TSV 1860 München:Moderator der Enttäuschung

2. Fussball Bundesliga TSV 1860 München

Schemenhaftes Bild einer Mannschaft: Was vom TSV 1860 München in dieser Spielzeit zu erwarten ist, weiß auch Trainer Kosta Runjaic noch nicht so genau.

(Foto: Stefan Matzke/sampics)

1860-Trainer Runjaic muss nach dem ernüchternden Auftakt beim 0:1 in Fürth erklären, warum seine Mannschaft so gar nicht funktionierte.

Von Markus Schäflein

Wer dachte, dass eine Nacht Kosta Runjaic geholfen hätte, über die 0:1-Auftaktniederlage in Fürth hinwegzukommen, sah sich getäuscht. "Es fühlt sich am Tag danach noch schlimmer an", sagte der Trainer des Fußball-Zweitligisten 1860 München am Montag, denn es hatte sich mit der Zeit die Erkenntnis verfestigt: "Das Beste war das Ergebnis." Wenn nach einer Niederlage das Ergebnis das Beste ist, ist klar, wie das Spiel gelaufen ist: "Keinen Zugriff gehabt, keine Kompaktheit hergestellt, immer einen Tick langsamer gewesen als der Gegner", sagte Runjaic, "es gibt viele Sachen, die wir verbessern müssen."

Dass sieben Zugänge in der Startelf standen, mag dazu beigetragen haben, dass die Löwen nach einer annehmbaren ersten halben Stunde zu einem Hühnerhaufen wurden, der auch 0:4 hätte verlieren können. Selbstredend muss sich Runjaic nun die Frage gefallen lassen, ob es vielleicht ein bisschen zu viel des Umbruchs war, ob altgediente Kräfte wie Levent Aycicek und Kai Bülow, die die Vorbereitung von Beginn an absolvierten, hätten spielen sollen. "Im Nachhinein würde ich es genauso machen, wie ich es gemacht habe", erklärte er. "Weil wir den Kader sehr spät zusammengestellt haben, müssen wir die Spieler über die Spiele auf ihr Level bringen. Wenn wir einen Aigner schnell an die Mannschaft heranführen wollen, muss er spielen, und das gilt auch für einige andere." Die Vorbereitungszeit verlängert sich quasi in die ersten Pflichtspiele: "Wir haben jetzt Zahlen, Daten, Fakten und bewegte Bilder, die wir in der Trainingsarbeit nutzen können. Als ich hier ankam, habe ich den Kader eben so vorgefunden, wie er war. " Dass Runjaic lieber auf die teils noch nicht vollständig fitten und weitgehend noch nicht integrierten Zugänge setzt statt auf manche Stammkraft der Vorsaison, sagt einiges darüber aus, was er vom Vorgefundenen hielt.

"Wenn wir einen Aigner schnell heranführen wollen, muss er spielen. Das gilt auch für andere."

Das nächste Spiel findet am Sonntag (15.30 Uhr) in der Fröttmaninger Arena gegen Arminia Bielefeld statt, und man muss Sechzig nicht besonders gut kennen, um zu ahnen, wie das durch die Verpflichtungen von Ivica Olic und Stefan Aigner euphorisierte Umfeld bei einem weiteren missglückten Auftritt in Depression umschwenken würde. "Wir müssen die Saison mit einer gewissen Bodenständigkeit und Bescheidenheit angehen", sagt Runjaic also vorsorglich. "Ein Umbruch kann nicht von heute auf morgen gestaltet werden. Wir müssen hart arbeiten, entspannt bleiben, uns nicht von außen beeinflussen lassen."

Womöglich wären solche berechtigten Hinweise auf die Herausforderungen schon früher in aller Deutlichkeit angebracht gewesen, auch wenn die Scharen von Glückseligen an der Grünwalder Straße das eine oder andere Olic-Trikot weniger gekauft hätten. Nun liegt es an Runjaic, bereits die Enttäuschung zu moderieren - weil der Kader auf dem Papier doch so stark ist. "Was auf dem Papier ist, müssen wir auf dem Platz umsetzen", weiß Runjaic, "dass Olic und Aigner da sind, heißt ja nicht, dass wir um den Aufstieg spielen."

In Fürth erweckte die Mannschaft, die keine Mannschaft war, den Eindruck, dass es mit dieser Umsetzung noch eine Weile dauern dürfte. Dass alles so langsam aussah, lag laut Runjaic nicht an den Beinen. "Wir haben ja keine langsamen Leute, aber in der Handlungsschnelligkeit waren wir in der Regel zweiter Sieger. Wir waren sehr langsam im Kopf." Zwar legten die Löwen insgesamt mehr Kilometer zurück als die Fürther, aber sie liefen oft falsch: "Alle zusammen hätten ein, zwei Schritte früher laufen müssen. Wir haben immer nur in punktuellen Gruppen agiert, aber nie zusammen." Dazu kamen Aussetzer wie von Marnon Busch und Jan Mauersberger vor dem Gegentor kurz vor der Halbzeitpause: "Vielleicht hat sich der eine oder andere zu sehr unter Druck gesetzt", mutmaßt Runjaic, "das ist teilweise eine Wahrnehmungsgeschichte." Der Defensivverbund hatte die größten Wahrnehmungsstörungen: Filip Stojkovic, der den noch aus der vergangenen Saison gesperrten Maxi Wittek ersetzte, bewies, dass er kein Linksverteidiger ist; die Innenverteidigung mit Mauersberger und Milos Degenek erwies sich nicht nur beim Verteidigen als anfällig, sondern auch im Spielaufbau als ideenlos; der neue Sechser Fanol Perdedaj machte keine gravierenden Fehler, half aber der Organisation auch wenig und wurde nach einer Stunde gegen Goran Sukalo ausgetauscht.

Dass sich Sechzig beim Neuverpflichten zu sehr auf die Offensive konzentrierte, ist eine These, die keineswegs erst seit diesem ersten Pflichtspiel ihre Berechtigung hat. Allerdings haben die Löwen dem Vernehmen nach von sehr vielen Kandidaten, an denen sie interessiert waren, Absagen bekommen, woran auch die geöffnete Geldbörse des jordanischen Investors Hasan Ismaik nichts änderte; zu sehr war der Ruf des Klubs ramponiert. Von Hajime Hosogai, der neben Sechser auch Innenverteidiger spielen kann, ist beispielsweise bekannt, dass er den VfB Stuttgart vorzog.

Dass der Brasilianer Victor Andrade in Fürth nicht einmal im Kader stand, sorgte ebenfalls für Diskussionen rund ums Löwenstüberl. In den Vorbereitungsspielen war er durch einige Unbeherrschtheiten, aber auch durch einige schöne Flankenläufe aufgefallen. "Zwei, drei gute Aktionen machen die Zuschauer froh", sagt Runjaic, "aber Fußball ist nicht nur Schnelligkeit und Geradeauslaufen." Im taktischen Bereich müsse Andrade noch dazulernen, ebenso wie er sich in der zweiten Liga nicht so leicht provozieren lassen sollte wie in den Testpartien. "Er muss sich noch an viele Sachen gewöhnen", sagt der Trainer, "jeder sieht ihn als Heilsbringer, aber man muss ihn behutsam aufbauen." Noch behutsamer wird der Aufbau beim anderen jungen Brasilianer Ribamar ablaufen.

Bei wie viel Prozent Leistungsvermögen die Mannschaft schon sei, wurde Runjaic gefragt. Da wollte er sich lieber nicht festlegen: "Wir müssen ja erst mal schauen, wie viel überhaupt 100 Prozent sind."

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