TSV 1860 München:Wenn aus Löwen Goldfische werden

13.12.2014,  Fussball 2.Liga: 1860 München - Karlsruhe

Dicke Luft: Präsident Mayrhofer (links), Investor Hasan Ismaik.

(Foto: Renate Feil/MIS)
  • Am Freitag ist das Präsidium des TSV 1860 München geschlossen zurückgetreten, weil der Versuch scheiterte, mit Investor Hasan Ismaik übereinzukommen.
  • Ex-Klubchef Gerhard Mayrhofer hat bis zuletzt versucht, Ismaik zum Verkauf seiner Anteile an ein Investoren-Konsortium zu bewegen.
  • Das Präsidium trat nach SZ-Informationen auch deshalb zurück, damit die Kontrolleure bei der DFL aufmerksam werden.
  • Der Mann, um den sich all der Ärger dreht, ist Sportchef Gerhard Poschner.

Von Philipp Schneider

Es ist jetzt zweieinhalb Jahre her, dass Hasan Ismaik mit wehendem Mantel aus der Geschäftsstelle des TSV 1860 München stürmte, es war schon spät, die Januarnacht kalt, und der Investor war seinerzeit ziemlich erbost. Bei seinem Sprint zum Range Rover auf dem Parkplatz passierte er eine Reihe von staunenden Journalisten. Ismaik warf ihnen einen kurzen, wunderbar grotesken Satz hin: "Very bad, I want to go to the DFL."

Very bad, also aus seiner Sicht ziemlich unerfreulich, waren damals die Gespräche mit dem Vereinspräsidium verlaufen. Und zur DFL wollte er offenbar gehen, um sich zu erkundigen, ob es wirklich sein konnte, dass die ehrenamtlich tätigen Vereinsvertreter so viele Rechte besitzen. Mehr Rechte als er. Der Mann mit dem Geld.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass der Jordanier, der vor vier Jahren 60 Prozent der Anteile (von denen nur 49 Prozent stimmberechtigt sind) am Fußball-Zweit- ligisten erwarb, tatsächlich vorstellig wurde in der Frankfurter Zentrale der Deutschen Fußball-Liga. Sie hätten ihm dort nur die Version der Vereinsvertreter bestätigen können und auf die Existenz der 50+1-Regel verwiesen, die ja irgendwie auch im Kooperationsvertrag verankert ist, den Ismaik unterschrieb - als er wohl dachte, er könne fortan die Dinge beim TSV 1860 als Alleinherrscher regeln.

Ismaik ist wohl nicht zur DFL gereist, aber er hat dazu gelernt. Er verstand, dass ihn Gepolter in der Öffentlichkeit ("We need a new sportchef! I cannot work with these people!") nicht so nah ans Ziel bringen würde wie Aussitzen. Und eine Kanzlei mit fähigen Anwälten.

Keiner traut sich, Poschner mithilfe der 50+1-Regel zu entlassen

All das muss man wissen, um zu verstehen, warum am Freitag erstmals ein Präsidium beim TSV 1860 geschlossen zurückgetreten ist. Es war das dritte, das am Versuch zerbrach, mit Ismaik gut auszukommen. Dabei war es das erste, das wirklich versucht hatte, dem Geschäftsmann so viele Rechte zuzugestehen wie möglich. Klubchef Gerhard Mayrhofer, Heinz Schmidt und Erik Altmann traten nicht einfach zurück. Sie verabschiedeten sich mit einem Knall.

Es sei nicht gelungen, "zu einer überzeugenden Lösung im Sinne des Vereins zu kommen", sagte Mayrhofer, der bis zuletzt versucht hatte, Ismaik zum Verkauf seiner Anteile an ein Investoren-Konsortium zu bewegen. Das Präsidium hat den Verein in die Führungslosigkeit gestürzt - nach SZ-Informationen auch deshalb, damit die Kontrolleure bei der DFL endlich aufmerksam werden auf die traurigen Löwen in München.

Und all der Ärger vor allem wegen eines Mannes: Gerhard Poschner - Sechzigs Geschäftsführer Sport, der Fußballdeutschland mit merkwürdigen Transfers zum Staunen brachte. Und die Fans des Vereins zum Heulen. Nur ein Abstaubertor von Kai Bülow in der Nachspielzeit der Relegation rettete den Klub vor dem Abstieg in die dritte Liga. Das Präsidium wollte Poschner entlassen, Ismaik wollte das nicht. Obwohl er einst von der Champions League träumte und bei einem seiner Besuche sinnierte: "Madrid, Barcelona, FC Bayern, in jedem Klub muss einer sein, der vom Fach ist."

Poschner ist zumindest noch da. Auch an diesem Montag wird er noch da sein, wenn 1860 wieder den Trainingsbetrieb aufnimmt. Zwei Jahre läuft sein Vertrag noch. Der Verein wollte seinen Sportchef entlassen, augenscheinlich hat es nicht funktioniert, und das, obwohl die DFL seit jeher so argumentiert, das Vertragswerk zwischen 1860 und Ismaik sei so gestaltet, dass die Vereinsvertreter alle Werkzeuge hätten, um 50+1 durchzusetzen - gegen den Willen des Minderheitsinvestors.

Das mag sein. Aber was bringt dem Goldfisch eine Harpune, wenn er sich sorgen muss, vom Hai verschluckt zu werden?

Und nun? Ist Poschner noch immer da

In der vergangenen Woche hat Sechzigs Verwaltungsrat dem Präsidium Mayrhofer einstimmig Unterstützung zugesagt, sein Recht auf Entlassung Poschners geltend zu machen. Dafür wäre ein umständliches Verfahren notwendig gewesen (Einberufung einer Beirats-Sitzung mit Ismaik, Feststellung der Beschlussunfähigkeit des Gremiums wegen einer Patt-Situation, Berufung auf 50+1).

Es wurde aber nicht einmal eingeleitet. Aus Sorge, Ismaik könne Ende des Jahres Darlehen in Höhe von mehr als sechs Millionen Euro kündigen und den Verein in die Insolvenz stürzen. Auch aus privaten Haftungsgründen, ob berechtigt oder nicht, scheute das Präsidium diesen Schritt. Es trat lieber zurück. Und spielte so die Verantwortung zurück in die Hände des Verwaltungsrats.

Felix Magath wäre die Alternative zum Sportchef gewesen

In der Theorie hätten die Räte, die ja vorher eine Entlassung Poschners einstimmig empfahlen, schon am Samstag ein Übergangspräsidium aus ihren Reihen bestücken können, um das aufwendige Verfahren zur Entlassung selbst einzuleiten. Dies geschah wieder nicht - dem Vernehmen nach abermals aus Sorge der Ehrenamtlichen vor privaten Haftungsfolgen. Im Klartext: Keiner traut sich, die Harpune 50+1 wirklich zu verwenden. Und nun?

Ist Poschner noch immer da. Obwohl zuletzt Hunderte Fans und Meisterlöwen von 1966 am Trainingsgelände gegen ihn demonstrierten. Und obwohl Felix Magath bereitstand als Alternative zu Poschner - zweifellos ein Mann vom Fach.

Poschners Gabe ist es, die spezielle Situation bei Sechzig verstanden zu haben. Er begriff rasch, dass der Job eines Geschäftsführers in Deutschlands kompliziertestem Fußballklub so sicher ist wie der eines Grundschullehrers. Er musste sich lediglich mit Noor Basha gut befreunden, Ismaiks Stellvertreter in München, der Poschner wegen seiner "starken Persönlichkeit, Philosophie und Unabhängigkeit" noch immer schätzt.

Als Poschner Mitte Dezember, sportlich war die Talfahrt längst in vollem Gange, gefragt wurde, ob er sich nicht, ähnlich wie von Noor Basha, auch von Seiten des Präsidiums Rückendeckung wünschen würde, antwortete er vielsagend: "Das brauche ich nicht. Wieso sollte ich dieses Bedürfnis haben?"

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