Trainingsauftakt beim TSV 1860:Große Löwenillusion nach dem Knall

Trainingsauftakt 1860 München

Trainingsauftakt beim Zweitligisten 1860 München

(Foto: dpa)
  • Der TSV 1860 München tut beim Trainingsauftakt so, als sei alles normal. Die Fußballer erinnern in den neuen Trikots an argentinische Weltmeister. Auch ein Übergangs-Präsidium ist gefunden.
  • Doch der Klub startet ohne Transfer in die Vorbereitung - und es werden Details zum geplatzten Deal mit einer deutschen Investorengruppe bekannt.

Von Philipp Schneider

Ein Trainer stand auf dem Platz, Spieler liefen im Kreis, die Vöglein zwitscherten, ein Sportchef gab fleißig Interviews, sogar die Sonne kam für ein paar Minuten hinter den Wolken zum Vorschein. Für diejenigen Besucher, die am Montag vollkommen unvorbereitet durch den Olympiapark spazierten und nicht ganz so sehr mit dem Thema vertraut sind, muss die Szenerie gewirkt haben wie der gewöhnliche Trainingsauftakt einer gewöhnlichen Fußballmannschaft eines gewöhnlichen Fußballklubs. Es wäre ein Trugschluss gewesen.

Denn die Mannschaft, die dort auf dem Nebenplatz des Olympiastadions einen Laktattest über sich ergehen ließ, bestand ja ausschließlich aus den Spielern der Vorsaison. Und so ganz ohne neue Profis startet in diesem Jahr wohl nur ein Klub in die Saison: der Zweitligist TSV 1860 München. Der komplizierteste Fußballverein der Welt, der drei Tage nach dem großen Knall (einem vor allem politisch motivierten Rücktritt des dreiköpfigen Vereins-Präsidiums) ein bisschen so tun wollte, als sei die Lage halbwegs normal.

Und das ging so: Am Nachmittag verschickte Sechzig zunächst eine Mitteilung, in der es thematisch um neue Trikots ging. Sie trug die Überschrift: "Der Löwen neue Kleider". Darin wurde Markus Rejek zitiert, der kaufmännische Geschäftsführer: "Mit den klassischen Längsstreifen in unseren Farben haben wir dem Wunsch vieler Löwenfans entsprochen. Ich denke, dass wir eine sehr gute Mischung aus Tradition und einem schlichten, elegantem Design gefunden haben." Das mochte sein. Allein schon, weil der Löwen neue Kleider aussehen wie der Argentinier alte Kleider bei der Weltmeisterschaft 1978: tiptop.

"Ein bis zwei Spieler" für jeden Mannschaftsteil

Die Illusion einer heilen Löwenwelt mit schönen neuen Leibchen währte allerdings nur 23 Minuten. Dann musste der Verein die nächste Meldung verschicken, Überschrift: "1860-Verwaltungsrat ernennt Übergangspräsidium und sichert Handlungsfähigkeit des Vereins". Demnach hatte Christian Waggershauser, der einen Tag nach dem großen Knall zum neuen Verwaltungsratschef ernannt worden war, schon drei Tage nach dem großen Knall zwei Freiwillige gefunden, die in den kommenden Wochen ein Übergangspräsidium bilden werden: Siegfried Schneider, der ehemalige Vorsitzende des Verwaltungsrats. Und Karl-Christian Bay, ehemals Mitglied in Beirat und Aufsichtsrat der KGaA. Sowohl Schneider als auch Bay waren - anders als beispielsweise der Verwaltungsrat Otto Steiner - im Zuge des großen Knalls zurückgetreten. Dass nun also ausgerechnet Schneider und Bay diejenigen sind, die vorübergehend an die Spitze des Vereins zurückkehren, das lässt nur eine Interpretation zu: Die Vereinspolitik der vergangenen Wochen wird fortgeführt werden. Der große Knall hallt nach.

