TSV 1860 München:Professionell frustriert

2. Fussball Bundesliga TSV 1860 München - Eintracht Braunschweig

"Es geht nicht um Statistik": Trainer Bierofka (links) wechselt Michael Liendl ein.

(Foto: Stefan Matzke/sampics)

Ausnahmekönner, an denen sich die Geister scheiden: Trainer Daniel Bierofka verzichtet zunächst auf Liendl und Okotie, nach ihrer Einwechslung steuern sie allerdings das Siegtor bei.

Von Markus Schäflein

Wenn die Mannschaft eine gute Leistung gezeigt hat und dann auch noch die beiden Spieler eingewechselt wurden, die am Siegtor beteiligt waren, kann sich ein Trainer zurücklehnen und behaupten, alles richtig gemacht zu haben. So verhält es sich selbstredend auch bei Daniel Bierofka, der bei seinem Debüt als Übungsleiter des abstiegsbedrohten Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München einen 1:0-Sieg gegen Eintracht Braunschweig feiern durfte - aber die Lage bei den Löwen ist natürlich mal wieder ein bisschen komplizierter. Schließlich wurde nicht irgendwer eingewechselt, sondern die beiden österreichischen Ausnahmekönner im Kader, Standardspezialist Michael Liendl, der die Ecke trat, und der potenzielle Torjäger Rubin Okotie, der den Ball mit dem Kopf ins Tor wuchtete.

Unter Torsten Fröhling bekundete Michael Liendl seinen Unmut verbal, diesmal tat er es optisch

Es sind Ausnahmekönner, die bisweilen auch Ausnahmen vom vorgegebenen taktischen Verhalten machen, das gegen Braunschweig lautete: rennen, pressen, Zweikämpfe führen. Spieler, an denen sich nicht nur beim geschwätzigen Sechzig die Geister scheiden, sondern die auch in jedem anderen Klub polarisieren würden. Auf Okotie als Stammspieler zu verzichten, hatte bereits sein Vorgänger Benno Möhlmann entschieden; dass nun auch Liendl auf der Bank saß, der beim 1:2 in Duisburg noch ein traumhaftes Weitschusstor erzielt hatte, war ein Entschluss Bierofkas.

Okotie erschien nach seinem Siegtreffer in der Mixed Zone bei den Journalisten und sagte: "Es können nur elf spielen, deshalb muss man das professionell aufnehmen." Eine professionelle Aussage war das, und wie hatte eigentlich Kollege Liendl die Nachricht aufgenommen? "Er war auch nicht glücklich, aber er hat es professionell angenommen." Für den professionellen Jubel, den Fans und Fernsehteams von einem Torvorbereiter erwarten, reichte es bei Liendl dann allerdings doch nicht. Er blieb demonstrativ emotionslos und hielt sich von den feiernden Kollegen auf dem Platz fern. Liendl hat sich nie gescheut, mangelnde Einsatzzeiten zu beklagen; das war schon unter Torsten Fröhling, dem Vorgänger von Bierofkas Vorgänger Möhlmann, so. Damals bekundete er seinen Unmut verbal, diesmal optisch.

Bierofka erklärte am Montagmorgen, mit einem Tag Abstand zum Spiel, zu Liendls Nichtberücksichtigung: "Ich habe ihm erklärt, warum das so ist, und es liegt an ihm, ob er es akzeptiert." Die Aufstellung habe sich "im Lauf der Trainingswoche herauskristallisiert, und ich habe ja auch die Spiele gesehen". Liendls überragende Scorerpunkte, die sich in den Statistiken angesammelt haben, hätten ihn dabei nicht interessiert: "Es geht nicht um Statistik." Fußball sei "ein Mannschaftssport, in dem nicht die elf Besten spielen, sondern die elf, die am besten als Mannschaft funktionieren". Liendl und Okotie hätten "Frust in Leistung umgewandelt".

Das war natürlich auch ganz schön professionell formuliert. Okotie hatte noch angemerkt, der Eckball sei "super reingekommen" und Liendl habe "die Antwort auf dem Platz gegeben", was man selbstredend auch auf ihn selbst beziehen konnte und was dann durchaus trotzig klang und nach Hoffnung, wieder in die Stammelf zurückzukehren. Dazu müsste Okotie allerdings den abstiegskampfgeeigneten Fußballarbeiter Sascha Mölders verdrängen, da auch Bierofka nur auf eine Spitze setzt. "Es geht nicht um Sascha oder mich. Wir müssen ein System spielen, mit dem wir drin bleiben", sagte Okotie, "und wenn das mit einen Stürmer ist, dann ist es eben so."

Sollte Mölders, der gegen Braunschweig einen Schlag aufs Knie bekam und am Montag lange untersucht wurde, bei St. Pauli ausfallen, wäre Okotie erste Wahl. Dass die Hamburger nach Nürnbergs Sieg vom Samstag alle Hoffnung auf den Aufstieg fahren lassen mussten, kommt den Löwen vermutlich entgegen; die Braunschweiger zeigten mit ihrer seltsam lethargischen Leistung ja, was passieren kann, wenn eine Mannschaft nur noch um die Fernsehgeldtabelle spielt. "Ich will dort was mitnehmen", kündigte Bierofka an, der den positivsten Effekt des Sieges gegen Braunschweig aber auch kannte: "Egal, was bei St. Pauli rauskommt, wir haben es auf jeden Fall in den zwei folgenden Spielen gegen die Mitkonkurrenten in der eigenen Hand." Gegen Paderborn und beim FSV Frankfurt werden dann wieder viele Arbeiter gebraucht - und Leute für die entscheidenden Momente.

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