TSV 1860 München:Besuch aus der Parallelwelt

Der frühere ägyptische Nationaltrainer Shehata inspiziert im Auftrag von Investor Hasan Ismaik 1860 München. Es ist ein weiterer Höhepunkt in der Farce, die kein Satiriker absurder hätte entwerfen können

Von Markus Schäflein

Um 12.28 Uhr am Freitag erschien ein neuer Protagonist auf der Bühne an der Grünwalder Straße, auf der das absurde Theaterstück aufgeführt wird, das TSV 1860 München heißt. Ein beiger Aston Martin parkte in der Einfahrt beim Fußball-Zweitligisten, heraus stieg ein Mann mit Schnauzbart, silberfarbenen Haaren und blauem Anzug, umringt von Fotografen und Kamerateams.

Allerlei Gerüchte gingen um: Handelte es sich um Hape Kerkeling, Borat oder einen Gesandten des Satiremagazins Titanic? Aber es war wirklich Hassan Shehata, 63, früher ägyptischer Nationaltrainer und nun Berater des jordanischen 1860-Investors Hasan Ismaik; er war endlich angekommen, begleitet von Ismaiks Cousin und Statthalter Noor Basha, nachdem sich der Antrittsbesuch immer wieder verschoben hatte. "Wir müssen helfen", sprach Shehata, "der Klub muss nächstes Jahr aufsteigen. Deshalb sind wir hier."

Shehata soll nun zwei Wochen lang die Mannschaft begleiten und regelmäßig das Training beobachten, er wird an diesem Samstag (13 Uhr) auch das Auswärtsspiel beim FC St. Pauli sehen. Dann soll er Ismaik einen Bericht abliefern, wie er die sportliche Lage bei 1860 sieht. Er inspizierte Geschäftsstelle und Fanshop, verfolgt von der Traube Journalisten, aber ohne etwas von Gehalt zu reden; dann war Abschlusstraining. Shehata nahm auf einer Bierbank im Löwenstüberl Platz; Wirtin Christl, derzeit Single, war gleich angetan ("Das ist meine Altersgruppe"). Sie brachte ihm einen Espresso, Shehata trank und kuckte und schrieb irgendetwas in seinen Notizblock. Immer noch war er umringt von Kameras. Noch bevor die Übungseinheit zu Ende war, brauste er wieder davon.

Dieser Auftritt war ein weiterer Höhepunkt in der bizarren Geschichte zwischen dem Giesinger Arbeiterklub und dem ersten arabischen Investor im deutschen Fußball, die geprägt ist von Missverständnissen, Streit, gegenseitigen Anschuldigungen und Forderungen. Schon seit langem soll sich Ismaik mit dem Gedanken tragen, die Anteile (60 Prozent/49 Prozent stimmberechtigt) zu verkaufen. Er will dann allerdings die 27 Millionen Euro erlösen, die er hineinsteckte - umso aussichtsloser, als nun Anwalt Michael Scheele die bahnbrechende Erkenntnis verbreitete, Ismaik habe an den Klub "mehr Geld bezahlt, als dieser überhaupt wert ist".

Zuletzt biss der neue 1860-Präsident, Münchens dritter Bürgermeister Hep Monatzeder, mit seiner Forderung nach umgehender Zahlung der im Dreijahresplan vereinbarten 13 Millionen Euro auf Granit; Ismaik schickte kein Geld, sondern einen Anwalt. Der schillernde Münchner Jurist Scheele soll die Details des Kooperationsvertrags darauf prüfen, welche Rechte und Pflichten Ismaik zustehen oder auch nicht.

"Ultimatum ohne rechtliche Substanz"

Vorerst teilte Scheele mit, dass "das Ultimatum ohne rechtliche Substanz" sei. Und am Abend vor Shehatas Auftritt hatte Cousin Basha der Liste von Klubverantwortlichen, die aus Sicht des Investors gehen müssen, dem verabschiedeten Präsidenten Dieter Schneider und dem ungeliebten Sportchef Florian Hinterberger auch noch den Geschäftsführer Robert Schäfer hinzugefügt. "Herr Ismaik glaubt, dass jeder, der eine Position bei 1860 einnimmt, ein Profi sein muss", sagte er. "Kein Amateur."

Trainer Alexander Schmidt ist vom direkten Bannstrahl des Investorenclans bislang weitgehend verschont geblieben; er sei ein "Sohn des Klubs", sagte Basha, was man von Schäfer nicht behaupten könne. Schmidt zog vor Shehatas Ankunft die routinemäßige Pressekonferenz zum Spiel bei St. Pauli durch. "Stellt mir sportliche Fragen, nichts zum Ägypter", bat Schmidt und fügte hinzu, dass die Beobachtung durch Shehata für ihn "kein Problem" darstelle. "Ich bin gastfreundlich zu ihm; wie zu allen Menschen, die freundlich zu uns sind."

Von den Vereinsoffiziellen kam niemand, um Shehata ins Löwenstüberl zu begleiten; die handelnden Personen des Klubs und der Investorenclan leben längst in Parallelwelten. Während Noor Basha gerne als offizieller Scout des Klubs Spieler in Nordafrika suchen würde, haben Schmidt und Hinterberger in Daniel Adlung (Cottbus) den ersten Transfer für die kommende Spielzeit schon fix gemacht; weitere sollen folgen. "Wir haben natürlich jetzt nicht den großen Rahmen", sagte Schmidt, "wir sind ja nicht mit Geld gesegnet." Klar: Mit neuem Geld aus Abu Dhabi können Hinterberger und Schäfer nicht rechnen. Sie wissen ja, dass es nur überwiesen würde, wenn sie abträten. Wenn sie bleiben und Ismaik hart bleibt, haben sie auch ein Problem: Ohne das Geld des Investors könnte der TSV 1860 aufgrund seines strukturellen Defizits nach momentanem Stand kaum länger als eine Spielzeit überleben.

Wobei: Was wäre, wenn Shehata bei seiner Inspektion zu dem Ergebnis käme, dass an der Grünwalder Straße doch ganz gut gearbeitet wird? "Dann", sagt Noor Basha, "muss Hasan Ismaik entscheiden."

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