TSV 1860 München:Ganz, ganz unten

1860 Muenchen v Eintracht Braunschweig - 2. Bundesliga

Müder Applaus: Torschütze Christopher Schindler.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Auch der Fanprotest vor dem Spiel bleibt wirkungslos: Der TSV 1860 München verliert gegen Braunschweig 1:2 und steht am Ende der Zweitligatabelle. Wieder geht der Plan des Gegners auf.

Von Markus Schäflein

Vor dem Spiel blieben die grauen Ränge im Fanblock des TSV 1860 München leer; lediglich ein Transparent war zu sehen, darauf stand: "Kein Kampf, kein Biss, keine Leidenschaft - so vergrault ihr noch den letzten Fan." Als der Stadionsprecher die Mannschaftsaufstellung mit pflichtbewusstem Enthusiasmus vortrug, rief diesmal fast niemand die Nachnamen. Pünktlich zum Spielbeginn fand sich die offenbar doch noch nicht vergraulte Anhängerschaft aber auf den angestammten Plätzen ein; und was den Willen anging, präsentierte sich ihre Mannschaft tatsächlich annehmbar.

Was nichts daran änderte, dass sie 1:2 verlor gegen Eintracht Braunschweig, eine Mannschaft, die in dieser Spielzeit auswärts gerade mal einen einzigen Punkt erreicht hatte. Und dass 1860 nun auf dem 18. Tabellenplatz steht, so dass Verteidiger Kai Bülow feststellte: "Wir sind Letzter. Wenn das nicht Abstiegskampf ist, weiß ich auch nicht."

Bülow ersetzte diesmal Gary Kagelmacher in der Innenverteidigung, Sebastian Hertner spielte links in der Viererkette statt Grzegorz Wojtkowiak, womit Trainer Markus von Ahlen auf zwei Problempositionen vom 1:4 in Aue immerhin reagierte. Was allerdings wenig half, weil diesmal ein anderer zwei Mal patzte: Flügelstürmer Daylon Claasen, ebenfalls neu in der Startelf, befand sich des Öfteren ganz hinten, weil man das von Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner gewünschte 4-3-3- System, wie von Ahlen betont hatte, "unterschiedlich interpretieren" kann.

In der 18. Minute war er der letzte, entscheidende Mitwirkende in einer Fehlerkette, die Hendrick Zuck das 1:0 für Braunschweig nach Doppelpass mit Vegar Hedenstad ermöglichte; und in der 49. Minute ließ sich Claasen von Raffael Korte austanzen, der mit einem schönen Außenrist-Lupfer 1860-Torwart Stefan Ortega überwand.

Dieses zweite Tor war besonders ärgerlich, weil Sechzig durch das Kopfball-1:1 von Christopher Schindler (38.) nach einem Freistoß gerade Hoffnung geschöpft hatte und von Ahlen "in der Halbzeit ein paar Dinge im Spielaufbau besprochen" hatte. "Die haben wir sofort umgesetzt - und in dieser Phase kriegen wir das 1:2." Was danach kam, war einigermaßen engagiert, aber wenig zwingend. "Wir sind angerannt ohne Ende, haben Druck gemacht und viel Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte gehabt", meinte Bülow, was aber kaum in Chancen, sondern eher in der Statistik Ausdruck fand (68 Prozent Ballbesitz). Schindler stellte mit nur leichter Übertreibung fest: "Wir haben in der zweiten Halbzeit die ganze Zeit den Ball gehabt."

Neun Punkte nach elf Spielen

Über diese Tatsache waren die Braunschweiger allerdings nur bedingt enttäuscht, denn sie gehörte zu ihrem Plan, wie Mittelfeldspieler Mirko Boland verriet: "Wir wollten das Einfache machen und auf die zweiten Bälle gehen." In Führung gehen, dicht machen - was in der zweiten Liga gerne gemacht wird, machte angesichts der bisherigen Auswärtsschwäche auch der Bundesliga-Absteiger. "Wir haben 90 Minuten diszipliniert und einfach gespielt", lobte Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht.

Wenn es nur so einfach wäre, einfach zu spielen, werden sie sich bei 1860 denken. Das neue Personal wurde ja nicht mit Blick auf Abstiegskampf verpflichtet; nun muss die Mannschaft lernen, was andere schon können. Ihre Möglichkeiten, die sie in der zweiten Hälfte hatten, vergaben sie: Rubin Okotie nach einem Freistoß von Daniel Adlung (59.), Stark nach einem Solo von Okotie (62.). Und der eingewechselte Nachwuchsstürmer Marius Wolf verpasste bei seinem mutigen Zweitliga-Debüt den Ausgleich, weil Braunschweigs Torwart Rafal Gikiewicz mit dem Fuß abwehrte (82.

). Neun Punkte nach elf Spielen stehen also zu Buche, und nun folgen die schweren Spiele im Pokal gegen Bundesligist Freiburg (Mittwoch, 19 Uhr), in Bochum und gegen Düsseldorf. Von Ahlen, wie gewohnt äußerst nüchtern, hatte "inhaltliche Dinge" wahrgenommen, "an denen ich mich orientieren muss: Wir haben uns anders präsentiert als in Aue, haben Torchancen erspielt, waren bei Standards verbessert, sind defensiv relativ stabil geblieben." Er habe "viele Fans gesehen und gehört, die anerkannt haben, dass die Mannschaft ein besseres Gesicht gezeigt hat".

In der Tat blieben größere Unmutsbekundungen aus. Nur ein Protestplakat wurde noch gezeigt; es richtete sich aber nicht gegen die Mannschaft, sondern offensichtlich gegen Gerhard Mayrhofer, der Notvorstand bleibt, nachdem das Oberlandesgericht die Beschwerde von Kläger Helmut Kirmaier gegen seine Einsetzung abwies. Mayrhofer hatte einen 25-jährigen Anhänger wegen Beleidigung angezeigt, der ihn auf Facebook als "Trottel" bezeichnet hatte - der Student soll nun 450 Euro zahlen.

"Der größte Trottel im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant", teilte eine Ultragruppierung mit. Was etwas missverständlich formuliert war, weil der Fan seine Identität Mayrhofer selbst mitgeteilt hatte - aber wohl heißen sollte, dass es nicht so nett war, ihn daraufhin anzuzeigen.

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