TSV 1860 München:Zum Ausflippen

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Fast so schwer zu glauben wie die Löwen-Siegesserie: Mit geschlossenen Augen und dem Rücken zum Tor erzielt Sascha Mölders das 2:1. (Foto: dpa/Andreas Gebert)

Der TSV 1860 München gewinnt das dritte Spiel in einer Woche - und klettert nach dem aufregenden 3:2 gegen den SV Sandhausen auf Tabellenplatz 15.

Von Philipp Schneider

Es war Kapitän Christopher Schindler, der nach dem Spiel als erster vor die Journalisten trat. Schindler schlurfte langsamen Schrittes durch die Katakomben der Arena, den Kopf hatte er gesenkt, dann verstaute er seine Hände in einen wattierten Kurzmantel, schaute mit sehr traurigem Blick in die Runde und sprach: "Wir dürfen jetzt nicht ausflippen, wir müssen weiter hart arbeiten!" Sicher, er und seine Mannschaftskollegen seien schon erleichtert, das schon. "Weil die engen Spiele zur Zeit in unsere Richtung kippen. Und weil die Standards funktionieren." Der so melancholisch, tapfer mahnende Schindler sprach in diesem Moment sicher einige wahre Dinge aus, kurz nach dem Schlusspfiff eines wilden 3:2 (2:1) des TSV 1860 München gegen Sandhausen.

"Es kann noch eine ganz gute Saison werden", sagt Torschütze Michael Liendl

Aber nicht ausflippen? Nach dem dritten Sieg in Serie? Nachdem 1860 innerhalb von nur einer Woche neun Punkte Rückstand auf Düsseldorf und den rettenden 15. Platz gutgemacht hatte, auf dem die Münchner seit Freitag nun selber stehen? Nicht ausflippen? Das fiel zumindest Schindlers Kollegen ziemlich schwer.

"Vier Spiele, zehn Punkte" solle man doch besser sagen, empfahl Stürmer Sascha Mölders, der gar nicht mehr aufhörte zu grinsen. Das klinge nämlich noch besser. "Wir stehen jetzt auf dem 15. Platz, und den wollen wir ganz sicher nicht mehr hergeben." Und Mittelfeldspieler Michael Liendl gab gar den Blick frei auf eine eher utopische Zukunftsvision: "Wenn wir weiter unsere Arbeit machen, dann kann es noch eine ganz gute Saison werden!" Auch wenn in dem Fall kein Kausalzusammenhang zu konstruieren ist: Seit Investor Hasan Ismaik ein eigenes Stadion mit angeschlossener zoologischer Abteilung versprochen hat, gerät Sechzig endlich in Schwung - drei Tore nach Standards gab es diesmal. Schindler (10.), Mölders (30.) und Liendl (61.) trafen für 1860; Aziz Bouhaddouz (12.) und Ranisav Jovanvic (72.) für Sandhausen.

Trainer Benno Möhlmann sah keinen Grund, seine Startelf im Vergleich zu jener vom 1:0 gegen Kaiserslautern zu ändern: Abermals nominierte er Romuald Lacazette für den verletzten Dominik Stahl im defensiven Mittelfeld. Zehn Minuten waren gespielt, da landete ein abgefälschter Schuss des stets gefährlichen Winterzugangs Levent Aycicek auf der Latte des Sandhäuser Gehäuses. Nach dem folgenden Eckstoß von Liendl parierte Torwart Knaller in höchster Not einen Kopfball von Bülow, dann verlängerte Mölders den Abpraller - und Schindler nickte ein zur frühen Führung. Die Münchner hatten sich gerade erst von ihrem Jubel erholt, da schlugen die Gäste zurück: Nach einem Eckball bekam 1860 den Ball nicht geklärt und Bouhaddouz fand genug freien Raum in seiner Nähe vor, um den Ball per akrobatischem Fallrückzieher zum Ausgleich ins Tor zu befördern.

Im vergangenen Herbst noch hätte sich 1860 in so einer Situation in Selbstzweifeln verfangen und in der Folge das Spiel aus der Hand gegeben. Doch der TSV 1860, der am Freitag auf dem Rasen stand, war ein gereifter. Es war ein mutiger, ein spielfreudiger TSV 1860, der sich vom raschen Ausgleich nicht entmutigen ließ. Und so spielte Sechzig weiter nach vorne, vor allem immer wieder über Flügelspieler Aycicek.

Und weil sich Sandhausen in der eigenen Hälfte verbarrikadierte, entwickelte sich ein Spiel ohne Mittelfeld: Entweder Sechzig belagerte den Strafraum im Stile einer Handballmannschaft, oder die Gäste konterten. Doch gefährlich wurde es nur nach Standards, die ja zu Sechzigs Stärken zählen, seit Möhlmann dem Standardexperten Liendl uneingeschränkt vertraut. Der Österreicher schickte einen Freistoß in den Strafraum, Mölders verlängerte mit dem Hinterkopf: das 2:1. Gleich im Gegenzug bezog 1860 aber fast wieder den Ausgleich: Erst rettete Ortega vor Bouhaddouz, dann kratzte Bülow den Nachschuss von Wooten von der Torlinie.

Wohl in der Überzeugung, er könne auf Rache sinnen, wechselte Sandhausens Trainer Alois Schwartz in der Halbzeit den erst im Winter von Sechzig gewechselten Korbinian Vollmann ein. Auf dem Rasen tat sich weiterhin wenig Gefährliches. Immerhin beförderte Vollmann mal einen Freistoß gegen den Pfosten (56.). Sechzig arbeitete nun weniger nach vorne, hatte aber Glück: Sandhausens Torwart Marco Knaller riss ohne große Not Schindler um, es gab Elfmeter. Liendl lief an, Knaller fiel in die falsche Ecke: das 3:1.

Schon beim 3:2 gegen Düsseldorf vor einer Woche hatte Möhlmann getobt, weil seine Mannschaft nach einer zwei-Tore-Führung fast noch den Ausgleich heraufbeschwor. Auch diesmal ließ Sechzig den Gegner wieder unnötig ins Spiel finden: Nach einem Freistoß und einem missglückten Befreiungsversuch von Wittek nickte Jovanovic ein zum 3:2. 18 Minuten waren noch zu spielen und die Partie noch nicht gelaufen. Sandhausen zeigte Kampfgeist, fand immer wieder den Weg nach vorne. Aber doch nicht zwingend genug, um die Münchner um den Lohn ihrer Wahnsinnswoche zu bringen. "Wir haben jetzt dieses Miteinander", lobte Möhlmann. "Und wir haben sehr effektiv bei Standards agiert." Im Abstiegskampf der zweiten Liga kann das locker genügen.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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