TSV 1860 München:Jugend kann er, der Löwe

Borussia Dortmund U19 v 1860 Muenchen U19 - German U19 Championship Semi Final First Leg

Auf dem Weg zur deutschen Meisterschaft? Ugur Mustafa Türk, Kilian Jakob, Florian Neuhaus und Alexander Fuchs jubeln.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Ein echter, sportlicher Erfolg für den TSV 1860? Gibt es das? Die A-Jugend des Klubs könnte bald deutscher Meister sein.
  • Gute Nachwuchsfußballer stehen in dem gebeutelten Verein trotz aller Krisen massenhaft bereit.

Von Dominik Fürst

Florian Neuhaus jubelt schon, als der Ball noch durch die Luft segelt. Zwei Sekunden, drei Sekunden, dann senkt sich die Kugel und plumpst ins BVB-Tor. Neuhaus hat also die Arme schon hochgestreckt: Tor für den TSV 1860 München, 2:1 gegen Borussia Dortmund im Signal Iduna Park, ein Wahnsinnstreffer aus 45 Metern Entfernung. Und Sechzig auf dem Weg ins Finale um die deutsche Meisterschaft. Träumt da ein verwirrter Löwenfan von besseren Zeiten für seine Mannschaft? Nein, es geht hier um ein Jugendspiel. Und da enttäuscht der TSV fast nie. Jugend kann er, der Löwe.

Die U19-Junioren gewannen nicht zuletzt durch den Wahnsinnstreffer des jungen Neuhaus das Halbfinal-Hinspiel um die deutsche A-Jugend-Meisterschaft beim BVB. Mehr als 15 000 Menschen waren im Stadion - sie alle kennen jetzt diese fabelhaften "Mini-Löwen", von denen es mancher bald in den Profifußball schaffen dürfte. Das Rückspiel findet am Pfingstmontag (14.30 Uhr) im Sportpark Heimstetten statt, auch dort dürfte die Kulisse wieder groß sein. Wenn 1860 den Vorsprung verteidigt, wartet im Finale wohl die TSG Hoffenheim, die in ihrem Hinspiel Werder Bremen 3:1 besiegte.

Bender, Volland, Aigner - alle ausgebildet bei 1860

Ein Erfolg im Finale um die deutsche Meisterschaft wäre ein bemerkenswert lichter Moment beim leidgeplagten TSV, dessen Profis bekanntlich zwei Mal in Serie nur knapp dem Zweitliga-Abstieg entkamen. Die Jugendarbeit in München ist aber auch ohne Titelgewinn traditionell: ausgezeichnet. Regelmäßig wird das Nachwuchsleistungszentrum an der Grünwalder Straße 114 vom Deutschen Fußball-Bund mit der höchsten Auszeichnung von drei Sternen geadelt. Die U19 und die U17 spielen in der höchsten Liga - der Löwen-Nachwuchs glänzt immer wieder.

Es ist paradox und man könnte sagen, der Giesinger Mythos des Sisyphos lebt: 1860 bildet seit Jahren überdurchschnittlich gute Jugendteams aus. Viele Talente schaffen es bis in die erste Mannschaft, bewähren sich dort und werden irgendwann für mehr oder weniger Geld an andere Vereine verkauft. Weil die TSV-Profis in der 2. Liga kaum sportliche Erfolgsgeschichten schreiben und der Klub nur sehr eingeschränkte finanzielle Perspektiven bieten kann. Deswegen spielen Lars und Sven Bender, Kevin Volland, Julian Weigl und Stefan Aigner heute nicht mehr in München. Sondern in Leverkusen, Hoffenheim, Dortmund und Frankfurt. Und das sind nur einige der prominenteren Beispiele.

Die Löwen legen Wert auf die Förderung des Nachwuchses. Der gute Ruf der Jugendarbeit unter der Leitung von Wolfgang Schellenberg ist eine der wenigen Stützen im Verein, dessen Erwachsenenabteilung meist mit dem Adjektiv "chaotisch" beschrieben wird. In der Ausbildungsphilosophie heißt es, Ziel der Jugendarbeit sei auch, den TSV 1860 langfristig wieder in der ersten Liga zu etablieren. In Giesing rollen sie ihre Steine weiter den Berg hinauf.

Das Halbfinal-Hinspiel beim BVB war schon eine große Aufgabe, Christian Pulisic und Felix Passlack liefen für den Gegner auf, beide haben schon in der Bundesliga gespielt. Die Borussia ging in Führung, 1860 drehte das Spiel. Am Ende fiel der eingangs erwähnte Treffer von der Mitte des Spielfelds. "Das Tor war unglaublich", sagte Florian Neuhaus über seinen Kunstschuss. Es sah sehr souverän aus, wie er den Ball kurz vor der Mittellinie über den halben Platz ins Tor streichelte.

Im Rückspiel am Pfingstmontag wird Neuhaus seiner Mannschaft allerdings fehlen. Weil er beim Torjubel über die Barriere sprang, zeigte ihm der Schiedsrichter Gelb-Rot. Sein Trainer Josef Steinberger ärgerte sich sehr, aber nicht über seinen Spieler, sondern über die fragwürdige Regel, die ausgelassenes Feiern bestraft. Fürs Rückspiel versprach Steinberger aber eine Energieleistung seiner Elf. Danach käme das Finale. Giesing würde wieder zittern. Und vielleicht, 50 Jahre nach der Deutschen Meisterschaft der Herren, mal wieder einen Titel bejubeln.

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