TSV 1860 München:Neue Erkenntnisse

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Ganz schön rasant für einen 30-Jährigen: Münchens Rubin Okotie (rechts) staunt über den Antritt von Düsseldorfs Andreas Lambertz. (Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

1860 zeigt beim 1:1 in Düsseldorf abermals eine gute Schlussoffensive. Trainer Torsten Fröhling lobt seine neuerdings sehr kompakt stehende Defensive.

Von Ulrich Hartmann und Philipp Schneider

Natürlich gab es am Vormittag keinen einzigen Spieler, Trainer, Zeugwart oder Platzwart beim TSV 1860 München, der schnell genug vom Gelände hätte fliehen können, um nicht gefragt zu werden, wo, mit wem, und wie genau er die zwei großen Fußballspiele ansehen würde, die am Sonntagnachmittag anstanden: Der FSV Frankfurt empfing Aalen. Und Heidenheim den FC St. Pauli. Er werde die Partien in der Konferenzschaltung betrachten, sagte Trainer Torsten Fröhling ("allerdings alleine, ich habe nicht aufgeräumt"), er wisse noch nicht genau, ob er die Zeit dafür habe, sagte Stürmer Rubin Okotie ("die Mama ist zu Besuch, vielleicht gegen wir in den Englischen Garten"). Nur Dominik Stahl ließ sich bereits vorab entschuldigen, er sei schließlich "bei der Schwiegermama eingeladen", könne andererseits die Spiele auch so "nur bedingt beeinflussen". Unter welchen Bedingungen der Mittelfeldspieler Partien aus der Ferne zu beeinflussen vermag, das verriet er nicht. Aber es lief auch ohne Stahls magisches Wirken schlecht genug für Sechzigs Mitkonkurrenten im Abstiegskampf der zweiten Liga: Aalen spielte 1:1, St. Pauli verlor 1:2.

Einen Tag nach ihrem 1:1 gegen Fortuna Düsseldorf wussten die Münchner gleichwohl noch immer nicht, ob sie zwei Punkte verloren hatten. Oder einen gewonnen. "Ob der Punkt was wert ist, werden wir erst am 34. Spieltag sehen", prognostizierte Fröhling. Theoretisch könnte Sechzig, das vorerst auf dem 15. Platz verbleibt, an diesem Montag auf den Relegationsplatz rutschen. Sollte Erzgebirge Aue am Abend in Braunschweig gewinnen.

Bei so viel Unwägbarkeiten klammerte sich der Trainer also lieber an die wenigen gesicherten Erkenntnisse, die ihm nach diesem Spiel blieben. "Düsseldorf ist nicht Kleinkleckersdorf", befand Fröhling, womit er wohl sagen wollte, dass die Fortuna ein anspruchsvoller Gegner ist, der (genau wie 1860) als Aufstiegskandidat in die Saison gestartet war. Und: "Man sieht, dass ein Trend da ist. Was langsam richtig gut wird, das ist unsere Kompaktheit."

Der vergangene Spieltag hatte für die neuerdings kompakten Münchner mit einem heimtückischen Anschlag begonnen. Der Löwe, der stets grimmig vom Heck des Mannschaftsbusses herunterschaut, beeindruckte gewisse nächtliche Schmierfinken offenbar wenig. "F95", schrieb jemand sehr schief und in Rot auf das blau dominierte Gefährt, weshalb sich der Täterkreis geschwind auf Sympathisanten der Fortuna einschränken ließ. "Kommt ja häufiger vor", sagte der Löwen-Torschütze Daniel Adlung fast gelangweilt über die Schmierereien auf dem Bus, ihn und seine Kollegen irritiere so etwas eigentlich kaum.

Dabei achten sie sonst durchaus auf ihr Erscheinungsbild. In Düsseldorf etwa haben sie am Samstag wieder in ihren überaus schicken schwarzen Trikots gespielt, nachdem sie in genau diesen am vorangegangenen Samstag mit 2:1 gegen Bochum gewonnen hatten. "In Schwarz haben wir mehr Punkte geholt", sagte Adlung, ohne die exakte Ausbeute zu kennen.

"Wenn wir so weiterspielen, dann bleiben wir drin", vermutet Torschütze Daniel Adlung

Aberglaube und Dresscode werden in den letzten vier Saisonspielen wohl nicht den entscheidenden Unterschied machen. Die Bereitschaft jedes einzelnen Spielers zur taktischen Disziplin, zu Laufwegen ohne Ball, zum Verschieben, zum Pressen und zum Risiko beim Lückensuchen im gegnerischen Abwehrverband sind bekanntlich von modischen Komponenten unabhängig. Bei den Löwen funktionieren all diese Aufgaben zurzeit recht ordentlich, aber nicht gut und zuverlässig genug für zwei Siege in Serie. Immerhin kämpft Fröhlings Truppe seit dem 2:1 gegen Bochum bis zum Schlusspfiff, und dies darf durchaus als entscheidende Tugend im Abstiegskampf gelten. "Dass wir immer wieder zurück kommen, das haben wir uns angeeignet", sagte auch Stürmer Rubin Okotie. Gleichwohl, Pässe in und hinter die Düsseldorfer Abwehrkette gab es kaum. Chancen entstanden ausschließlich nach Flanken und Standards, so wie beim 1:0 per Kopfball von Adlung (42.) nach einer Hereingabe von Marius Wolf. Die Münchner Abwehr geriet gegen die schnellen Düsseldorfer oft in große Not, so wie beim 1:1, als Michael Liendl im Strafraum sehr frei zum Schuss kommen durfte (48.). Nach nunmehr neun Spielen unter Fröhlings Anleitung kommen die Sechziger auf eine Bilanz von je drei Siegen, Unentschieden und Niederlagen. Was zuversichtlich stimmt, ist der Umstand, dass Torjäger Okotie in acht dieser neun Partien gar nicht richtig mitspielen konnte. Im zweiten Spiel unter Fröhling Anfang März hatte er sich bereits in der ersten Minute verletzt und musste zur Pause hinaus, danach pausierte er 54 Tage und sechs Spiele lang und wurde am Samstag in Düsseldorf in der 62. Minute erstmals wieder eingewechselt.

Okotie fand Flanken und Eckbälle besser als der zuvor 62 Minuten lang kaum auffällige Stephan Hain. In der 82. Minute hätte Okotie fast noch den Siegtreffer erzielt, als er einen Eckball von Adlung mit dem Kopf Richtung Tor drückte. Diesen Kopfball parierte jedoch Schlussmann Michael Rensing so gerade noch, und den Nachschuss von Christopher Schindler blockierte Liendl auf der Linie. "Wenn wir so weiterspielen, dann bleiben wir drin", prophezeite Torschütze Adlung. Sein Trainer verlegte sich auf eine geheimnisvollere Einschätzung. "Es nervt mich", sagte Fröhling, "dass die Spiele weniger werden."

© SZ vom 27.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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