TSV 1860 München:Eine durchgestochene E-Mail sorgt bei 1860 für Aufregung

Lesezeit: 3 min

Der TSV 1860 will die Saison unbedingt zu Ende spielen. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

In einem internen Schreiben des Verwaltungsrats­vorsitzenden Drees ist die Rede von einer "Politik der Nadelstiche" gegen Investor Ismaik. Womöglich ist es der Auftakt einer neuen Episode des Machtkampfs.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Die bloßen Zahlen waren nicht das Spektakulärste. Dass sich der Sanierungs-Geschäftsführer Markus Fauser von der Kanzlei Anchor die Rettung des TSV 1860 München ebenso fürstlich wie branchenüblich entlohnen ließ, war kein Geheimnis in Giesing. Er hatte ja auch keinen Regionalligisten zu verwalten, sondern einen erstklassig ruinierten Zweitliga-Absteiger abzuwickeln. Schwarz auf weiß waren die Kosten, deren genaue Überprüfung unlängst Investor Hasan Ismaik angekündigt hatte, nun im Kicker nachzulesen, belegt mit internen Papieren.

So gingen 301 000 Euro an Fausers Kanzlei Anchor, insgesamt wurden 613 000 Euro für die Beratung zur Restrukturierung ausgegeben - beispielsweise 81 000 Euro an die Wirtschaftsprüfer von Deloitte für die Fortbestehensprognose, und kurioserweise 100 000 Euro für ein zweites Gutachten der Kanzlei Andersch mit identischem Ergebnis. Das zweite Gutachten verlangte Ismaik, weil er dem ersten nicht vertraute, es wurde ebenso der 1860-KGaA in Rechnung gestellt.

Ismaik lehnte einen Rangrücktritt ab - so stiegen die Kosten für die Beratung und Sanierung weiter

Der Zwist und das Misstrauen zwischen den beiden Gesellschaftern der Fußballfirma, dem e.V. und Ismaik, kam Sechzig insgesamt teuer zu stehen. "Unterschiedliche Gesellschafterinteressen führten zu äußerst zeit- und beratungsintensiven Verhandlungen", fasste es Fauser in einer Präsentation der Kosten zusammen, die der SZ ebenfalls vorliegt: "Durch die Annahme der ursprünglich diskutierten Rangrücktrittserklärungen für die Gesellschafterdarlehen HAM (Firma Ismaiks, d. Red.) sowie einfachere Verhandlungen zwischen den Gesellschaftern (...) hätte der Rechts- und Beratungsaufwand deutlich reduziert werden können."

Für mehr Aufsehen als die Zahlen sorgte klubintern ein anderes Dokument. In dem Kicker-Artikel wird aus einer Email des Verwaltungsratsvorsitzenden Markus Drees zitiert, die ausschließlich seinen acht damaligen Gremiumskollegen zugegangen war. Darin schreibt Drees von einer "Politik der Nadelstiche" gegen Ismaik. Dass der e.V. von dem Investor künftig weder Geld noch Ideen für die KGaA von dem Jordanier annehmen möchte, haben die Vereinsvertreter offen kommuniziert; auch das Bestreben, in eine Zukunft ohne Ismaik zu gehen, hatten sie mehrmals angedeutet. Hierfür haben sie quasi ein Mandat der Mitgliederversammlung - am liebsten wäre den Mitgliedern ja gar eine Aufkündigung des Kooperationsvertrags gewesen, die nur aus juristischen Bedenken nicht erfolgte.

Da sind Nadelstiche die kleinste machbare Lösung. Vom Inhalt der Mail mochte sich also niemand distanzieren, seit Monaten ist klar, dass Stiche gesetzt werden sollen - dafür kochte die Frage hoch, wer das interne Schreiben durchgestochen hatte. "Aus den Reihen der aktuell amtierenden Verwaltungsräte hat niemand den im Kicker zitierten vertraulichen E-Mail-Verkehr an Dritte weitergereicht", erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Sascha Königsberg, am Dienstag. "Der Verwaltungsrat kennt jedoch mittlerweile den Urheber des Vertrauensbruchs. Die Quelle der Information konnte zugeordnet werden." Der Verwaltungsrat behalte sich "juristische Schritte gegen den Urheber" vor, schrieb Königsberg. "Weitere Indiskretionen aus unserem Gremium können ausgeschlossen werden."

Eindeutig zielt der Brief also auf einen Verwaltungsrat, der mittlerweile zurückgetreten ist, denn nur die Ratsmitglieder hatten die Mail erhalten. Nachdem unlängst auch Richard Ostermeier abtrat, kann man Königsberg nicht unterstellen, direkt Saki Stimoniaris zu nennen; der vor Weihnachten als Verwaltungsrat zurückgetretene MAN-Betriebsratsvorsitzende galt als das einzige Mitglied, das sich eine weitere Zusammenarbeit mit Ismaik vorstellen konnte. In den vergangenen Tagen sorgte in 1860-Kreisen ein Foto für Gesprächsstoff, das Stimoniaris mit Ismaiks Übersetzer Mutaz Sabbagh an einem Flughafen zeigen soll.

Am Mittwochmorgen teilte Stimoniaris mit: "Ich distanziere mich in aller Deutlichkeit von den Vorwürfen, dass ich möglicherweise vertrauliche Unterlagen aus dem Verwaltungsrat des TSV 1860 München an das Fußball-Magazin Kicker weitergereicht hätte. Sollte mein Name weiterhin in diesem Zusammenhang genannt werden, behalte ich mir rechtliche Schritte vor." Bereits zuvor hatte Königsberg sein Statement um den Satz ergänzt, es sei "nicht auszuschließen, dass die vom November 2017 stammende E-Mail von der damaligen Besetzung des Verwaltungsrats an Dritte verbreitet wurde".

Der Verwaltungsrat respektiere "unterschiedliche Ansichten (...), aber keinen Bruch der Verschwiegenheit aus durchsichtigen politischen Motiven wie geschehen", erklärte Königsberg. Womöglich ist es der Auftakt einer neuen Episode des alten Machtkampfs: Es ist davon auszugehen, dass sich die Investorenseite bereits auf die kommende Mitgliederversammlung im Sommer vorbereitet, bei der der gesamte Verwaltungsrat neu gewählt wird.

Unter die Rubrik Politik fällt auch der Umstand, dass Ismaik den vom e.V. mittels 50+1 installierten neuen Geschäftsführer Michael Scharold ablehnt, der dem Vernehmen nach zum selben Gehalt weiterarbeitet, das er in der Finanzabteilung von 1860 ohnehin erhalten hätte. Für diese Ablehnung gebe es "gute Gründe", teilte Ismaik unlängst mit. Offenbar spielt aus seiner Sicht der so genannte Schwarze Freitag eine Rolle, als Sechzig die Drittliga-Lizenz nicht erhielt. An jenem Tag hatte Scharold Ismaik per Email eine Privatperson angeboten, die eine Million Euro gegen 300 000 Euro Gebühr verleihen wollte, um die Lizenz zu sichern.

Es war selbstredend ein Wucherangebot - das andererseits als letzte Möglichkeit, im Profifußball zu verbleiben, eine Überlegung wert gewesen wäre. Scharold war nur der Überbringer der Nachricht. Es war nur ein Angebot. Und letztlich hatte Ismaik dafür gesorgt, dass es überhaupt nötig wurde: Seine Firma Marya Group, so der ursprüngliche Plan, sollte ein Sponsoring von neun Millionen Euro eingehen; eine Million hätte laut den Vorgaben des Deutschen Fußball-Bunds zur Sicherheit allerdings sofort in bar vorgelegt werden müssen, was Ismaik nicht ermöglichen konnte.

Streit bei 1860 München
:"Das ist eine Schande für den deutschen Fußball"

Michael Scharold wird neuer Geschäftsführer beim TSV 1860 München - seine Berufung durch die Vereinsvertreter gefällt Investor Hasan Ismaik überhaupt nicht.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Letztlich kam es jedoch gar nicht mehr dazu, auf den letzten Drücker den eigennützigen Helfer einzubinden - das Sponsoring der Marya Group kam nicht zustande. Stattdessen entschied sich Ismaik für Liga 4. Eine spektakuläre Zahl.

© SZ vom 17.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: