2. Bundesliga:"Ich betrachte die zwei Jahre bei 1860 als eine Prüfung von Gott"

2. Bundesliga: Gut zugedeckt: Im Februar 2009 tummeln sich Nicolas Ledgerwood, Nikola Gulan, Marvin Pourie, Torwart Michael Hofmann und Sascha Rösler auf der Bank.

Gut zugedeckt: Im Februar 2009 tummeln sich Nicolas Ledgerwood, Nikola Gulan, Marvin Pourie, Torwart Michael Hofmann und Sascha Rösler auf der Bank.

(Foto: imago sportfotodienst)
  • 1860 München hofft weiter auf den Klassenerhalt - vor allem dank seiner fünf Neuzugänge.
  • Sascha Mölders, Jan Mauersberger, Goran Sukalo, Levent Aycicek und Maximilian Beister verstärken den Kader.
  • Doch auch wegen der Winterzugänge der vergangenen Jahre stehen die Sechzger, wo sie zurzeit stehen.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Die Begeisterung beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München scheint derzeit keine Grenzen zu kennen. 51 200 Zuschauern kamen am Samstag zum Spiel gegen den 1. FC Nürnberg (0:1). Die Hoffnung, dass der Klassenverbleib noch gelingt, ruht in erster Linie auf den fünf Winterzugängen Sascha Mölders, Jan Mauersberger, Goran Sukalo, Levent Aycicek und Maximilian Beister. Sukalo fällt aus wegen Adduktorenproblemen, Beister hat noch Trainingsrückstand. Auch in den vergangenen Spielzeiten war im Winter Bewegung im Kader der Löwen - mit mäßigem Erfolg, weil oft Spieler ohne Zweitliga-Erfahrung geholt wurden. Ganz anders als in diesem Winter.

2008/09

Nikola Gulan (ACF Florenz, 19 Jahre beim Wechsel zu 1860, 3 Spiele, 0 Tore)

Der TSV befand sich im Winter im Mittelfeld ohne Perspektiven nach oben, dennoch wurde groß eingekauft. Der soeben angetretene Sportchef Miroslav Stevic verfügte über so einige Kontakte, was Sechzig unter anderem den Leihspieler Nikola Gulan aus Florenz bescherte. Er startete mit einer Kapselverletzung und kam insgesamt drei Mal, auf drei verschiedenen Positionen, zum Einsatz. Nach einem halben Jahr verließ er Sechzig wieder. Eine "Nikola Gulan original signierte Autogrammkarte 1860" gibt es bei Ebay für 1,00 Euro. Heute spielt er mit Fejsal Mulic, den Sechzig in diesem Winter ziehen ließ, beim belgischen Klub Royal Mouscron-Péruwelz.

Antonio Rukavina (Bor. Dortmund, 25, 112 Spiele, 1 Tor)

In Dortmund fand Stevic einen weiteren Serben zum Ausleihen. Der Rechtsverteidiger wurde Stammspieler und im Sommer fest verpflichtet, weil er sich praktischerweise mit dem nach Dortmund wechselnden Sven Bender verrechnen ließ.

Sascha Rösler (M'gladbach, 31, 38 Spiele, 5 Tore)

Der Stürmer, der für Sechzig 2001 schon im UI-Cup gespielt hatte, unterschrieb bis 2010. Dann wurde der Vertrag mit dem "Hoffnungsträger" (tz) nicht verlängert. Weil Rösler einen Teamabend vor dem Nachtisch verlassen hatte, behielten die Löwen zum Abschied 9000 Euro seines Gehalts ein. "Das war der teuerste Nachtisch meines Lebens", sagte Rösler.

Marvin Pourié (FC Schalke 04, 18, 4 Spiele, 0 Tore)

Der Nachwuchsstürmer lieferte sich eine Trainingsschlägerei mit Torben Hoffmann, der ihm empfohlen hatte: "Halt' die Fresse und spiel' weiter." Für Trainer Uwe Wolf kein Problem ("willkommene Aggressivität"), aber für Pouriés Papa. Er rief: "Marvin, wir gehen!" Wolf rief: "Wenn du jetzt gehst, dann wirst du bei mir nie mehr zum Kader gehören." Pourié ging und kehrte nicht mehr zurück. Sein Papa rief: "Hoffmann, dich krieg' ich noch." Pourié spielte zuletzt bei Zulte Waregem, SønderjyskE Fodbold und FK Ufa.

Stefan Aigner (Bielefeld, 21, 96 Spiele, 23 Tore)

Aigner stammte aus der eigenen Jugend und wurde als Perspektivspieler geholt, wurde dann aber als torgefährlicher Flügelflitzer zum gelungensten Wintertransfer. Er nannte sich selbst "Fan auf dem Platz", wechselte aber 2012, nachdem ihm der TSV 1860 lange kein Angebot gemacht hatte, zu Eintracht Frankfurt.

2009/10

Eke Uzoma (SC Freiburg, 20, 8 Spiele, 0 Tore)

Erneut verbrachte Sechzig den Winter im grauen Niemandsland der Tabelle. Daher - und wohl wegen der bereits besorgniserregenden Finanzlage - beließ es Stevic diesmal bei zwei Zugängen. Der kleine, quirlige Sechser Uzoma, "ein richtiger Wiesn-Fan" (AZ), kam als Leihspieler aus Freiburg und mangels Zweitligahärte nur sechs Mal zum Einsatz. Im Sommer verpflichtete ihn Stevic zur Überraschung aller fest, er hatte nur noch zwei weitere Einsätze und bilanzierte abschließend: "Ich betrachte die zwei Jahre bei 1860 als eine Prüfung von Gott." In diesem Winter wechselte er von FK Subotica (Serbien) zum Drittligisten Chemnitz.

Djordje Rakic (RB Salzburg, 24, 65 Spiele, 13 Tore)

Erst geliehen, im Sommer dann verpflichtet. Hörte gerne Metallica, spielte Klavier und las historische Romane. Aus finanziellen Gründen wollten Geschäftsführer Robert Schäfer und der neue Sportchef Florian Hinterberger den Stürmer bereits im Sommer 2011 verkaufen, Rakic wollte jedoch bleiben. Auch die Fans kämpften mit Plakaten ("Rakic muss bleiben") um ihn. Der teure Rakic blieb, ein Jahr später wurde der auslaufende Vertrag aber nicht verlängert. Zuletzt stand er vor Gericht, weil er die Mieterin seiner Eigentumswohnung in Solln wegen Eigenbedarfs vor die Tür setzte - er gewann den Prozess.

"Number 9 and number 5 are the best"

2010/11

Diesmal betrug der Rückstand auf die Aufstiegsplätze im Winter nur sechs Punkte - dennoch wurde kein Spieler verpflichtet, Sechzig stand ja kurz vor der Insolvenz.

2011/12

Guillermo Vallori (Grassh. Zürich, 29, 93 Spiele, 7 Tore)

Im Vergleich zu seinen kurzlebigen Winterkollegen hat es der Innenverteidiger richtig lange bei Sechzig ausgehalten - er steht noch im Kader. Vallori spendet Geld fürs Tierheim und führt herrchenlose Hunde spazieren. Hassan Shehata, ein Fußballexperte aus Ägypten, den Investor Hasan Ismaik ein Jahr später nach München entsandte, um von ihm eine Einschätzung des Kaders zu erhalten, sagte: "Number 9 and number 5 are the best". Weil sie die größten und stärksten seien. Die 5 trug Vallori.

Maximilian Nicu (SC Freiburg, 29, 25 Spiele, 0 Tore)

Blieb eineinhalb Jahre, wurde meist eingewechselt. Mittlerweile spielt er für den Regionalligisten Unterhaching.

2012/13

Rob Friend (Eintr. Frankfurt, 32, 24 Spiele, 5 Tore)

Tabellenplatz sechs, fünf Zähler Rückstand auf den Aufstiegs-Relegationsplatz, Trainerwechsel (Alexander Schmidt für Reiner Maurer) - die großen Winter-Hoffnungen befeuerten "drei Musketiere für den Aufstieg" (dieblaue24), zuvorderst der große Rob Friend (1,95 Meter). Bis zum Sommer kam der Angreifer regelmäßig zum Einsatz, schoss vier Tore und bereitete drei vor, Sechzig stieg nicht auf. 2013/14 spielte Friend kaum noch und ging im Winter zu Los Angeles Galaxy. Ist noch immer groß und stark. Trug die Nummer 9.

Ola Kamara (SV Ried, 23, 10 Spiele, 0 Tore)

Der Stürmer wurde neben Friend als so genannte "Tor-Kamara" verpflichtet, als "Keintorkamara" nach einem halben Jahr abgegeben. Wechselte danach in seine Heimat Norwegen zu Strømsgodset, wo er wieder klickte (12 Tore in 14 Spielen).

