TSV 1860 München:Ja zur Arena

Die Delegierten entlasten trotz zahlreicher Kritik die Führung des TSV 1860 München und überraschen mit einem Bekenntnis: Die ungeliebte Arena soll auf unabsehbare Zeit ihre Zukunft sein.

Gerald Kleffmann

Franz Maget blickte letztmals in den Saal, dann sprach er, der geborene Versammlungsleiter: "Wir sind fertig. Danke. Das war eine superkonzentrierte Delegiertenversammlung." Der Berufspolitiker sah zufrieden aus, wie seine Tischnachbarn Dieter Schneider und Rainer Beeck, und natürlich durften sie das sein nach diesen vier Stunden am Samstag im "Ballhausforum" in Unterschleißheim.

TSV 1860 vor Mitgliederversammlung

Zukunft in der Arena: 1860-Präsident Rainer Beeck (links) und Trainer Reiner Maurer.

(Foto: dpa)

Das Präsidium um den Vorsitzenden Beeck bleibt weiter ohne formalen Makel im Amt beim finanziell angeschlagenen Fußball-Zweitligisten 1860 München. Es gab weder Pfiffe noch einen Putsch, was einige für möglich gehalten hatten, weil das Präsidium im zurückliegenden Amtsjahr wieder (diesmal zwei) Geschäftsführer verlor und erneut dem wirtschaftlichen Abwärtstrend der Profifußballabteilung wenig entgegenzusetzen hatte. "Das ist ein Vertrauensbeweis", sagte Beeck, der von 177 Delegiertenstimmen elf Neinstimmen und 18 Enthaltungen kassiert hatte und wie Schneider (172/0/5) und Maget (145/13/19) klar entlastet wurde. Beeck, das gab er zu verstehen, hatte keinen anderen Ausgang erwartet. Ruhe auszustrahlen ist sein Gebot.

Wenn es bei der 42. Tagung des obersten Vereinsgremiums die Rubrik "Gewinner des Tages" gegeben hätte, wären zwei Kandidaten in Betracht gekommen: Beeck - und die Arena. Während der Präsident "viel mehr Zuspruch als erwartet" erhielt, wie eine Delegierte meinte, "weil viele wohl kein Chaos wollten", sprachen sich die Klubvertreter quasi mit dem Schlusspfiff der Veranstaltung für einen bedingungslosen Verbleib im Fröttmaninger Stadion aus, das bei zig Löwenfans ein ungeliebtes, ja zuweilen verhasstes Objekt darstellt, weil es dem FC Bayern gehört und einen Verrat an der alten Heimat Grünwalder Stadion darstellt.

Mehrheitlich (87:61) wurde ein Antrag abgelehnt, dass das Präsidium neben der erforderlichen Sanierungsarbeit weiterhin prüfe, ob eines Tages doch noch ein Auszug aus der Arena möglich sei. Das lag auch daran, dass Maget den mündlichen Antrag eines Delegierten so zusammengefasst hatte, dass der Eindruck entstand, es ginge um einen sofortigen Auszug. "Ja, das Ergebnis ist ein Bekenntnis", schlussfolgerte Beeck lächelnd, der an diesem Samstag mehr gewonnen hatte, als auf dem Spiel gestanden war.

Das Bekenntnis ist nun ein Trumpf bei seinem Kurs, die 1860-Führung sieht keine Alternative zur Arena. "Die Arena wird auf unabsehbare Zeit unsere Zukunft sein", stellte Beeck klar. Früher hätte es hier Buhrufe gegeben, doch die Löwenanhänger sind offenbar längst desillusioniert. "Wir müssen wohl bescheidener werden", meinte ein Delegierter, was bei der Lage von 1860 äußerst paradox erscheint. Der Verein muss als Mieter in der extrem teuren Arena bleiben, weil er sich "den Auszug nicht leisten" kann, wie Beeck betonte. Die Abschlagszahlungen wegen diverser Drittverträge würden "eine siebenstellige Summe" ausmachen. "Wir machen uns jetzt nur noch über die Arena Gedanken", sagte Beeck.

Auch wenn die Fakten bei der Versammlung für ihn sprachen, ein Präsident der Herzen wird Beeck für viele wohl nicht mehr werden. Das Treffen mit den Delegierten gab Aufschluss über den Zustand des Vereins, vor allem den seelischen. Unterm Strich ist der wohl als Besorgnis erregend zu bezeichnen.

