TSV 1860 München:Kreuzers Baustelle

Eintracht Braunschweig v 1860 Muenchen  - 2. Bundesliga

Ballkontrolle ohne Hand: Braunschweigs Emil Berggreen (vorne) und 1860-Verteidiger Gary Kagelmacher bei einem regelkonformen Zweikampf.

(Foto: Joachim Sielski/Bongarts/Getty Images)

Der neue Sportdirektor bei 1860 sieht nach dem 0:0 in Braunschweig Personalbedarf im Sturm. Trainer Möhlmann bemängelt fehlenden "Killerinstinkt" - lobt aber das Offensivspiel.

Von Korbinian Eisenberger

Und dann betrat Benno Möhlmanns neuer Chef den Rasen. Oliver Kreuzers erste Arbeitswoche als Sportdirektor beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München war gerade mit einem 0:0 bei Eintracht Braunschweig zu Ende gegangen. In Jeans und Jackett lief der 49-Jährige auf die Münchner Spieler zu, die den Tabellenvierten zuvor 90 Minuten lang fast zur Verzweiflung getrieben hatten. Kein schlechtes Ergebnis für einen Tabellenvorletzten, dachte sich offenbar Kreuzer - und daher klatschte er mit jedem Spieler einzeln ab, der bei dem Punktgewinn mitgeholfen hatte. Trainer Möhlmann, seinerseits seit gut zwei Wochen im Dienst, hatte ebenfalls sein Bestes gegeben und 90 Minuten an der Auslinie dirigiert. Er und Kreuzer klatschten sich jedoch nicht ab. Sie schritten nach dem Schlusspfiff wortlos aneinander vorbei.

Das musste nichts heißen. Allerdings hatte Möhlmann schon vor dieser Partie recht einsilbige Antworten gegeben, als er um eine Einschätzung seines neuen Chefs gebeten wurde. Und er hatte darauf verwiesen, dass sich Kreuzer telefonisch erst am Mittwochabend bei ihm gemeldet hatte, als die Nachricht schon in der Welt war, dass Kreuzer neuer Sportchef bei Sechzig werde würde.

Den verhaltenen Applaus, den die Braunschweiger Fans am Sonntag ihrem eigenen Team zur Pause zugedachten, durfte Möhlmanns Elf ebenfalls als Auszeichnung verstehen. Schließlich hatten die Münchner schon da mit großer Leidenschaft den Spielverderber gegeben - Braunschweig hätte mit einem Sieg auf Rang drei vorrücken können. Lediglich Richard Neudecker, dessen Begabung zum Linksverteidiger Möhlmann entdeckt hatte, bekam auf seiner Seite Probleme mit Braunschweigs Phil Ofosu-Ayeh - er handelte sich eine gelbe Karte ein und musste schon in der 32. Minute für Maximilian Wittek weichen. Der verrichtete sein Tagwerk recht manierlich, konnte aber auch nicht dazu beitragen, Braunschweigs Torwart Rafal Gikiewicz in Bedrängnis zu bringen. Und so sahen die mitgereisten Löwen-Fans, wie sich Stürmer Rubin Okotie in der ersten Halbzeit fast im Alleingang in der Sturmspitze aufrieb.

Nach der Pause, so schien es, hatte Sechzig begriffen, dass bei den Löwen aus Niedersachsen an diesem Nachmittag etwas zu holen sein könnte. Der dritte Münchner Sieg in Serie wäre sogar möglich gewesen, nachdem Marius Wolf nach einer Stunde an der Strafraumkante auf Offensivkollege Daylon Claasen passte. Beim Versuch, den Ball im Tor unterzubringen, war dem Südafrikaner jedoch der Oberschenkel von Torwart Gikiewicz im Weg. 60 Minuten waren gespielt, aber Möhlmann sah an der Seitenlinie aus, als wären es 120 gewesen: Tja, die mangelhafte Chancenverwertung. Ein Problem, an dem bereits sein Vorgänger Torsten Fröhling verzweifelt war.

Doch die Gastgeber hatten nun offenbar genug davon, dem Tabellenvorletzten hinterherzurennen. In den letzten zehn Minuten des Spiels wachte Braunschweig auf: Löwen-Kapitän Christopher Schindler und seine Defensivreihe köpften und droschen die Bälle jetzt in alle Richtungen aus dem Sechzehner, und hatten Glück, dass sich kein Querschläger mehr im Tor von Vitus Eicher verirrte. Möhlmann reagierte mit einer offensiven Strategie: Er wechselte Stefan Mugosa für Spielmacher Michael Liendl ein. Nach einem geklärten Freistoß aus 14 Metern kam der Stürmer zum Schuss. Innenverteidiger Sertan Yegenoglu fälschte unfreiwillig ab, der Ball segelte Zentimeter am Pfosten vorbei (86.).

Wie schon im Ligaspiel gegen Duisburg (1:0) und im Pokal in Mainz (2:1) durften sich die Löwenfans schließlich vor allem bei ihren Defensivkünstlern bedanken, dass es nach dem Spiel viele fröhliche Gesichter gab.

Auch Möhlmann schaute tatsächlich recht vergnügt drein, als er nach Schlusspfiff in die Mixed-Zone trat. "Viele Dinge passen schon", sagte Möhlmann. Wer ihn 90 Minuten hadernd und schimpfend an der Linie beobachtet hatte, mochte kaum glauben, dass er das so sagte. Aber ernsthaft, er sei "ziemlich zufrieden", sagte Möhlmann, er habe nach der Pause eine Mannschaft gesehen, die vieles ausprobiert hat. "Vor allem haben wir versucht, nach vorne zu spielen", sagte er. "Nur vor dem Tor", sagte er, "da fehlt uns noch der Killerinstinkt."

Und Kreuzer, der das erste Pflichtspiel einer Mannschaft erlebte, die nun auch seine ist, sagte: "Ich glaube, dass wir gute Stürmer haben." Und dennoch, angesichts von nur acht Toren in 14 Spielen, so Kreuzer, sei die Offensive die Hauptbaustelle. "Ich glaube, dass unser Trainer da noch einiges rausholen kann", sagte er. Man werde sich aber "in der Winterpause Gedanken machen, was wir personell noch machen".

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