensivmann Kai Bülow lächelte ein wenig verklärt, als er aussprach: "Ich hätte gerne gesehen, was passiert wäre, wenn wir in Führung gehen."

Dazu kam es bekanntlich nicht. Der TSV 1860 München kassierte die Niederlage, doch für den gebeutelten Verein war es das schönste Spiel seit Jahren. Sogar einen kleinen Sieg konnten die Löwen dabei erringen - und das gegen den übermächtigen Lokalrivalen. Denn im Stadion war es lauter als bei jedem noch so wichtigen Bayern-Spiel. Das dürfte auch Mario Götze registriert haben, der getarnt mit Brille und Cap im Stadion saß. Und BVB-Boss Hans-Joachim Watzke stichelte: "Nichts im Vergleich zu der Stimmung in der Arena, wenn die Bayern spielen."

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