Eineinhalb Stunden hatten sich die Delegierten die Berichte des Präsidiums und Aufsichtsrats angehört, die teilweise rosig bis himmelhochjauchzend klangen. Beeck meinte etwa: "Ich glaube, dass wir noch nie so produktiv und zielorientiert die Zielaufgaben gemeistert haben" - eine kühne Aussage, immerhin war der Klub Ende Oktober fast zahlungsunfähig. Die Delegierten nahmen auch solche Sätze ruhig zur Kenntnis, doch sie vergaßen sie nicht.

Bei der "Aussprache" kamen sie darauf zurück. Sie stellten kritische, kompetente Fragen, wollten wissen, wieso der jetzige Kader 3,5 Millionen Euro teurer ist als der von 2007, wie die Sanierung gelingen soll, wie das Controlling zukünftig gewährleistet ist, wie schlimm es um 1860 steht, wofür der TSV überhaupt steht und in 15 Jahren stehen soll.

"Furchtbares Rumgeeiere"

Insbesondere Schneider verdeutlichte, dass die Führung absichtlich nicht viel preisgebe. "Ich bitte Sie zu akzeptieren, dass wir nicht über Zahlen sprechen können , weil es das Ergebnis gefährden würde", sagte er und versprach: "Wir werden Sie aber Schritt für Schritt informieren." Die Verunsicherung minderten solche Sätze nicht, "das ist ein furchtbares Rumgeeiere", kommentierte einer und sagte: "Wir werden alleine gelassen."

Dass eine größer werdende Kluft zwischen den Delegierten und der Führung besteht, machte sich auch bei der Debatte über den Zuschauerschwund bemerkbar. Maget vertrat die Meinung, 17.000 Besucher wie zuletzt beim Spiel gegen den FSV Frankfurt "sind eine Schande", die Heimat des Vereins sei "dort, wo die Mannschaft spielt". Ein Delegierter nahm seinen Mut zusammen und erwiderte: "Wenn man das Marktumfeld und die Vorgeschichten von 1860 berücksichtigt, sind die Zahlen sensationell hoch."

Während andere Zweitligaklubs ein paar Tausend Besucher haben, kommen zu 1860 um die 20.000. Zu Beginn der Arena-Euphorie waren es freilich über 40.000 im Schnitt. Beeck schloss daraus: "Die Zuschauer sind einer der möglichen Erlöstreiber." Allerdings erkannte er auch: Eine Markenbildung, die Zuschauer anlockt, "braucht eine Erfolgsstory". Und die bietet 1860 seit Jahren nicht. Was auch die Löwen diskutieren, jedes Argument offenbart ein Gegenargument.

Beispiel? Beeck machte den früheren Geschäftsführer Stefan Ziffzer dafür verantwortlich, dass der nie versucht habe, Kosten zu sparen, und stattdessen die Formulierung vom strukturellen Defizit über drei Millionen Euro kreiert habe, die Verhandlungen bis heute erschwere. Ziffzer erwiderte der SZ: "Diese Aussage finde ich spannend, immerhin saß Herr Beeck in einer Finanzkommission, die zu dem Schluss kam, es gebe keinen Spielraum auf der Kostenseite."

Nach zwei Jahren Schlingerkurs ist wenigstens die Stadionfrage geklärt, die gegründete Stadionkommission war letztlich aus taktischen Gründen installiert, "um dem letzten klarzumachen, dass es keine Alternative gibt", sagte Beeck, schon vor zwei Jahren ein klarer Arena-Befürworter. Auch die Olympiastadion-Debatte war eine Scheindebatte, um Druck beim Verhandlungspartner FCB aufzubauen.

Beeck ist nun sicher, dass etwa die Cateringkosten sinken ("Da wird sich was bewegen") und die Bayern auf Sechzigs Wünsche eingehen werden ("Sind in guten Gesprächen"). Geduld ist aber gefragt. Schneider sprach: "Die Sanierung von 1860 ist eine Drecksarbeit, die mindestens drei Jahre dauert. Unsere Bilanz sieht furchtbar aus. Wir müssen jetzt erst das operative Geschäft in Ordnung bringen." Viel Zeit bleibt nicht. Beeck sagte: "Der Winter wird entscheidend."

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