TSV 1860 München:Hochgeschreckt vom Diwan

Regional Liga Bayern TSV 1860 München -  TSV Rosenheim Saison 2017 / 2018

Los, los, wer war’s? Es war nicht Sascha Mölders, der das 1:0 erzielte. Ein Eigentor von Rosenheims Heiß (links, rotes Trikot) brachte die Wende.

(Foto: sampics / Stefan Matzke)

1860 München gewinnt mit mehr Glück als Verstand. Der Trainer macht auch den "mörderischen" Spielplan verantwortlich.

Von Gerhard Fischer

Zu den großen Rätseln des Fußball-Universums zählt die Frage, warum ein Linksfuß schusstechnisch eleganter wirkt als ein Rechtsfuß. Man denke an Diego Maradona, Lionel Messi und Horst Heldt. Nico Andermatt, Spieler des TSV 1860 München, ist ebenfalls ein Linksfuß. Er zauberte am Samstag eine Ecke in den Strafraum von 1860 Rosenheim, aber was folgte, sah plump aus: Tormann Dominik Süßmaier faustete den Ball an den Körper eines Spielers, und von dort prallte er ins Tor. Es war das späte 1:0 für die Löwen (88. Minute), und es folgte ein noch späteres 2:0 (90.+4), weshalb der TSV 1860 München gegen den TSV 1860 Rosenheim 2:0 gewann.

Nur: Wer war der Spieler, von dessen Körper der Ball zum 1:0 ins Tor prallte? Stadionsprecher Stefan Schneider feierte Sascha Mölders. Als er dem Publikum ein "Sascha" entgegen rief, erntete er ein ungeheuer lautes "Mölders". Sollte sich jemand in den Häusern an der Tegernseer Landstraße bei offenem Fenster ein Nickerchen genehmigt haben - denjenigen hob es garantiert vom Diwan hoch. Doch Mölders war es nicht. "Ich war gar nicht in der Nähe des Balles", sagte er nach dem Spiel. Süßmaiers Ballwegklatscher traf den armen Mitspieler Matthias Heiß. Das Eigentor, die Verwirrung um den Schützen - das passte natürlich ganz wunderbar zu dem Nachmittag, an dem 1860 München mehr Glück hatte als Verstand.

Die Gäste wirkten frischer und geordneter, und die Münchner gewannen bloß, weil die Rosenheimer ihre Chancen nicht nutzten. Löwen-Trainer Daniel Bierofka lobte die spielerisch reife Leistung der Gäste. Aber er tadelte die Seinen nicht. Es gebe Gründe, warum es nicht reibungslos laufe und man sich "in diese Saison reinbeißen" müsse. Vier Spiele in gut zwei Wochen - der Spielplan sei "mörderisch", vor allem für die Altvorderen Mölders und Timo Gebhart, die spät zum Kader stießen. "Wir dürfen die nervliche Belastung für die jungen Spieler nicht vergessen", sagte Bierofka, "das ist schon sehr emotional, was auf sie einprasselt". Die Jungs kicken vor 12 500 Zuschauern. Der ganze Verein blickt auf sie. Und halb Bayern. "Weil am Anfang der Saison nicht alles perfekt läuft, müssen wir - wie heute - ein Spiel auch mal über den Willen gewinnen, das gibt den Jungs Selbstvertrauen", sagte Bierofka, der in seinen sorgsamen Spiel-Analysen selten einen Aspekt vergisst.

Der Trainer hatte mutig aufgestellt: Lino Tempelmann, 18, begann im Mittelfeld anstelle von Andermatt, und Stürmer Nicholas Helmbrecht spielte Rechtsverteidiger. Bierofka erhoffte sich von dem erlesenen Techniker einen offensiven Schub über rechts. Aber würde der Schlaks auch robust verteidigen können? Als müsste er die Zweifel in vorauseilendem Gehorsam ausräumen, blockte Helmrecht in der ersten Minute eine Flanke von Mayerl ab.

Das war ein guter Anfang. Mehr nicht. Für die Abwehrkette Helmbrecht, Weber, Mauersberger und Jakob (plus Sechser Wein) trafen später andere Vokabeln zu: flüchtig, fahrlässig, fehlerhaft. Majdancevic, Einsiedler und Lenz hatten Mitte der ersten Halbzeit stattliche Chancen, weil sich im Zentrum der Löwen-Abwehr Räume auftaten, die an die unendlichen Weiten des Universums erinnerten. "Wir waren am Anfang immer einen Schritt zu spät", meinte Gebhart nach dem Spiel, "da hat man gemerkt, dass wir am Mittwoch in Buchbach ein schweres Spiel hatten."

In dieser Phase half der junge Keeper Marco Hiller, der nach seinem Fehler gegen Buchbach eine Bringschuld einlöste. Prächtig war vor allem, wie entschlossen er in der 18. Minute Majdancevic entgegentrat. Der Stürmer, der nebenbei in der Futsal-Nationalmanschaft spielt, war alleine vor Hiller, aber der Löwen-Torwart machte sich groß, wie es in der Fußballersprache heißt, und parierte den Schuss mit breiter Brust.

Bei den Löwen war weiter der Wurm drin, Wein ordnete das Spiel nicht, das an Tempelmann vorbei lief. Und Gebhart hatte in Michael Denz einen bleischweren Bewacher. Je näher die Partie dem Ende und einem 0:0 entgegen taumelte, desto größer wurde die Gefahr, dass sich die Münchner bald quälenden Fragen hätten stellen müssen: Kommt der Alltag schneller als gedacht? Deckt der folkloristische Faktor (die Fans kamen gemütlich aus Kneipen ins Stadion, sie radelten in Löwen-Trikots durch Giesing, sie pfiffen auch an diesem zähen Samstag nicht) noch lange zu, dass es sportlich stockt?

Aber dann patschte Süßmaier die Sorgen weg. Und als Süßmaier am Ende bei einer Ecke im Löwen-Strafraum war, fuhren die Münchner über Köppel einen Konter, der schließlich bei Gebhart landete. Dieser schoss den Ball ins leere Tor. Mit rechts.

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