TSV 1860 München:"Jetzt ist Kampf angesagt"

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Bei 1860 München muss Trainer Torsten Fröhling die erste Rebellion eines Spielers moderieren - Neuzugang Michael Liendl klagt über fehlendes Vertrauen.

Von Philipp Schneider

Am Sonntag stand beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, anders als noch in der Vorwoche, keine Kinder-Pressekonferenz mehr auf dem Programm. Eine kluge Entscheidung. Der Sonntag war nämlich der Tag, an dem bei Sechzig erstmals in dieser Saison ein paar sehr ernsthafte Angelegenheiten besprochen wurden. Und weil die Erwachsenen Torsten Fröhling und Michael Liendl am Tag nach dem 1:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern nicht nur miteinander, sondern auch übereinander redeten, gab es für Kinderohren diesmal nicht viel Vorbildliches zu hören an der Grünwalder Straße.

"Ich hab' in Düsseldorf kein Spiel verpasst, hab' mich bei jedem Trainer etabliert", klagt Liendl

Der Sonntag war nämlich der Tag, an dem Michael Liendl nach dem Vormittagstraining bei den Journalisten stehen blieb und mit sehr ruhiger Stimme verkündete: "Ich hab' in Düsseldorf kein Spiel verpasst, hab' mich bei jedem Trainer etabliert. Dass ich im dritten Spiel auf der Bank sitze, ist natürlich nicht zufriedenstellend." Eigentlich, fügte er noch hinzu, habe er "gedacht, dass mich der Trainer auch haben wollte". Das war allerhand. Und wenn man so will: Die erste kleine Rebellion, seit Fröhling Trainer bei 1860 ist.

Tatsächlich stellt sich inzwischen die Frage, wer genau Liendl bei Sechzig eigentlich haben wollte: Fröhling? Nur Sportdirektor Necat Aygün? Oder beide? Beim 0:1 gegen Bochum wurde der Österreicher nach 66 Minuten ausgewechselt, beim 0:3 in Düsseldorf schon nach 45 Minuten. Und am Samstag, beim Unentschieden gegen Kaiserslautern, saß Liendl sogar ganze 85 Minuten auf der Bank. Weil für den 29-Jährigen der acht Jahre jüngere Korbinian Vollmann hinter der einzigen Spitze Stefan Mugosa, 23, spielen durfte.

Er habe der Mannschaft mit der Herausnahme von Liendl Kompaktheit verleihen wollen, sagte Fröhling unmittelbar nach dem Spiel. Am Tag darauf klang seine Begründung etwas anders: Liendl sei in eine Mannschaft gekommen, "in der es ein gewisses System gibt". Und nun brauche er noch Zeit, um sich zu "akklimatisieren". Auf die Frage, ob Liendl sich beim Gegenpressing, also in der Defensivarbeit, noch verbessern könne, sagte Fröhling, Liendl sei eher ein Kreativspieler, "aber jetzt ist auch ein bisschen Kampf angesagt".

Sportdirektor Aygün stärkt in dem Streit die Position von Trainer Fröhling

Der Satz war natürlich ebenfalls allerhand. Fröhlings Plan mit Vollmann funktionierte zumindest insofern, als auch Kaiserslautern lange Zeit harmlos blieb. Erst in der zweiten Halbzeit kamen die Gäste zu Chancen: Chris Löwe traf zunächst das Außennetz (58.), eine Minute später schoss Ruben Jenssen den Ball aus 20 Metern Entfernung zum 1:1-Endstand in die linke Torecke. Vitus Eicher streckte sich vergeblich, er hatte zu weit entfernt vom linken Pfosten gestanden. "Haltbar" sei der Schuss gewesen, gab Eicher später zu, "da braucht man nicht drüber reden." Zu seiner Verteidigung konnte er vorbringen, später mit einem feinen Reflex und einer Parade im Halbspagat einen Siegtreffer von Lukas Görtler verhindert zu haben.

Die Begleiterscheinung des kompakten Münchner Spiels war allerdings eine erstaunliche Ideenarmut in der Offensivbewegung. Auch Sechzigs Führungstreffer kam nur zustande nach einem missglückten Klärungsversuch von Marcus Piossek und dank einer Einzelleistung von Milos Degenek - der aus der Distanz mit einem krachenden Schuss das 1:0 erzielte (15.). Bis auf einen Pfostentreffer von Vollmann zu Beginn der zweiten Halbzeit erspielte sich Sechzig in der ganzen Partie keine Torchance mehr. Trotzdem kam Liendl auch nach dem Ausgleich zunächst nicht in die Partie. Zehn Minuten vor ihm wechselte Fröhling erst noch Stürmer Fejsal Mulic für Mugosa ein. Und fünf Minuten vorher brachte er Mittelfeldspieler Stephane Mvibudulu für Daylon Claasen. "Ich glaube schon, dass ich gestern der Mannschaft hätte helfen können. Speziell in der zweiten Hälfte hatten wir eine Phase im Spiel, in der wir überhaupt nicht rausgekommen sind", urteilte Liendl, der mit einigem Recht festgestellt hat, dass die Mannschaft ohne ihn "zu ungenau agiert" hat.

"Nicht zufriedenstellend": Michael Liendl zeigte seinen Ärger schon vor der Einwechslung. (Foto: GEPAPictures/imago)

"Weil der letzte oder vorletzte Pass zu ungenau gespielt wird." Um den letzten Pass bei 1860 zu spielen, ist Liendl aus Düsseldorf gewechselt.

Es wird nun spannend zu erleben sein, wie Fröhling auf die öffentliche Kritik reagiert. Und ob es ihm gelingt, den Konflikt zu moderieren. Schon am Dienstag muss Sechzig in dieser Englischen Woche nach Sandhausen reisen, am Sonntag steht ein Heimspiel gegen Leipzig an. 1860 ist mit nur drei Punkten aus sieben Spielen Tabellenvorletzter. Verzichten kann Fröhling kaum auf Liendl, zumal ihm ja in Valdet Rama, Rubin Okotie und Stephan Hain derzeit drei Offensivspieler verletzt fehlen.

Sollte Sportdirektor Aygün die Reservistenrolle seines Wunschspielers missfallen haben, über den es vor drei Wochen noch hieß, er werde der Mannschaft "sofort weiterhelfen", ließ er das nicht durchblicken. Die Angelegenheit sei "eine Sache, die wir intern besprechen. Eine Reaktion wird auch kommen", sagte Aygün. Grundsätzlich denke er nicht anders als Fröhling, der Wechsel sei taktisch bedingt gewesen.

Dass der Trainer lieber auf Vollmann setzt, lässt sich allerdings auch als konsequente Fortführung seines radikalen Jugendkonzepts deuten. Sechs Spieler standen am Samstag zeitweise auf dem Platz, die Fröhling schon in der U21 trainiert hat. Er würde wieder so entscheiden, sagte Fröhling: "Der Vollmann hat seine Sache doch ordentlich gemacht."

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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