TSV 1860 München:Eins minus

Fussball 2. Liga : TSV 1860 Muenchen - VFB Stuttgart

Wutausbruch, Teil eins: 1860-Trainer Vitor Pereira tritt nach dem späten Stuttgarter Ausgleich in die Luft, ehe er sich eine Werbebande zum Aggressionsabbau vornimmt.

(Foto: Christina Pahnke/sampics)

Durch den späten 1:1-Ausgleich des VfB Stuttgart ist die Abstiegszone der zweiten Liga wieder bis auf fünf Punkte herangerückt. Und am Sonntag wartet Aue.

Von Markus Schäflein

Es gehört ja zu den zahlreichen Eigenheiten des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München unter der mittlerweile maßgeblichen Führung des jordanischen Investors Hasan Ismaik, dass er zwar einen Hauptsponsor und einen Vermarkter längerfristig gebunden hat, beide aber dem Vernehmen nach ganz gerne loswerden möchte, weil er angesichts seiner mutmaßlich glorreichen Zukunft an lukrativere Verträge glaubt. Damit allerdings hatte es rein gar nichts zu tun, dass Trainer Vitor Pereira am Mittwochabend eine Werbebande des Hauptsponsors wütend durch die Gegend schleuderte. Es war einfach so, dass ihm ein Tritt in die Luft nicht reichte, um den Frust über den späten 1:1-Ausgleich des VfB Stuttgart abzubauen. Also griff er sich noch den nächstbesten Gegenstand zum Aggressionsabbau.

"Wir hatten 90 Minuten geackert, manchmal passiert es, dass du dann nicht so aufmerksam bist."

"Er ist nicht der ruhigere Typ, so haben wir ihn ja jetzt alle kennengelernt", sagte 1860-Torwart Stefan Ortega, "er ist richtig enttäuscht, dass es nur ein Punkt wurde. Aber das wird sich legen, und dann wird es eine sachliche Analyse geben." In der Tat hatte sich Pereira eine halbe Stunde später in der Pressekonferenz wieder gefangen und schlug versöhnliche Töne gegenüber seinem Verteidiger Sebastian Boenisch an, der mit seinem Aussetzer in der 92. Minute den Ausgleich verursacht hatte. "Wir hatten 90 Minuten geackert, manchmal passiert es, dass du dann nicht so aufmerksam bist und einen Fehler machst", meinte er. "Die Schuld will ich keinem geben. Es ist nicht die Verantwortung eines einzelnen Spielers, es ist meine Verantwortung und die Verantwortung von uns allen."

Fast wäre der Plan, mit dem Pereira seiner Verantwortung gerecht werden wollte, perfekt aufgegangen. In der ersten Spielhälfte hatten sich die Löwen mit laufintensivem Pressing sogar die weitaus besseren Torchancen erarbeitet als der Aufstiegskandidat und waren dann durch Romuald Lacazette auf Vorarbeit von Amilton in Führung gegangen (23.). Mit zunehmender Dauer wurden sie immer defensiver, von 3-4-3 zu 5-3-2 zu 5-4-1 zu 5-5-0, am Ende stand nach der Auswechslung von Ivica Olic kein einziger Stürmer mehr auf dem Platz, und alle Spieler erledigten ihre Aufgaben so fleißig und zuverlässig, dass der verblüffend einfalls- und ratlose VfB zu keiner einzigen Torchance mehr kam. Die 47 100 Zuschauer, mal abgesehen von den Stuttgarter Anhängern, die rund ein Drittel ausmachten, wussten es zu schätzen und gingen trotz der für ein Heimspiel ungewöhnlichen Ausrichtung begeistert mit. Eine Eins mit Stern für seine Taktik wäre Pereira sicher gewesen, hätte der TSV 1860 die Partie gewonnen.

So wurde es eben eine Eins minus. "Wir sind angerannt, wir haben den Ball gehabt, aber keine klaren Situationen", sagte VfB-Trainer Hannes Wolf, was man als Kompliment werten durfte, "da musst du entweder mal ein klares Eins-gegen-eins gewinnen oder einen sehr guten Pass da rein spielen." Beides ließen die Löwen nicht zu, so dass ihnen Pereira nicht zu Unrecht attestierte, "heute sehr reif" gespielt zu haben. Und Mittelfeldmann Stefan Aigner stellte fest: "Wir sind konstanter geworden und unangenehm zu spielen. Wir haben uns langsam gefunden, jetzt wo es auf das Ende der Saison zugeht."

Das ist auch dringend notwendig, denn es handelte sich um eine Eins minus, die die Versetzung gefährdet. Nachdem Arminia Bielefeld gegen Fortuna Düsseldorf (2:1) und völlig überraschend auch Erzgebirge Aue bei Union Berlin (1:0) ihre Partien gewannen, rückte die Abstiegszone bei noch sieben ausstehenden Spielen wieder bis auf fünf Punkte an die Löwen heran - und am Sonntag (13.30 Uhr) müssen sie zum Abschluss der englischen Woche ausgerechnet zu den unter ihrem neuen Trainer Domenico Tedesco erstarkten Auern, die mit einem Sieg nach Punkten gleichzeihen könnten. Amilton und Kai Bülow fehlen dann gelbgesperrt; ob Pereira auch auf anderen Positionen rotieren lässt, wie er es für die englische Woche angekündigt hatte, bleibt angesichts der Brisanz der Partie abzuwarten. Bei einem Sieg gegen den VfB Stuttgart wären es durchaus beruhigendere sieben Zähler auf einen Abstiegsplatz gewesen, aber dazu fehlten ein paar Sekunden. Pereiras Wutausbruch war wahrlich berechtigt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: