TSV 1860 München:"What happens?"

Torjubel von Christopher Schindler 26 TSV 1860 Muenchen Stephan Hain 16 TSV 1860 Muenchen Korbi; 1860

Schöne Erinnerungen: Im Vorjahr jubelte der TSV 1860 München erst nach dem Sieg in der Relegation gegen Drittligist Kiel.

(Foto: imago/Eibner)

Dass der TSV 1860 München ein Endspiel um den Klassenerhalt hat, verdankt er der Entwicklung seit dem Winter - ein Rückblick in Etappen.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Ob Weltmeisterschaft, Champions League oder Toto-Pokal: Vor den Endspielen wird gerne der Weg der Mannschaften ins Finale nachgezeichnet. Das steht selbstredend auch dem TSV 1860 München zu, der an diesem Sonntag (15.30 Uhr) das Endspiel im Zweitliga-Abstiegskampf gegen den SC Paderborn vor der Brust hat. Wie konnten die Löwen so weit kommen?

22. Januar: Das Versprechen

Am Vormittag geben die Geschäftsführer Markus Rejek und Noor Basha im Trainingslager in Estepona eine Pressekonferenz, in der sie darüber referieren, wie unsicher die finanzielle Zukunft des Klubs mal wieder sei. Kurz darauf verkündet der Klub den Medienvertretern den "Durchbruch", wie die Überschrift einer Mitteilung lautete. Unter dem Motto "Planungssicherheit - Klarheit - Fakten" erklärt die Presseabteilung: "Ergänzend zum heutigen Gespräch dürfen wir mitteilen, dass Hasan Ismaik zu seinem Wort steht, die Löwen auch künftig zu unterstützen. Das betrifft die Verlängerung der fälligen Darlehen sowie die Bereitstellung weiterer notwendiger Mittel für die Saison 2016/17."

25. Januar: Schluss mit lustig

Der ehemalige Präsident Gerhard Mayrhofer gibt seinen Austritt aus dem TSV 1860 bekannt. Grund ist die demonstrative Dankbarkeit der Vereinsvertreter für Ismaiks Absichtserklärung. "Das Verhalten des e.V. finde ich unerträglich", sagt Mayrhofer, "ich kann mit so einer Katzbuckelei nichts anfangen." Der Verein "muss sich hinstellen und zu Ismaik sagen: Es ist Schluss mit lustig, du kannst gehen." Ismaik geht nicht, beschäftigt stattdessen eine PR-Agentur, die auf Facebook einen heiteren Blick in die Zukunft wagt: "Lasst uns die Spieler und Trainer der kommenden Saison feiern und sagen: Wir glauben an euch, ihr starken Löwen."

26. Januar: Möhlmanns Wünsche

Auch in der gegenwärtigen Saison geht es ein bisschen um Sport. Als Zugänge hat 1860 den robusten Innenverteidiger Jan Mauersberger, den robusten Stürmer Sascha Mölders und den nicht so robusten Flügelzauberer Levent Aycicek vorgestellt. Trainer Benno Möhlmann wünscht sich noch einen weiteren Flügelzauberer und einen robusten Sechser. Und außerdem endlich einen robusten Teamgeist: "Wir müssen sehen, dass wir das Mannschaftsgefühl verbessern, das ist noch nicht abgeschlossen."

31. Januar: Möhlmanns Hoffnung

Nachdem sich der Transfer von Tom Weilandt von der SpVgg Greuther Fürth wegen dessen Verletzung zerschlagen hat, dauert es nicht lange, bis Sportchef Kreuzer die Alternative präsentiert. Maximilian Beister wird für ein halbes Jahr vom FSV Mainz 05 geliehen. Möhlmann sagt: "Er ist heiß, er möchte sich zeigen. Diese Chance wird er bei uns bekommen, und ich hoffe, dass er uns hilft." Wenige Tage später kommt dann doch noch ein Spieler aus Fürth: Goran Sukalo werde "mit seiner Erfahrung für mehr Stabilität vor der Abwehr sorgen", sagt Kreuzer. Sukalo fehlt zwar zunächst im Training, sagt aber: "Ich kann gegen Nürnberg auf jeden Fall spielen."

7. Februar: Kreuzers Ahnung

Im ersten Spiel nach der Winterpause gegen Nürnberg spielt Sechzig ohne den verletzten Sukalo, aber wie angekündigt mit zwei Spitzen, Mölders und Okotie - Möhlmann will für mehr Durchschlagskraft im Angriff sorgen. Am Ende steht trotz starker Leistung und vieler Torchancen in der ersten Hälfte ein 0:1. Kreuzer ahnt: "Es kann passieren, dass es bis zum letzten Spieltag geht." Ismaik freut sich auf seiner Facebookseite, dass 51 000 Zuschauer in der Arena waren: "Eure Teilnahme hat mich sehr gefreut." Auch das folgende Spiel bei Union Berlin verliert Sechzig (0:3), im Heimspiel gegen Bochum reicht es dann nur zu einem 1:1. Die Fans zeigen ein Plakat mit der Aufschrift: "BM: 3 Siege, 2 Unentschieden, 7 Niederlagen! Wir bringen Leistung seit 15 Jahren." BM (Benno Möhlmann) reagiert gelassen: "Da standen ja nur Fakten geschrieben." Sukalo spielt weiter nicht, mittlerweile gibt es eine Diagnose: entzündeter Nerv im Bereich der Lendenwirbelsäule. Kreuzer erklärt: "Es ist jetzt so, dass am Donnerstag ein Spezialist aus den Niederlanden kommt. Dann bekommt er eine Behandlung und soll am Freitag oder Samstag ins Lauftraining einsteigen."

19. Februar: In Rudelzhausen

Mitten im Abstiegskampf erscheint außer dem Spezialisten auch Investor Hasan Ismaik, der die Fanorganisation Arge in einem Landgasthof in Rudelzhausen besucht. Ein neues Stadion in Riem für 52 000 Zuschauer wolle er bauen, kündigt er an, und daneben einen Tierpark als Attraktion. Er besitze ja eine Löwenfarm in Kenia, von dort wolle er "alle Löwenrassen, die es auf der Welt gibt", nach München bringen. Jedes Tier werde den Namen eines verdienten Spielers tragen. Zuerst müssten aber die offenbar weniger verdienten Geschäftsführer der Profifußball-KGaA freigestellt werden: Markus Rejek und auch Ismaiks Cousin Noor Basha. Darum habe er Präsident Cassalette bereits gebeten. "Noor ist gescheitert, aber jung. Er hat gemacht, was Rejek ihm gesagt hat", meinte er. Es folgen lange Gespräche mit der e.V.-Führung - mit dem Ergebnis, dass das Duo vorerst weitermachen darf. In der Pressemitteilung werden Rejek und Basha aufgefordert, "sich nicht von der Medienberichterstattung ablenken zu lassen".

25. Februar: Grundsatzvorteile

Die Vorbereitung auf das Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf gestaltet sich nicht nur wegen der Berichterstattung schwierig. Das am Donnerstag angesetzte Training muss ausfallen, da es in München zu einem völlig überraschenden Winterbruch gekommen ist und sowohl die Rasenheizung als auch das Räumfahrzeug kaputt sind. Möhlmann sagt: "Es ist ein Vorteil, einen Platz zu haben, der grundsätzlich eine Heizung hat. Ich habe auch schon in Vereinen gearbeitet, die gar keine Heizung haben." Und Torwart-Trainer Kurt Kowarz meint: "Vielleicht tut den Jungs eine Auszeit gut." Sukalo fehlt weiterhin, Möhlmann sagt: "Ich habe jetzt keine Lust mehr zu sagen, der Goran fängt morgen oder übermorgen wieder an."

Anfang März: Die englische Woche

Die Auszeit hat den Jungs gut getan. Sie gewinnen binnen einer Woche drei Mal: Zu Hause gegen Düsseldorf 3:2, auswärts in Kaiserslautern 1:0, dann zu Hause gegen Sandhausen 3:2. Kapitän Christopher Schindler mahnt: "Wir dürfen jetzt nicht ausflippen, wir müssen weiter hart arbeiten." Die Serie sei zustande gekommen, "weil die engen Spiele zur Zeit in unsere Richtung kippen. Und weil die Standards funktionieren." Michael Liendl, der die funktionierenden Standards ausführt, meint: "Es kann noch eine ganz gute Saison werden." Und Ismaik richtete telefonisch ("Great! Great! Great!") und via Facebook ("Löwen, Löwen, ihr bleibt immer Löwen") Begeisterung aus.

15. April: Möhlmanns Vorschlag

Der TSV 1860 hat aus vier Spielen (Leipzig, Bielefeld, Karlsruhe, Fürth) einen Punkt geholt und ist auf einen direkten Abstiegsplatz zurückgefallen. Ismaik schickt Präsident Cassalette eine SMS und fragt: "What happens?" Sukalo berichtet: "Mir geht es sehr gut. Das ist die erste Woche, in der ich ohne Schmerzen trainieren kann", während Möhlmann die Sache weiterhin "überhaupt nicht gefällt, weil man die Ursache nicht zu greifen bekommt". Nun muss Sechzig zum MSV Duisburg reisen, dem Tabellenletzten. In der Pressekonferenz vor dem Spiel gibt Möhlmann bekannt, dass er nicht so recht wisse, wen er aufstellen solle: "Ich bekomme kein klares Bild von dieser Mannschaft." Nach der 1:2-Niederlage, bei der der Ausgleich durch ein mutmaßliches Phantomtor fällt, lässt Ismaik über seine PR-Agentur ausrichten, er sei "fassungslos und zutiefst enttäuscht": "Der Ball war nicht über der Linie. Also kein Tor!" Möhlmann sieht die Sache etwas gelassener, fliegt in seine Heimat nach Bremen, um dort einen Rasenmäher zu erwerben und regt aus der Ferne seine eigenen Entlassung an: "Wenn man den Trainer noch mal wechseln will, muss man es jetzt machen."

18. April: Bierofkas Antritt

Sechzig will den Trainer noch mal wechseln und macht es jetzt. Der ehemalige 1860-Profi Daniel Bierofka bringt einer lauffaulen Mannschaft das Laufen bei, indem er auf jene Flügelflitzer im Kader baut, die an den jungen Bierofka erinnern: Valdet Rama und Daylon Claasen. Sechzig rennt erst Braunschweig in Grund und Boden, dann auch noch den FC St. Pauli. Die Rettung ist zum Greifen nah, nur ein Sieg gegen Paderborn fehlt noch, weswegen nun auch die Wirtin Christl bereits mit einem Schal durchs Löwenstüberl saust. Aufschrift: "Danke Biero!" So sieht das auch Ismaik, der über seine Agentur noch eine Kleinigkeit klarstellen lässt: "Zuletzt gab es Gerüchte, dass eine PR-Agentur aus Berlin mein Facebook-Profil betreut. Das stimmt nicht. Jeder Beitrag stammt von mir selbst." Auf seiner Twitter-Seite ist parallel zu lesen: "Die Seite wird durch das Pressebüro von Herrn Hasan Ismaik verwaltet. Tweets von Herrn Hasan Ismaik werden mit HAI versehen."Bis heute wurden exakt so viele Beiträge mit HAI versehen, wie Goran Sukalo Spiele gemacht hat: null.

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