Chaos bei 1860 München:Scheinheiligkeiten vom Feinsten

Missgunst, Intrigen, Täuschungsmanöver: Der deutsche Fußball macht erste schmerzhafte Erfahrungen im Umgang mit ausländischen Geldgebern. Die DFL schaut zu, wie Investor Hasan Ismaik bei 1860 München Funktionäre auf seine Seite zieht, Präsident Dieter Schneider gibt den letzten Mohikaner. Nun stellt sich die Frage: Wer ist der Verein?

Gerald Kleffmann

Nur sechs Wochen nach dem Einstieg des arabischen Investors Hasan Ismaik beim Fußball-Zweitligisten 1860 München sieht es so aus, als sei das Pilotprojekt in der Probezeit gescheitert. Der Machtkampf um Kontrolle und Organisation beim Traditionsklub beinhaltet Intrigen, Täuschungsmanöver und Scheinheiligkeiten vom Feinsten.

Schneider und Ismaik

Ernüchterung auf beiden Seiten: Präsident Dieter Schneider und Investor Hasan Ismaik haben sich den Neubeginn der Löwen anders vorgestellt

(Foto: dpa)

Herrlich ließe sich wieder über die Zerwürfnisse in diesem gebeutelten Klub lachen, hätte der Fall nicht diese Bedeutung für die Branche. Einen fremdländischen Geldgeber gab es ja noch nie in einer der Bundesligen, Fußball-Deutschland erhält gerade erste Lektionen. Es sind gleich sehr schmerzhafte.

Einen Kooperationsvertrag aufsetzen, beste Absichten äußern und in die rosige Zukunft starten, so funktioniert es offensichtlich nicht zwischen hiesiger Fußballtradition und fremdländischem Großkapital. Hätte Vereinspräsident Dieter Schneider seinen geplanten Rücktritt nicht verschoben, wären wohl alle Schutzwälle des Vereins gebrochen; Vorbehalte oder gar Widerstand gegen zu viel, zudem regelwidrige Fremdbestimmtheit hätte es kaum mehr gegeben.

Längst sind, so die Momentaufnahme, Funktionsträger zum Investor übergelaufen und lassen sich instrumentalisieren. Schneider kämpft praktisch als Letzter für die Interessen des Vereins, er ist die 50+1-Regel in Person. Wie konnte es so weit kommen? Es gibt doch einen Kooperationsvertrag? Und müsste nicht die Deutsche Fußball-Liga (DFL), Hüter von 50+1, ein Wort sprechen?

Es konnte so weit kommen, weil der Vertrag nur ein Leitfaden ist und die Anteilseigner mit 51 bzw. 49 Prozent Besitz so eng beieinander liegen, dass kleinste Machtverschiebungen reichen, um Mehrheiten im Tagesgeschäft zu organisieren. Es war ein cleverer Schachzug des Investors, Geschäftsführer Robert Schäfer auf seine Seite zu ziehen, der, ein Karrierist, diese Illoyalität in Kauf nimmt.

Die DFL greift - noch - nicht ein, da der Verein per se noch nicht über einen Bruch der Regel klagt. Das führt zur nächsten, entscheidenden Frage: Wer ist der Verein? Dieses Pilotprojekt rüttelt an den Grundfesten des Fußballs, der Ausgang hierzulande ist offen. Gerade haben die Traditionalisten ihre Argumente.

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