TSV 1860 München:Ismaik sieht die Hoffnung wachsen

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Nicht für viele Worte bekannt: 1860-Investor Hasan Ismaik. (Foto: imago sportfotodienst)
  • Unter den Augen von Investor Hasan Ismaik gewinnt der TSV 1860 München mit 2:0 gegen den FC St. Pauli.
  • Die Spieler sprechen von neuem Selbstbewusstein, der Verein erhofft sich einen sportlichen und finanziellen Aufschwung.
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Von Markus Schäflein

Die ersten kleinen Schneeflocken dieses Winters fielen auf Giesing, als Hasan Ismaik am Sonntagmorgen um 11.52 Uhr auf dem Trainingsgelände des Fußball-Zweitligisten 1860 München erschien. "How are you", sagte der jordanische Anteilseigner, schüttelte Hände und eilte dann mit seinem Bruder Abdelrahman an den Journalisten und Fans vorbei zu Geschäftsführer Markus Rejek, um mit ihm in die Geschäftsstelle zu spazieren. Dort hielt er eine kurze Motivationsrede an die Mannschaft, lernte Sportchef Oliver Kreuzer kennen und traf den Verwaltungsrats-Vorsitzenden Karl-Christian Bay.

Ismaik schien seinen Besuch zu genießen, er wirkte jedenfalls bestens gelaunt - mehr als "How are you" sprach er allerdings, wie angekündigt, öffentlich nicht. Auch auf die Frage eines Journalisten, wie ihm das Spiel gefallen habe, ließ er sich nicht auf einen Smalltalk ein. Dabei wäre das Spiel vom Vortag gegen den FC St. Pauli doch ein erfreulicher Gesprächsstoff gewesen - Sechzig bot vor den Augen des seltenen Gasts aus Abu Dhabi eine gewohnt kompakte Vorstellung und zwei ungewohnte Traumtore, so dass unter dem Strich ein 2:0 stand und der TSV in der Tabelle immerhin auf den Abstiegs-Relegationsplatz vorrückte, vorbei an Fortuna Düsseldorf.

Liendl trifft aus 30 Metern

Den ersten Treffer erzielte Michael Liendl, der unter dem früheren Trainer Torsten Fröhling als Zugang anfangs wenig berücksichtigt wurde - und nun unter Benno Möhlmann zunehmend so selbstbewusst und spielprägend auftritt, wie sich die Löwen das erhofft hatten. Auf Vorarbeit seines österreichischen Landsmanns Rubin Okotie drosch er den Ball aus 30 Metern einfach mal ins rechte Toreck; der neue 1860-Präsident Peter Cassalette klatschte auf der Vip-Tribüne mit Ismaik ab.

"Mich freut es natürlich, dass es ein schönes Tor war, aber in unserer Lage war es vor allem sehr wichtig", sagte Liendl. "Rubin hat mich freigespielt, ich hatte einen sehr guten ersten Ballkontakt, gleich ein gutes Gefühl - und ich wusste zu 100 Prozent, dass ich schieße", berichtete er. "Denn in der ersten Halbzeit habe ich eine ähnliche Situation gehabt, wo ich nicht geschossen habe, und darüber habe ich mich in der Halbzeit geärgert." Die Erleichterung über seinen Treffer bei Sechzig war groß; er erklärte den Münchner Journalisten: "Das ein oder andere Weitschusstor hab' ich schon mal gemacht."

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In der Schlussphase, als St. Pauli die Defensive entblößte, zelebrierte Liendl dann regelrecht seine Spielgestalterkunst. "Ich spüre jetzt zu 100 Prozent das Vertrauen des Trainers, der immer wieder von mir verlangt, dass ich in die Offensive gehe", sagte er, "wenn du das als Offensivspieler spürst, spielst du auch befreiter auf." Unter Fröhling hatte Liendl teilweise gar einen Sechser geben müssen. Im neuen System ist Milos Degenek nun alleiniger Abräumer. Auf einer Doppel-Acht im zentralen Mittelfeld davor sucht Daniel Adlung neben Liendl noch seine Rolle im Gefüge, aber insgesamt funktionierte die Formation schon ordentlich. "Die Basis ist nach wie vor, dass wir defensiv stabil stehen", merkte Liendl an, "und es gibt keinen Grund zu glauben, dass wir daran etwas ändern müssen."

In der Tat war es auch gegen St. Pauli lange eher ein 0:0-Spiel - bis zwei Traumtore fielen. Für das zweite zeichnete Okotie dann selbst verantwortlich, von der Strafraumgrenze traf er ins linke obere Toreck (56.). "Rubin hat Qualitäten, die es in der zweiten Liga nicht oft gibt", sagte Liendl über seinen österreichischen Landsmann, und die Löwen hegen nun Hoffnung, dass ihre beiden Individualisten aus dem Nachbarland ihre unbestrittenen Fähigkeiten wieder öfter zeigen. Okotie äußerte sich nach der Partie bei Sky zu seiner Zukunft: "Mein Vertrag läuft bis Sommer, und so lange bin ich mindestens Spieler bei Sechzig." Zuletzt war über einen möglichen Weggang der Torjägers der vergangenen Hinrunde im Winter spekuliert worden.

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Danach brach der Stürmer die Interviewreihe ab - die offizielle Begründung lautete, Okotie könne nicht erscheinen, da er zu schlecht sehe. Beim Torjubel sei ihm eine Kontaktlinse herausgefallen. "Ohne Linse sehe ich nur 20 Prozent auf dem linken Auge", erklärte Okotie. Kurioserweise spielte er bis zur 89. Minute weiter. "Es ist dann schwer gewesen, den Ball zu kontrollieren", stellte er wenig überraschend fest. Trainer Benno Möhlmann witzelte: "Jetzt weiß ich wenigstens, dass er Kontaktlinsen hat. Das war mir nicht klar."

Ismaik beim kleinen Derby zu Gast

Hasan Ismaik hatte zum Glück seine Brille dabei - und besuchte nicht nur das 2:0 gegen St. Pauli, sondern schaute am Sonntag auch beim Regionalliga-Derby vorbei. Die U21 gewann vor über 10 000 Zuschauern 2:0 gegen den FC Bayern II, der Investor konnte sich also ein Bild davon machen, welche Stimmung Sechzig in einem kleineren Stadion entfachen kann. Am Samstag in der Arena hatte er ein Plakat im Fanblock gesehen: "Cassalette: Mitgliedervotum respektieren: Raus aus der Arena!"

Peter Cassalette, der neue Präsident, war nach eigenen Angaben "positiv überrascht" vom ersten Treffen mit Ismaik: "Ich hatte gehört, dass er kurz angebunden ist und nicht sonderlich freundlich. Das Gegenteil war der Fall, er war sehr nett." Am Sonntagabend trafen sich Cassalette und Ismaik erneut zum Abendessen.

Aus den finanziellen Aspekten hielt sich der neue Präsident aber heraus. Er "gehe davon aus", dass die Umwandlung von Darlehen in Genussscheine ein Thema des Besuches war, "es kann sein, dass da was gelaufen ist. Aber ich habe ihn jetzt nicht gefragt: Wie viel Geld gibst du uns wann und wofür?" Dafür hatte Cassalette Einblick in einen anderen Punkt der Reise: "Am Montag früh hat Hasan Ismaik, so weit ich weiß, einen Termin beim Oberbürgermeister." Die Fans, die so gerne die Arena verlassen würden, werden es gerne hören.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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