TSV 1860 München:Sechzig überlebt das Harakiri

Arminia Bielefeld - TSV 1860 München

Der Bielefelder Christoph Hemelein (l) im Kampf um den Ball mit Milos Degenek aus München.

(Foto: dpa)

Ulrich Hartmann, Bielefeld

"Sauer?", sagte Torsten Fröhling und musste ein bisschen lächeln. Nein, richtig sauer war er nicht über den versäumten Sieg. Dabei, gesteht der Trainer des TSV 1860 München, habe er in der Schlussphase ein gutes Gefühl gehabt. "Da war ich davon ausgegangen, dass wir das Siegtor noch machen - ich finde, wir hätten es verdient gehabt."

Aber mit den Gefühlen und dem Verdienen ist das im Tabellenkeller der zweiten Liga bekanntlich so eine Sache. Deshalb war Fröhling nicht sauer und nicht glücklich nach dem 1:1 (1:1)-Unentschieden am Freitagabend bei Arminia Bielefeld. Er war selbst unentschieden.

Seine Mannschaft hatte recht ordentlich gespielt. Deshalb wirkte er gefasst nach einer Partie, über die im Vorfeld als "Schicksalsspiel" und "Showdown" berichtet worden war. Doch diesem Showdown fehlte der Knalleffekt. Vielleicht kein Wunder, wenn die unentschiedensten Mannschaften der Liga aufeinandertreffen. Das 1:1 war für die Bielefelder das achte Unentschieden im zehnten Spiel und das fünfte nacheinander. Für die Münchner war es im zehnten Spiel das sechste Unentschieden und das vierte nacheinander. Ob auch die Stimmung im Löwenlager unentschieden bleibt, muss sich nun in München erweisen. Während die Mannschaft am Samstagfrüh von Hannover heimfliegt, fährt Fröhling zur Trainertagung nach Leverkusen und bleibt bis Montag.

Zwei Spieler kehren bei 1860 zurück

Etwa 500 Münchner Fans hatten die Reise ins Ostwestfälische mitgemacht. Sie entbehrten in der Bielefelder Arena zwar Blasmusik, Hendl und Wiesnbier, hatten dafür in ihrer Ecke aber sehr viel mehr Platz als in einem Oktoberfestzelt und zudem einen ungetrübten Blick aufs Feld. Dort erspähten sie zu Beginn eine Löwenmannschaft, in der sowohl der von seiner Grippe genesene Innenverteidiger Christopher Schindler als auch der vom Rückenleid erlöste Linksaußen Marius Wolf mitspielen konnten.

Letztere Personalie erwies sich schnell als besonders relevant, weil Wolf, der bereits beim vorangegangenen 2:2 gegen Leipzig getroffen hatte, in der 8. Minute die ermutigende Münchner Führung erzielte. Korbinian Vollmann hatte den Ball von rechts hereingebracht. Mit Führungstreffern geizen die Sechziger in dieser Saison ja bislang, darum freuten sie sich in Bielefeld umso mehr darüber.

Im Felde waren die Löwen unverändert gestartet, bloß im Tor hatte Fröhling einen Wechsel vollziehen und Stefan Ortega für Vitus Eicher bringen müssen, weil letzterer sich im finalen Training verletzt hatte. Ortega erhielt von den Bielefeldern anfänglich ein bisschen Schonzeit. Auch nach dem frühen Gegentor bewahrten die Gastgeber Contenance und liefen den Löwen nicht in den offenen Rachen.

Sechzig spielt zu passiv

Allerdings spielten die Münchner zunehmend zu passiv. "Wir haben es da ein bisschen vertändelt", fand Fröhling. Sie versäumten aggressiveres Pressing und mutigeres Umschalten und brachten die Bielefelder zu selten noch einmal in Verlegenheit. Fünf Minuten vor der Pause bekamen sie die Rechnung für ihre allzu abwartende Haltung. Eine vom ungestörten Christoph Hemlein geschlagene Flanke drückte Bielefelds Mittelstürmer Fabian Klos mit der Stirn ans Gebälk des Münchner Tores, aber so, dass der Ball von dort nach unten abprallte und deutlich hinter der Torlinie aufkam.

Ortega hat den präzisen Ball kaum halten können. Das Problem lag woanders: Im Mittelfeld haben die Sechziger ihren Vorsprung hergegeben. Verwalten hatten sie wollen, statt sich keck konternd am zweiten Treffer zu versuchen.

In der Pause überboten sich auf dem Rasen Bielefelder Lokalgrößen gegenseitig mit selbstbewussten Siegprognosen auf ihre Arminia. Aber das entpuppte sich als Zweckoptimismus, mit dem das achte Bielefelder Unentschieden hätte verhindert werden sollen. Die Gastgeber nutzten ihre zahlreichen Chancen nach der Pause nämlich ebenso schlecht wie die Münchner.

Wilde, aber erfolglose Schlussphase

Christopher Nöthe schoss in der 72. Minute für die Gastgeber an den Pfosten, auf der anderen Seite verstolperten Gary Kagelmacher (78.) und Stefan Mugosa (92.) den Ball, mit dem sie mehr oder weniger frei auf den Bielefelder Torwart Wolfgang Hesl zuliefen. Vor allem Mugosa hatte mit seiner verheißungsvollen Aktion in der Nachspielzeit den Siegtreffer auf dem Fuß, ausgerechnet, nachdem bloß eine Minute zuvor der Torwart Ortega für die Löwen auf der Linie geklärt hatte. So knapp war diese Situation gewesen, dass das ganze Stadion bereits in Jubel ausbrach.

"Wir hätten nach unserer Führung mehr versuchen müssen nachzulegen", sagte Fröhling. Weil aber auch die Bielefelder beste Chancen gehabt hatten, konnte der Trainer mit dem Remis leben. "Mit der Einstellung und dem Spiel bin ich zufrieden", sagte Fröhling, "mit dem Ergebnis natürlich nicht." Wie knapp beide Mannschaften in der Schlussphase samt vierminütiger Nachspielzeit sowohl vor dem Sieg als auch vor der Niederlage gestanden hatten, brachte Bielefelds Trainer Norbert Meier blumiger auf den Punkt: "Die letzten zehn Minuten waren Harakiri." Dieses immerhin haben die Sechziger trotz ihrer forgesetzten Sieglosigkeit und ihres Verbleibs auf dem vorletzten Platz glimpflich überstanden.

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