TSV 1860 München:Mit Konfuzius gegen die ewige Dunkelheit

TSV 1860 München: Rede zum Wahlkampf-Abschluss des „Team Profifußballs“: Neben Klaus Ruhdorfer (vorne) und Thomas Hirschberger (l.) kandidieren auch der frühere 1860-Trainer Karsten Wettberg und Ex-Angreifer Bernhard Winkler (r.) für den 1860-Verwaltungsrat.

Rede zum Wahlkampf-Abschluss des „Team Profifußballs“: Neben Klaus Ruhdorfer (vorne) und Thomas Hirschberger (l.) kandidieren auch der frühere 1860-Trainer Karsten Wettberg und Ex-Angreifer Bernhard Winkler (r.) für den 1860-Verwaltungsrat.

(Foto: Stefan Matzke/sampics)

Für den 1860-Verwaltungsrat kandidiert eine Opposition. Sie muss sich fragen, ob die schweigende Mehrheit zur Wahl erscheint.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Einen "weißblauen Abend" in der Isarpost Eventlocation hatte die vor Wochen zugestellte Einladung des "Teams Profifußball" versprochen. Und als dann der Moment gekommen war, von dem in der Einladung der am Sonntag für den 1860-Verwaltungsrat kandidierenden Opposition die Rede gewesen war, Dienstagabend "um 18.60 Uhr", da erstrahlten die Wände in dem alten Backsteingebäude unweit des Stachus tatsächlich in weißem und blauem Licht. Karotten-Ingwer-Suppe war vorbereitet, Palmen waren aufgebaut. Wer mochte, konnte das nun als Gegenentwurf zum Schmuddelcharme des Grünwalder Stadions mit seinen Bockwürsten sehen. Aber unerwartet ging es an diesem Abend gar nicht darum zu polarisieren. Sondern, im Gegenteil: zumindest offiziell die Einheit aller Löwen zu betonen. Der weißblaue Abend bot ein weißblaues Socialising unter Gegnern.

300 Gäste hatten Klaus Ruhdorfer und Thomas Hirschberger geladen, zu ihrer Party zum Abschluss des Wahlkampfs vor der Mitgliederversammlung des TSV 1860 München an diesem Sonntag, auf der sie gewählt werden wollen. Sie luden auch das amtierende Präsidium und allerlei amtierende Verwaltungsräte, die freundlich begrüßt wurden.

Wer gewählt werden will, da sind sich Hirschberger und Ruhdorfer sicher, der muss die Wahlberechtigten mit Argumenten überzeugen. Vor allem muss er reden dürfen. Nach Lage der Dinge werden Hirschberger und Ruhdorfer am Sonntag auf der Mitgliederversammlung aber keine Rede mehr halten dürfen.

Stattdessen hatten der Gastronom Hirschberger und Ruhdorfer, Geschäftsführer einer Beteiligungsgesellschaft, die als Teil des neunköpfigen Blocks "Team Profifußball" kandidieren, in den vergangenen Wochen zwölf Wahlkampfveranstaltungen abgehalten. Sie waren über die bayerischen Dörfer gereist, nach Oberfranken und ins Allgäu, sie hatten geredet und Fragen beantwortet. "Und die häufigste Frage war: Können Sie uns Karten besorgen?", erzählt Ruhdorfer. Hirschberger ergänzt, was am zweitmeisten gesprochen wurde: "Früher konnte man so schön mit dem Bus hinfahren." Er meint: ins Stadion.

"Fakt ist, dass der Verein derzeit von einer kleineren Gruppe dominiert wird."

Nun allerdings spielt der TSV 1860 nicht mehr in der großen und busfreundlichen Arena, sondern im Stadion an der Grünwalder Straße, dem Sehnsuchtsort der Traditionalisten und Romantiker - und auch der Gruppierungen Pro1860 und "Freunde des Sechzgerstadions", die derzeit den Verwaltungsrat dominieren. Daher findet Ruhdorfer: "Fakt ist, dass der Verein derzeit von einer kleineren Gruppe dominiert wird. Diese Fraktion ist jetzt am Ziel." Es werde allerdings nur selten angesprochen, dass die Spielstätte im Mittelpunkt der Planungen stehe: "Wir fordern mehr Ehrlichkeit, mehr Authentizität. Jeder sollte sich zu seinem obersten Ziel bekennen." Die Menschen auf dem Land, die er auf seinen Wahlkampfveranstaltungen getroffen hat, glaubt Ruhdorfer, seien "die schweigende Mehrheit". Und oberstes Ziel der schweigenden Mehrheit sei neben gemütlicher Busanfahrt und genug Tickets eben auch maximaler sportlicher Erfolg.

Die schweigende Mehrheit wäre dann allerdings auch die nicht reisende Mehrheit. Zu den Mitgliederversammlungen erscheinen erfahrungsgemäß eher auf Investor Hasan Ismaik pfeifende Ultras und andere Freunde des Grünwalder Stadions. Weswegen sich das "Team Profifußball", zu dem auch die "Dahoam-is-dahoam"-Schauspielerin Senta Auth und der frühere TSV-1860-Profi Bernhard Winkler gehören, keine so großen Hoffnungen für die Wahl macht wie zu Beginn seiner Kampagne. Pro1860-Befürworter und die unterstützenden Ultras hatten in den vergangenen Jahren stets die deutliche Mehrheit in den Versammlungen.

"Wir werden einen langen Atem haben, weil wir nicht erwarten können, dass wir im ersten Anlauf gleich die Wende schaffen", sagt Ruhdorfer. Er redet nun auch gerne mit den Andersdenkenden, denn er sieht das wie Konfuzius, der mal gemeint habe: "Ich entzünde lieber ein Licht, als ewig die Dunkelheit zu verfluchen." Also wolle das Team "die Probleme thematisieren, die auf 1860 unweigerlich zukommen: Die weitere Finanzierung der dritten Liga ist fraglich, das ist nicht gelöst", ergänzt Hirschberger. Irgendwann müsse nämlich doch wieder Ismaik zahlen, von dem die derzeitige Vereinsführung glaube, unabhängig zu sein: "Dieser D-Day wird jedes Jahr wiederkommen."

Aus Sicht der Opposition liegt das vor allem am Stadion. "Es geht nicht nur um die Kapazität. Wir haben keine Logen, keine Business Seats, kein Werberecht, aus diesem Bereich keine Einnahmen", sagt Hirschberger. "Wenn man unabhängiger von einem Investor werden will, gerade dann braucht man diese Einnahmen." Dass die amtierende 1860-Verwaltungsrätin Verena Dietl just vor der Wahl mit der SPD-Fraktion im Stadtrat einen Antrag auf Prüfung maximaler Kapazität des Grünwalder Stadions gestellt hat, nimmt dem "Team Profifußball" einen Teil seines zentralen Wahlkampfthemas. Aber Ruhdorfer sieht es so: "Ich sehe, dass wir da Bewegung reingebracht haben, das ist schon mal positiv."

Investor Hasan Ismaik hat bislang zumindest angekündigt, zwei Millionen Euro zu geben

Etliche andere Themen sind seit Wahlkampfbeginn ebenfalls schon von der Agenda entfernt worden: Mit Trainer Daniel Bierofka wurde verlängert, Ismaik hat zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Oder zumindest angekündigt, zwei Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Und streng genommen ist der TSV 1860 mit dem Drittliga-Aufstieg zurück im Profifußball. Nun bleibt zentral noch das Stadion- und Finanzierungsthema. Das wolle er nur mal gesagt haben, erklärt Ruhdorfer, weil er befürchtet, es auf der Mitgliederversammlung nicht sagen zu dürfen. Vor allem aber fragt er sich, ob die schweigende, nicht reisende Mehrheit zumindest diesmal erscheint.

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