Schneider und Bay stünden mit ihrer "Integrität und Reputation" dafür, dass die "Interessen des Vereins wirksam vertreten werden", wird Waggershauser entsprechend zitiert. In dem Schreiben wird zugleich angekündigt, dass die am Tage des Knalls abgesagte Mitgliederversammlung am 12. Juli nachgeholt werden soll. Die Interessen des Vereins waren zuletzt: Investor Hasan Ismaik ein Angebot für seine Anteile am Fußballklub (60 Prozent, davon 49 Prozent stimmberechtigt) zu unterbreiten , das er nicht ablehnen kann.

Nach SZ-Informationen war der Vertragsabschluss mit einer deutschen Investorengruppe nur daran gescheitert, dass Ismaik plötzlich und vehement ein verbindliches Angebot (binding-offer) gefordert hatte. Dieses wollte ihm das interessierte Konsortium allerdings erst nach einer sorgfältigen Due-Diligence-Prüfung unterbreiten - die wiederum Wochen dauern könnte.

Auslöser des großen Knalls

Sehr interessiert war der Verein auch an einer Entlassung von Gerhard Poschner. Der wegen seiner Transferpolitik umstrittene Geschäftsführer Sport war ja der Auslöser des großen Knalls gewesen bei 1860.

Schon im Winter hatte das Präsidium um Gerhard Mayrhofer versucht, Poschner zu entlassen und Felix Magath als Sportchef zu installieren. Der Plan war an Ismaiks Widerstand gescheitert. In der Theorie könnten die Vereinsvertreter Poschner auch ohne Zustimmung des Jordaniers entlassen. Davor scheuen die ehrenamtlichen Funktionäre aber zurück. Aus Sorge, Ismaik könne Ende des Jahres Darlehen in Höhe von mehr als sechs Millionen Euro kündigen und den Verein in die Insolvenz stürzen. Und aus privaten Haftungsgründen, ob berechtigt oder nicht.

Ein denkbares Szenario wäre nun, dass die Vereinsmitglieder, die ja ohnehin schon gegen Poschner demonstrierten, am 12. Juli mehrheitlich für die Anwendung der bei der Deutschen Fußball-Liga hinterlegten 50+1-Rechte stimmen, die vorschreiben, dass in einem Verein stets der Verein auch wirklich das Sagen hat. Die Haftung wäre so auf die Schultern des ganzen Klubs verteilt. Nicht auszuschließen ist auch, dass sich Ismaik einem Votum der Mitglieder beugen würde. Der Jordanier hatte zuletzt regelrecht geschockt reagiert, als er erfuhr, dass die Mitgliederversammlung abgesagt wurde. Über seinen Cousin Noor Basha ließ er ausrichten: "Er, als Mitglied und Fan, fordert, dass die Mitgliederversammlung wie geplant stattfindet."

So oder so wird Poschner zunächst einmal die Kaderplanung vorantreiben. Am Montag zeigte er sich abermals sehr reuig und war darauf bedacht, die um seine Position eskalierten Spannungen im Klub zu beruhigen: "Ich rede nicht über Politik, das ist nicht mein Bier", sagte er.

Er fühle sich nach den "großen Fehlern" der vergangenen Saison auf jeden Fall "in der Verpflichtung. Mir ist bewusst, dass Vieles schief gelaufen ist". Eingesehen hat er offenbar inzwischen, dass es ein großer Fehler war, "einfach vorauszusetzen, dass viele gute Einzelspieler relativ schnell ein gutes Ganzes ergeben könnten". 13 Spieler waren es, die Poschner in der vergangenen Saison erstehen durfte. Nicht alle waren gute Einzelspieler. In der kommenden Transferperiode möchte er "für jeden Mannschaftsteil ein bis zwei Spieler holen".

Der beste Spruch kam allerdings von Trainer Torsten Fröhling. Als dem "Sommerloch" geschuldet bezeichnete er das mediale Interesse rund um den großen Löwen-Knall. "So wie es aussieht, sind wir handlungsfähig", meinte er tapfer, ehe er eine Gruppe von 16 Spielern auf den Platz schickte. Und Poschner versprach, sich diesmal mit einem "gesicherten Mittelfeldplatz" zufrieden zu geben: "So eine Saison darf es definitiv nicht mehr geben."

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