TSV 1860 München:Die Angst geht um

Die Lage ist dramatisch: Der angeschlagene TSV 1860 muss angeblich bis Mitte Januar bei der DFL 5,3 Millionen Euro nachweisen. Erste Kündigungen wurden bereits ausgesprochen - weitere könnten folgen.

Gerald Kleffmann und Andreas Burkert

Am Freitagmittag saß Reiner Maurer wieder im kleinen Containerraum, in dem beim TSV 1860 München die Mediengespräche abgehalten werden. Diesmal war das anstehende Derby der Löwen beim Zweitliga-Rivalen FC Ingolstadt (Sonntag, 13.30 Uhr) das Thema, der Trainer warnte vor dem Gegner: "Der FCI hat die letzten drei Spiele erfolgreich bestritten, zwei davon auswärts und dabei sieben Punkte geholt", sagte Reiner Maurer, der aber natürlich seiner Elf einen Sieg zutraut. 1860 war zuletzt beim Sieg gegen Hertha BSC auch richtig gut in Form, zudem hat er personell wieder mehr Möglichkeiten. Die Langzeitverletzten Stefan Aigner und Kenny Cooper kehren wohl in den Kader zurück.

'Loewen' vor finanziellen Aus: Zweitligist TSV 1860 droht Insolvenz

Ungemütliche Zeiten für den TSV 1860.

(Foto: ddp)

Sportlich nehmen die Dinge für die Löwen also weiterhin einen passablen Lauf, doch die finanzielle Lage spitzt sich trotz des soeben vermeldeten Gehaltsverzichts der Mitarbeiter ganz offenbar weiter dramatisch zu. Bisher hatte die Vereinsführung keine Zahlen genannt, um die es in der laufenden Sanierung des Fußball-Zweitligisten geht. Nach SZ-Informationen hat 1860 München allerdings bis Mitte Januar 2011 der Deutschen Fußball-Liga (DFL) einen Nachweis über 5,3 Millionen Euro vorzulegen, dies bestätigen zumindest mehrere Quellen. Das wäre eine enorme Summe, die Arena-Miete samt allen Kosten beläuft sich beispielsweise auf einen ähnlich hohen Betrag pro Jahr.

Der Teammanager muss gehen

Geschäftsführer Robert Schäfer sagte zu der angeblichen Summe der geforderten Bürgschaften am Freitag knapp: "Das kann ich nicht kommentieren." Die finanziell klammen Sechziger waren vom Kontrollorgan DFL mit strikten Auflagen versehen worden, nachdem ihnen bereits Mitte Oktober wegen Verstoßes gegen die Lizenzierungsordnung zwei Punkte in der Zweitliga-Tabelle abgezogen worden waren.

Am 29. Oktober war Sechzig knapp an der Insolvenz vorbeigeschrammt und überlebte offenbar nur, weil 1860-Funktionäre privates Geld bereitstellten. Wie ernst die Lage offensichtlich weiterhin ist, belegen jüngste Maßnahmen: Der Verein hat dem Vernehmen nach die erste betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Betroffen ist der bisherige Teammanager der Mannschaft und zugleich Leiter der Medienabteilung, Robert Hettich, 35. Der bewährte Mitarbeiter ist seit einem Jahrzehnt im Verein, die letzten Jahre arbeitete er in verantwortlicher Position.

Geschäftsführer Schäfer dementierte zwar am Freitag Hettichs Entlassung und sagte: "Das ist falsch, er ist noch nicht gekündigt." Allerdings sagte er auch: "Wir sind in Gesprächen." Hettich dagegen bestätigte am Freitag auf SZ-Anfrage: "Ich habe mündlich die Kündigung erhalten, die schriftliche soll mir nun zugestellt werden. Ich werde alles von einem Anwalt prüfen lassen. Mehr kann ich dazu nicht äußern."

Weitere Entlassungen nicht ausgeschlossen

Hettich war seit 2005 Sprecher des Vereins, 2007 hat er zudem - weil 1860 sparen musste - zusätzlich das Teammanagement übernommen. Er organisiert alles rund um die Mannschaft, Auswärtsfahrten, Trainingslager, PR- und Sponsorentermine. Seinen Posten als Klubsprecher soll angeblich bereits seit voriger Woche eine Mitarbeiterin der Pressestelle übernommen haben, die 2009 als Praktikantin zu 1860 kam. Offiziell ist diese Umbesetzung bisher noch nicht. Auch eine andere Personalie des Vereins wurde bislang nicht kommuniziert: Finanz-Controller Wolfgang Blumenröder, der von Schäfers Vorgänger Robert Niemann im Sommer engagiert worden war, erhielt kürzlich noch während der Probezeit die Kündigung.

Diese Maßnahme ließ sich juristisch ohne Gegenwehr abwickeln. Im Fall Hettich könnte es freilich anders aussehen. Dass es zeitnah in jedem Fall zu Kündigungen kommen könne, zumindest das bestätigte 60-Geschäftsführer Schäfer am Freitag: "Wir haben explizit nicht betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen", sagte er. "Es gibt Pläne, die ich habe. Aber ich kann nicht sagen, ob das alles möglich ist."

Unter den Mitarbeitern herrscht derweil "große Angst", zumindest ist das zu hören; viele fühlten sich "unter Druck gesetzt", heißt es, und sie trügen den kürzlich zehnprozentigen Gehaltsverzicht angeblich nur deshalb mit, weil sie eine juristische Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang abschreckte. Das alles klingt in jedem Fall etwas anders als das, was Schäfer einem Boulevardblatt mitgeteilt hatte. Am Donnerstag wertete der Geschäftsführer den Gehaltsverzicht der Belegschaft noch als eine Meldung, die ihn schmücke und die auf konstruktive Weise zustande gekommen sei. "Ja, auf jeden Fall, das ist ein klarer Erfolg für mich", sagte Schäfer dort und urteilte erfreut: "Das waren intensive und gute Gespräche. Ich mag es, wenn sich ein Betriebsrat lebhaft präsentiert und die Mitarbeiter mit Überzeugung vertritt."

Was Schäfer nicht erwähnte: Die Mitarbeiter hatten dem Vernehmen nach energisch darum gekämpft, dass bei einem beschlossenen Gehaltsverzicht Schäfer als Gegenleistung schriftlich zusichere, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Schäfer soll diesen Deal kategorisch abgelehnt haben, wie auch der neue Vizepräsident Dieter Schneider. Dafür kam es offenbar zu einem anderen, kleineren Kompromiss.

Den ersten Entwurf zum Lohnverzicht, den Schäfer den Mitarbeitern in der vergangenen Woche vorgelegt hatte und der nur ein paar spärliche Zeilen umfasste, sah eine dauerhafte Gültigkeit der Regelung vor. Nun gilt die Regelung vorerst für ein Jahr. Sollte die Rettung der Löwen bis dahin nicht abgeschlossen sein, müsste wohl neu verhandelt werden müssen.

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