Malik Fathi ( Mainz 05, 29, 15 Spiele, 0 Tore)

Linksverteidiger, ehemaliger Nationalspieler. "Das war eine schnelle Geschichte, sehr spontan", sagte er nach der Vertragsunterzeichnung. Wurde zum soliden Stammspieler, verließ den Klub im Sommer wieder spontan. Spielt nun für den spanischen Drittligisten Atlético Baleares.

Der "Beckham Chinas"

2013/2014

Yuya Osako (Kashima Antlers, 23, 15 Spiele, 6 Tore)

Kurz vor Weihnachten lag 1860 nur drei Punkte hinter dem dritten Tabellenplatz. Aufstiegsvorfreude entflammte die Fans, auch weil der Japaner Osako aus der J-League wechselte. Dort hatte er 19 Tore geschossen - also eines mehr als die gesamte 1860-Mannschaft bis zur Winterpause. "Ob die Christl noch ihren Wok hat?", fragte die AZ zu seiner Begrüßung und erinnerte an Jiayi Shao, den "Beckham Chinas", der von der Wirtin des Löwenstüberls zehn Jahre vorher mit einem Spitzhut und einem Gericht aus einem Wok (durchgehend gewölbte Pfanne, die in der chinesischen und südostasiatischen, jedoch nicht in der japanischen Küche zu den wichtigsten Kochutensilien gehört, d. Red.) empfangen wurde. Zog es im Sommer nach Köln. Als er neulich gegen Bremen einen Eckball zugesprochen bekam, korrigierte er den Schiedsrichter: "Ich war zuletzt am Ball." Feiner Kerl.

Andreas Ludwig ( TSG Hoffenheim, 23, 10 Spiele, 1 Tor)

Spitzname: Lude. Kam auf Leihbasis und Empfehlung der zahlreichen Hoffenheimer Ex-Löwen Kevin Volland, Fabian Johnson und Tobias Strobl. Trainer Friedhelm Funkel lobte den 1,72 Meter großen Techniker bei der Vorstellung als "flexiblen Offensivspieler". Danach allerdings nicht mehr. Spielt jetzt in Utrecht.

Markus Steinhöfer (Betis Sevilla, 27, 18 Spiele, 0 Tore)

Wurde von vielen Menschen fast euphorisch angekündigt. Von Hermann Gerland, seinem früheren Trainer im Nachwuchs des FC Bayern München ("ein ordentlicher Spieler, der 1860 verstärken wird"), Xherdan Shaqiri, der in Basel mit Steinhöfer spielte ("ein super Typ mit einem super Charakter"), und auch vom frühere 1860-Torwart Timo Ochs, der mit Steinhöfer zwei Spielzeiten in Salzburg verbrachte ("ein super Junge und ein guter Typ"). Ist noch immer ein ordentlich guter Supertyp. Wurde bei 1860 nie glücklich.

2014/2015

Anthony Annan (HJK Helsinki, 28, 3 Spiele, 0 Tore)

Drei Spieler wechselten im Winter, um den Abstieg des Tabellen-15. zu verhindern, nachdem Sportchef Gerhard Poschner bereits im Sommer Spieler für drei Mannschaften geholt hatte. Trainer Markus von Ahlen forderte einen Achter, Poschner holt den Sechser Annan: einen früheren ghanaischen Nationalspieler, der zuletzt in Finnland unter Vertrag stand und sich über den Winter in seiner Heimat nur mit Strandläufen fit gehalten hatte. Als Neffe zweiten Grades von Kofi Annan, des früheren Generalsekretärs der Vereinten Nationen, wurde er im Trainingslager in Spanien wie ein Heilsbringer empfangen: Allesfahrer Roman Wöll küsste ihn auf die Wange. Er wurde niemals fit.

Jannik Bandowski (Bor. Dortmund, 20, 16 Spiele, 2 Tore)

Linksfuß, Leihgabe, sprintete die 30 Meter in 3,78 Sekunden. Allerdings nur bis zum Sommer. Dann erlitt er einen Ermüdungsbruch im Fuß. Ist noch da, aber Möhlmann plant die Rückrunde ohne ihn. Im Sommer endet die Leihe.

Krisztian Simon (Ujpest FC, 23, 13 Spiele, 1 Tor)

Ein dünner, schneller Ungar, der sich ziemlich bald am Innenband verletzte, später noch am Kreuzband - und kaum spielte. Löwentrainerlegende Werner Lorant war ob der drei Neuen skeptisch: "Die kapieren's einfach nicht. Also für mich haben die schon seit zehn Jahren keinen Plan."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: