Neuer Spieler beim TSV 1860 München:Hauptsache Costa Brava

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Sieht aus wie ein Spanier, ist auch einer, kommt aber nicht vom FC Barcelona: 1860-Zugang Rodri, inmitten von Martin Angha (links) und Valdet Rama. (Foto: dpa)

Kuriose Neuigkeiten vom TSV 1860: Rodri, der neue Stürmer des Fußball-Zweitligisten, ist gar nicht direkt vom FC Barcelona nach München gewechselt, sondern aus der dritten spanischen Liga. Ein kleiner Verein freut sich über viel Geld.

Von Philipp Schneider und Oliver Meiler, Barcelona

Rodrigo Ríos Lozano griff sich mit der Hand ans Ohrläppchen, mit zwei Fingern streichelte er das am Vortag beim Laktattest geschundene Fleisch, dazu blickte er staunend in die Runde. Und Rodrigo Ríos Lozano sah: Menschen, die noch mehr staunten als er. Menschen, die schier überrumpelt waren nach einer Aussage, die Rodrigo Ríos Lozano ganz offensichtlich als ziemlich langweilig einstufte.

"Todo bien, todo perfecto", alles super beim TSV 1860 München, so hatte sich der Spanier soeben vorgestellt im kleinen Pressekabuff an der Grünwalder Straße. Der Trainer, die Kollegen: alle nett. Allenfalls das Wetter, okay, das sei etwas ungewohnt, sagte der 24-jährige Stürmer, der gerne "Rodri" genannt werden möchte. Aber sonst? Ach so, ja gut, eine Sache vielleicht: "Das Training mit der Mannschaft ist etwas ungewohnt für mich. Ich habe mich ja zuletzt nur mit einem Privattrainer fit gehalten." Staunen in der Runde.

"Man sollte Informationen haben, die nicht frei zugänglich sind"

Ein Privattraining ist nicht ungewöhnlich für vereinslose Spieler, aber Rodri stand ja beim FC Barcelona unter Vertrag, der ihn zuletzt verliehen hatte nach Almeria. So dachte die Fußballwelt bis zum Donnerstag. Bis Sechzig seinen neuen Stürmer präsentierte, und Rodri plötzlich sprach: "Der Vertrag mit Barça ist aufgelöst." Allein, an wen hatte 1860 dann eine Ablöse für Rodri bezahlt, dem Vernehmen nach zwischen 500 000 und 600 000 Euro?

Rodri wollte auf die Nachfrage natürlich keine Antwort geben, die Aufklärungsarbeit übernahm dafür Sechzigs Sportchef Gerhard Poschner, der geistige Vater des Transfers. "Ziemlich simpel" sei die Angelegenheit, sagte Poschner, die Transferrechte Rodris hätten eben nicht beim FC Barcelona gelegen, sondern: beim Club Gimnàstic de Tarragona, kurz "Nàstic".

Bei einem kleinen spanischen Drittligisten, unweit von Barcelona gelegen. Nàstic darf sich also offenbar über eine für Drittligaverhältnisse sehr stattliche Ablösesumme freuen. Obwohl Rodri nachweislich und meist auf Leihbasis für einige Vereine spielte (Sevilla, Barcelona, Saragossa, Sheffield, Almeria), für Tarragona aber: niemals.

Dass Rodris Transferrechte auf dem Papier überhaupt irgendwann zu Nàstic wechselten, das wurde selbst in Spanien bislang niemals berichtet. Nirgendwo. Nicht einmal in Tarragonas Lokalpresse. "Man sollte gewisse Informationen haben, die nicht frei zugänglich sind", sagt Poschner: "Das war bei den Transfers von Edu Bedia und Ilie Sánchez genauso." Die beiden Spieler wiederum habe er tatsächlich vom FC Barcelona verpflichtet, sagt er.

Nun muss Sechzig und Poschner zugute gehalten werden, dass Klub und Sportchef niemals behauptet haben, Rodri sei ein Spieler von Barça. In der Pressemitteilung wurde der abgebende Verein nicht erwähnt. Doch erstaunlich ist das Geschäft allemal. Zumindest für den FC Barcelona, der Rodri vor drei Jahren angeblich für rund 1,5 Millionen Euro vom FC Sevilla erstand - und ihn dann irgendwann unbemerkt nach Tarragona transferierte. Wann genau, weiß nicht einmal Poschner.

Er sagt: "Für uns ist entscheidend, wo ein Spieler unter Vertrag steht, damit wir wissen, wen wir ansprechen müssen." Im Falle Rodris habe ihm dessen Berater mitgeteilt, dass sich Poschner an Nàstic zu wenden habe: "Wir sind an dem Jungen seit zwei Monaten dran gewesen", sagt Poschner. "Barca hat irgendwann viel Geld ausgegeben für Rodri. Der Spieler hat seine Sache ordentlich gemacht, aber es war auch irgendwann klar, dass es für die erste Mannschaft nicht reichen würde. Und für uns war Rodri ein günstiger Spieler zu einem Preis weit unter seinem Wert."

Das Angebot aus München sei "das beste" gewesen

Lluis Fabregas, Tarragonas Generaldirektor, weiß etwas mehr. Sein Verein habe den Kontakt zu Rodri gesucht, als Rodri noch in Almeria spielte - im Hinblick auf eine Verstärkung des Teams für den Fall, dass Nàstic von der dritten in die zweite Liga aufsteigen sollte. Bis zum letzten Spieltag gab es die Chance, dann verpasste sie Tarragona. Die Rechte am Spieler kaufte man aber schon davor von Barça, "vor einigen Monaten", sagt Fabregas - was für Tarragona eine beträchtliche Investition gewesen sei.

Man habe dem Spieler von Beginn an klargemacht, dass man einen Transfer begünstigen würde, sollte der Klub den Aufstieg nicht schaffen - und Rodri Angebote erhalten. Für Tarragona war das finanziell ein gutes Geschäft. "Claro!", sagt Fabregas. Rodri sei ein wichtiger Spieler. Finanziell betrachtet. Denn gespielt hat er nie, trainiert auch nicht - weil die Vereinsleitung befand, er werde ja sowieso weggehen.

Rodri hätten vor seinem Umzug nach München einige Angebote anderer Klubs vorgelegen, das berichten Fabregas und Poschner - auch aus der ersten spanischen Liga. Warum Rodri dann aber eines aus der zweiten deutschen Liga annahm, das bleibt sein Geheimnis. "Er hatte wahrscheinlich keine Lust, ständig gegen den Abstieg zu spielen, also wechselte er aus denselben Gründen zu uns wie Edu und Ilie", vermutet Poschner. Rodri selbst erzählte am Donnerstag, das Angebot aus München sei "das beste" gewesen.

Wenn Rodri, Privattrainer hin oder her, fit genug ist, dann wird er sich an diesem Freitag (17 Uhr) erstmals beweisen können. In Wörgl, Österreich, bestreitet Sechzig ein Testspiel gegen den Club Nacional aus Paraguay. Und nur, weil Barça ihn zuletzt in die dritte Liga verkaufte, heißt das ja nicht, dass er zuvor nicht einiges gelernt hat.

© SZ vom 05.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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