TSV 1860 München:Schwere Geburt für Vitor Pereira

09.01.2017,  Fussball 2. Liga, Trainingslager 1860 München in Portugal

"Sie können davon ausgehen, wenn sie meine Karriere sehen, dass ich nicht gekommen bin, um diese Mannschaft in der zweiten Liga zu halten", sagt Vitor Pereira. "Ich bin nicht hier, um auf diesem Level zu bleiben."

(Foto: MIS/imago)

Erstmals nimmt Trainer Vitor Pereira Stellung zur Lage beim TSV 1860. Er wünscht sich einen Sportchef - und gänzlich neue Strukturen im Klub.

Von Markus Schäflein, Tróia

"Ich bin", sagt Vitor Pereira als Schlusswort, "Vitor Pereira." Das darf man ruhig noch einmal erwähnen, als eine Art Erinnerungshilfe, schließlich handelt es sich am fünften Tag des 1860-Trainingslagers in Portugal um den ersten Auftritt des neuen Trainers. Eine Dreiviertelstunde hat sich Pereira in der Lobby des Mannschaftshotels Aqualuz vorgestellt, zum Teil auf Englisch, zum Teil auf Portugiesisch mit Übersetzer. Dass er es lange bevorzugte, nicht mit den Journalisten zu sprechen, erwies sich als nachvollziehbar: Allzu viel kann oder will Pereira über seinen neuen Klub, den Giesinger Zweitligisten, der nicht nur Außenstehenden, sondern auch involvierten Personen derzeit ein Rätsel ist, noch nicht sagen.

Einen Sportchef, den Pereira etwa mit der Akquise von Zugängen beauftragen könnte, gibt es derzeit nicht. "Strukturen, damit der Trainer sich auf die Mannschaft konzentrieren kann, sollen gebaut werden", erklärt Pereira. "Alles ist in Veränderung. Ich liebe Herausforderungen, wir brauchen mehr Qualität und neue Strukturen." Dass ein neuer Sportchef kommt, sei ihm versprochen worden; und dass neue Spieler verpflichtet werden, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. "Wir sind nicht, wo wir sein wollen, also muss irgendwas besser werden", sagt Pereira.

Zur Qualität seines vorhandenen Kaders mag er sich nicht äußern: "Die Spieler wollen viel, haben viel Energie, das sehe ich positiv. Ansonsten ist das eine interne Sache. Ich habe sehr wenig Zeit, sie zu begutachten, aber jeden Tag werden Dinge evaluiert." An diesem Dienstag werden der jordanische Investor Hasan Ismaik und Präsident Peter Cassalette auf der Halbinsel Troia, die Pereira aufgrund der Ruhe und der guten Plätze zum Aufenthaltsort erwählte, erwartet; er wolle sich zum Thema Zugänge "mit den Verantwortlichen treffen, dann diskutieren, und eine Woche später wird es dann konkreter", erklärte Pereira.

TSV 1860 München: SZ-Karte

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"Bei wundervollem Fußball bin ich glücklich"

Bereits am 27. Januar startet der 1860 mit der Partie gegen Fürth in die Rückrunde; es ist bei diesem Zeitplan davon auszugehen, dass Neue nur wenige Tage zur Eingewöhnung haben. Pereira hat aber keine Eile. "Das muss alles Hand und Fuß haben", sagt er. "Erst einmal muss ich die eigenen Spieler kennenlernen, deswegen zieht sich das alles hin." Ohnehin steht für ihn bei der Auswahl neuen Personals nicht der Umstand im Fokus, dass sich Sechzig im akuten Abstiegskampf befindet.

"In diesem Jahr wollen wir die Grundlage schaffen, um im nächsten Jahr oben anzugreifen", sagt er. "Sie können davon ausgehen, wenn sie meine Karriere sehen, dass ich nicht gekommen bin, um diese Mannschaft in der zweiten Liga zu halten. Ich bin nicht hier, um auf diesem Level zu bleiben." Pereira arbeitete schließlich bereits beim FC Porto, für Olympiakos Piräus und Fenerbahce Istanbul. "Das Ziel ist die Bundesliga. Sie gehört zu den besten Ligen der Welt, und dort will ich hin."

Dass die geplanten Änderungen gravierend sein müssen, damit dies gelingen kann, ist Pereira wohl bewusst. Wesentlich lieber als über die Aktualitäten im Klub spricht der 48-Jährige daher über sich selbst. Die Geschichte vom Youtube-Video der Pressekonferenz bei Al-Ahli in Saudi-Arabien, als er sich vom dortigen Pressesprecher den Mund nicht verbieten lassen wollte und auf Englisch ausrastete ("I talk about what I want!"), zaubert ihm ein Lächeln ins sowieso freundliche Gesicht. Er findet das oft geklickte Witzvideo nämlich gut, er findet, dass es viel über ihn aussagt. "Ich denke taktisch und strategisch, aber ich bin sehr emotional", sagt er, "wenn man großen Druck hat und dann in so eine Situation kommt, ist diese Reaktion normal." Und auch ein anderes bekanntes Video, auf dem er in Istanbul durch die Kabine tänzelt, gefällt ihm: "Wenn mein Team wundervollen Fußball spielt, bin ich glücklich. Und wenn ich glücklich bin, tanze ich."

1860 ist "ein besonderes Baby"

Wie schnell er bei Sechzig glücklich wird, weiß Pereira selbst nicht. "Wir beginnen jetzt, eine neue Idee in die Gehirne zu implementieren. Ich will guten, intelligenten und aggressiven Fußball sehen", sagt er. "Ein Trainer baut während seiner Karriere eine Spielidee. Wenn man in einen neuen Klub kommt, muss man sie adaptieren." Er wartet ab, wie sie sich mit dem Kader der Löwen umsetzen lässt: "Wenn das Team sich mit aggressivem Spiel gut fühlt, spielen wir so. Aber es muss auch eine eigene Intelligenz haben, autonom sein, eigenständig entscheiden."

Warum ihn wundervoller Fußball glücklich macht? "Weil ich Fußball liebe. Wenn ich ein neues Team habe, ist es wie ein neues Baby im Arm", sagt Pereira, der drei Kinder im Alter von 14, 17 und 20 Jahren hat. "Ich will ihm zuschauen, wie es aufwächst. Es vorbereiten auf die Schwierigkeiten der Welt und es unterstützen." Dass Sechzig durchaus "ein besonderes Baby" ist, ist ihm allerdings auch schon aufgefallen.

Dann verabschiedet sich Pereira. Er hat sich als einer vorgestellt, der das Leben liebt, sich selbst und vor allem: den Fußball. Es ist wohl doch nicht als Erinnerungshilfe gemeint, als er sein Schlusswort spricht: "Ich bin Vitor Pereira."

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