TSV 1860 München:Stargäste auf dem Wandervolksfest

05 08 2017 Fussball Regionalliga Bayern 2017 2018 5 Spieltag SV Schalding Heining TSV 1860 Münc

Gebrüll hautnah: Stürmer Sascha Mölders freut sich mit den Löwenfans im kleinen Schalding-Heininger Gästekäfig.

(Foto: Renate Feil/imago/MIS)

Beim 4:1 in Schalding-Heining zeigt sich, dass sich die Spieler und Fans der Löwen in der Regionalliga Bayern wohl fühlen.

Von Christoph Leischwitz

Sascha Mölders schrieb Autogramme auf dem Rasen, er posierte für Selfies, einmal sogar mit einem Mann in einem Schweinskostüm. Umarmungen, Schulterklopfer. Eine halbe Stunde nach Spielende hing der Angreifer des TSV 1860 München immer noch mit Zuschauern auf der Schalding-Heininger Haupttribüne herum. "Ich hab' ja eh immer schon gesagt: Ich mag so Stadien lieber als Arenen", sagt der 32-Jährige, der vor nicht einmal zwei Jahren noch in der Bundesliga spielte. Und vor nicht einmal einem halben Jahr noch Trainer beim Landesligisten SV Mering war. Mölders passt gut zu den Sechzigern: Irgendwie will man ja schon in die großen Stadien des Landes, aber eigentlich ist es den meisten dort auch viel zu anonym.

Die Grenze zwischen Profi- und Amateurfußball verschwimmt

Das Wandervolksfest namens TSV 1860 hatte diesmal Halt gemacht im ländlichen Teil Passaus, benannt nach zwei Stadtteilen. Vom Stadion oben auf dem Hügel hat man einen herrlichen Blick auf die Ausläufer des Bayerwalds. Aus dem offensichtlich viele der rund 2500 Zuschauer kamen, wie auf dem Parkplatz in der ungemähten Wiese neben dem Stadion unschwer an den Nummernschildern zu erkennen war. Ein Großteil des Kartenkontingents für 1860 ging an die Fanklubs aus der Umgebung. So kommen in Bayern alle Löwen-Fans im Laufe der Saison auf ihre Kosten.

Die Stimmung war bestens, was natürlich am letztlich souveränen 4:1-Erfolg und der Tabellenführung lag, und am überragend spielenden Mittelfeldmann Timo Gebhart. "Das Gewinnen tut ihnen gut", sagte Markus Clemens am nächsten Tag. Am Abend nach dem Spiel, als die ehrenamtlichen Helfer alles wieder aufgeräumt hatten, war der Abteilungsleiter der Gastgeber noch recht lange mit Sechzig-Fans vor dem Vereinshaus zusammengesessen. Viele hätten berichtet, dass zum einen der aktuelle Erfolg einfach mal wieder positive Stimmung ins Umfeld bringe. Und zweitens genieße man die Nähe zu den Spielern, die es in der Arena schlicht nicht gab. Bei einem Eckball oder einem Einwurf kommt man jetzt auch mal mit einem Spieler ins Gespräch, Daniel Bierofka ist schon während des Spiels ein Trainer zum Anfassen. Und hernach ist er es ja sowieso.

Zunächst hatten die Schaldinger Ordner entlang des Wegs vom Feld zu den Kabinen Absperrungen aufgebaut. Als sie diese abbauten, stürmten einige das Feld. Kurz lief ein Ordner noch hinterher, merkte aber sofort, wie sinnlos das war. Es wurde eng für Bierofka. Ständig wurde er umarmt, wie ein Popstar musste er freundlich, aber bestimmt den Weg zur Kabine suchen. Vor dem Spiel hatten vier Männer mit Sechzig-Trikots Selfies auf der Schaldinger Ersatzbank gemacht, sehr zur Verwunderung der sich gerade aufwärmenden Schiedsrichter. Die Grenze zwischen Profi- und Amateurfußball, sie verschwimmt mit einem Großklub wie 1860 München in der Regionalliga. Die derzeit zelebrierte Volksnähe steht außerdem im krassen Kontrast zu Nachrichten wie einem 222-Millionen-Transfer. Ein Besucher des Spiels, der sich zu Gaudi des Tages am Samstag ein Trikot von Paris Saint-Germain angezogen hatte, berichtete von Anfeindungen von Seiten der Sechzig-Fans.

Aus der Kabine klang die Melodie von "Scheiß auf den Scheich"

Schaldings Abteilungsleiter Clemens übrigens berichtete, die angebliche Diskussion, für das Spiel des Jahres in ein größeres Stadion umzuziehen, um mehr einzunehmen, habe es gar nicht gegeben. Erstens erfülle das Dreiflüssestadion unten in der Stadt nicht die Auflagen. Zweitens sei man es den Sponsoren schuldig, für solch ein Spiel nicht plötzlich auszuziehen. Und drittens spiele man "dort, wo man zu Hause ist. Ich glaube, niemand versteht das besser als ein Sechzig-Fan", sagte Clemens.

Es war womöglich nur purer Zufall, vielleicht aber auch nicht, dass nach dem Spiel aus der Sechzig-Kabine eine Melodie drang, die man in den vergangenen Monaten vor allem von den Fans gehört hatte: ein Ballermann-Schlager, in Giesing unter der Variante "Scheiß auf den Scheich" bekannt. Ist die Mannschaft also schon in Bayern angekommen? Gehört sie vielleicht sogar eher hierher, nach Schalding-Heining, statt nach Bielefeld oder Düsseldorf?

Wohl noch nicht ganz. Kurz nach der Abfahrt musste der Bus unten an der Donau, in der Neustifter Straße, scharf bremsen und zurücksetzen, um auf rechts in die Hennebergerstraße abzubiegen.

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