TSV 1860 München:Mit Neunerkette gegen den Abstieg

TSV 1860 München - 1. FC Kaiserslautern

Torschütze mit Einsatzwille: 1860-Mittelfeldspieler Yannick Stark kommt mit seiner Grätsche vor Kaiserslauterns Ruben Jenssen an den Ball.

(Foto: dpa)

Beim Unentschieden gegen den 1. FC Kaiserslautern ändert der Trainer von 1860 München, Markus von Ahlen, erstmals radikal das System. Fraglich ist nur, warum er die Umstellung nicht schon früher vollzogen hat.

Aus dem Stadion von Mathias von Lieben

Markus von Ahlen steht im Nieselregen. Er verschränkt die Arme hinter seinem Rücken und tippelt in der Coaching-Zone herum. Sein Trainerteam sitzt bereits hinter ihm auf der Bank. Zehn Kameramänner umzingeln ihn, es blitzt sekundenartig. Gleich ist Anstoß. Von Ahlen greift zu einer Trinkflasche, um sie gleich wieder abzustellen. Er will vor Anpfiff noch seinen Trainerkollegen begrüßen, geht auf ihn zu, stoppt kurz, doch der sieht ihn nicht. Dann endlich treffen sich ihre Blicke. Während der Schiedsrichter anpfeift, schütteln sich die beiden die Hände.

So zurückhaltend wie der Trainer von 1860 München, Markus von Ahlen, seinen Gegenüber Kosta Runjaic vor der Begegnung begrüßte, so defensiv spielte sein Team bei dem 1:1-Unentschieden gegen Aufstiegsaspirant Kaiserslautern. Die taktische Ausrichtung war deutlich: Gegen die Roten Teufel wich der Trainer erstmals radikal vom offensiven 4-3-3-System ab und setzte alles auf volle Defensive. Im Abstiegskampf ist kein schöner, sondern dreckiger Ergebnisfußball gefragt.

Rechtsverteidiger Martin Angha kehrte nach Gelbsperre für Grzegorz Wojtkowiak zurück in die erste Elf, Yannick Stark ersetzte im defensiven Mittelfeld den gesperrten Julian Weigl. Sonst gab es im Vergleich zur Niederlage gegen Karlsruhe keine Änderungen. Bis auf den Systemwechsel: Die offensiven Außenspieler waren maximal Mittelfeldspieler, die zwei Sechser Stark und Ilie Sanchez mimten Innenverteidiger Nummer drei und vier.

Gefragt war: defensive Variation. Mal gab es ein 4-5-1, dann ein 6-3-1 und bisweilen sogar ein 9-0-1. Die Abwehrkette der Sechziger ähnelte von der Formation her der Nordtribüne, auf der sich die Fans aus Schutz vor dem Dauerregen im Kollektiv ganz hinten im Block unterstellten.

Das Bollwerk hielt den Angriffen des 1. FC Kaiserslautern lange stand. Die spielerisch überlegenen Pfälzer kombinierten sich zwar oft bis vor den Strafraum der Sechziger, spätestens dort erwartete sie aber je nach Spielsituation die erwähnte Fünfer- Sechser- oder Neunerkette. "Wir haben aufopferungsvoll gekämpft und nur wenige Chancen zugelassen", sagte von Ahlen nach dem Spiel. "Viele Dinge wurden richtig umgesetzt!"

"Scheiß Gegentor"

Seine Systemumstellung schien tatsächlich aufzugehen. Warum nicht schon früher so, mögen sich einige der 13 800 Zuschauer gefragt haben. Die Pausenführung durch Yannick Stark (26.) war deshalb auch verdient, weil die Löwen kompakt verteidigten und über ihre schnellen Angreifer Wolf, Adlung, Rama und Okotie immer wieder gefährliche Konter setzten.

Kaiserslauterns Trainer Kosta Runjaic wechselte in der zweiten Hälfte mehr Offensivpower ein und die Sechziger wurden sukzessive müder. Auch wenn Marius Wolf und Rubin Okotie mehrfach das 2:0 auf dem Fuß hatten, der Druck der Pfälzer wurde heftiger. Es war schließlich mehr als verdient, dass die Sechziger in der 85. Minute nach einer Ecke ein wie Innenverteidiger Gary Kagelmacher es ausdrückt "scheiß Gegentor" durch Markus Karl kassierten.

Mit dem Punktgewinn war Markus von Ahlen trotzdem zufrieden: "Es war bemerkenswert, mit welcher Moral und Willensstärke die Mannschaft heute gespielt hat", sagte er auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Sein System war an diesem Tag trotz des späten Ausgleichs aufgegangen. Oft war das in dieser Saison nicht der Fall, es ist ihm deshalb nicht zu verdenken, dass er fast ein bisschen stolz wirkte: "Jetzt wollen wir auch in Leipzig Punkte holen", fügte er hinzu.

Abkehr vom Tiki-Taka

Eines hat das Spiel gezeigt: Es muss nicht der von Poschner vor der Saison geforderte Tiki-Taka-Fußball im 4-3-3 sein. Der Abstiegskampf verlangt andere Maßnahmen - darunter fällt dann auch mal die Systemumstellung auf ein 9-0-1. Auf den Gegner wirkt das zerstörerisch, kreative Spielzüge sind damit nur selten möglich. Und in der zweiten Bundesliga tut sich sowieso fast jedes Team schwer damit, das Spiel zu machen.

Mit dem Pragmatismus aus dem Kaiserslautern-Spiel kann 1860 München auch in Leipzig punkten, so wie es sich der Trainer wünscht. Und dann ist Winterpause, Gary Kagelmacher sehnt sie herbei: "Dann bekommen wir endlich mal den Kopf frei!" Einen freien Kopf hatte von Ahlen auf der Pressekonferenz allemal. Er saß jetzt aufrecht in seinem Stuhl, während sich Trainerkollege Runjaic in seinem versteckte.

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