2. Bundesliga:1860 legt nun doch Einspruch gegen Tor ein - auf Bitte des Investors

15 04 2016 Fussball Saison 2015 2016 2 Bundesliga 30 Spieltag MSV Duisburg 1860 Muenchen

"Aus Lust und Laune zu sagen: 'Jetzt gebe ich mal ein Tor' - das geht nicht": Oliver Kreuzer (li.) und Mittelfeldspieler Lacazette protestieren energisch bei Schiedsrichter Thorben Siewer.

(Foto: imago)

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Die Spieler des TSV 1860 München sahen am Samstagmorgen überwiegend bedröppelt aus, als sie zum Auslaufen kamen. Es waren wohl mal wieder harte Worte gefallen in der Umkleide des Fußball-Zweitligisten, am Tag nach dem 1:2 beim Tabellenletzten MSV Duisburg und dem Abrutschen auf einen direkten Abstiegsplatz.

Und sie kamen diesmal nicht nur von Trainer Benno Möhlmann, sondern auch von den Profis selbst. "Wir haben jetzt auch mal aus Spielerkreisen ehrliche Worte gehört", berichtete Möhlmann: "Ich hoffe, dass jetzt alle begriffen haben, wie hart es wird und was man abrufen muss: hundert Prozent. Mir fehlt immer noch, dass nach dem Spiel alle kaputt und alle fertig sind." Schon in der Pause war Möhlmann wütend gewesen, "weil mehr drin war: Wir haben das Spiel kontrolliert, aber nicht entschlossen auf Sieg gespielt und nicht aufs Tor hingearbeitet."

Sportdirektor Oliver Kreuzer wählte eine andere Herangehensweise. Er könne "jetzt nicht sagen: ,Du bist einen Kilometer zu wenig gelaufen, und du hast nicht richtig gekämpft.' Das ist Wischiwaschi", fand er: "Eine Schiedsrichterentscheidung hat dem Spiel definitiv eine Wendung gegeben!" Er meinte den Duisburger Ausgleich nach der 1860-Führung durch einen Sonntagsschuss von Michael Liendl. "Aus Lust und Laune zu sagen: ,Jetzt gebe ich mal ein Tor' - das geht nicht", klagte Kreuzer, dass Linienrichter Fabian Maibaum mit der Fahne gewedelt hatte, als ein Kopfball von Thomas Bröker vom Innenpfosten abgeprallt, aber wohl nicht vollständig hinter der Linie gewesen war, ehe 1860-Torwart Stefan Ortega ihn wegboxte.

"Die Schiedsrichter werden angewiesen, nur auf Tor zu entscheiden, wenn sie zu hundert Prozent davon überzeugt sind", sagte Kreuzer, "und nicht auf Verdacht." Maibaum habe den Ball "gar nicht sehen können, denn er stand falsch, drei, vier Meter seitlich der Situation". Nicht umsonst habe es nach der Partie eine lange Sitzung mit Schiedsrichter-Beobachter Hellmut Krug und den Referees gegeben, "die haben da stundenlang getagt".

Am Sonntagabend ändert die Geschäftsführung ihre Meinung

Kreuzer kündigte an, Einspruch gegen den Treffer einzulegen; die Löwen machten am Sonntag zunächst einen Rückzieher. "Den Erfolg kann jeder absehen", meinte Geschäftsführer Markus Rejek angesichts des Primats der Tatsachenentscheidung: "Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass wir ablenken wollen." So ähnlich äußerte sich auch Präsident Peter Cassalette: "Wir machen nichts und konzentrieren uns auf den Sport."

Die Investorenseite um Hasan Ismaik sah dies offenkundig ganz anders, denn am späten Sonntagabend entschied die Geschäftsführung auf deren vermutlich recht vehemente Bitte, doch einen Einspruch einzulegen. Für Entscheidungen in den verbleibenden vier Spielen könnte sich die Geschichte in den Hinterköpfen anderer Unparteiischer verankern. "Von uns werden professionelle Leistungen erwartet - und das verlange ich auch von den Schiedsrichtern", sagte Kreuzer, was dann doch davon abzulenken vermag, dass es mit den professionellen Leistungen der Münchner am Freitagabend mal wieder so eine Sache gewesen war. "Ich finde es befremdlich, dass der DFB einen unerfahrenen Schiedsrichter ansetzt für dieses Abstiegs-Endspiel", sagte Kreuzer, "und dann noch einen Linienrichter auswählt, dessen Heimatort 60, 70 Kilometer vom Spielort entfernt ist." Maibaum kommt aus Hagen.

1860 stimmte einst gegen die Torlinientechnologie

Kreuzer sagte es natürlich nicht explizit, aber zwischen seinen Sätzen klang die Möglichkeit an, da könnte eine gewisse Nähe zum MSV das Urteilsvermögen getrübt haben. Wie am Vorabend Ortega, der gefordert hatte, dieses Gespann dürfe nie wieder zum Einsatz kommen (was zu einer Untersuchung des DFB-Kontrollausschusses führen könnte), sprach Kreuzer den Unparteiischen in jedem Fall die Kompetenz ab.

Bei Sechzig herrscht nach dem zweifelhaften Gegentor selbstredend auch Wehmut darüber, dass die Zweitligisten vor zwei Jahren, anders als später die Erstligisten, die Torlinientechnologie abgelehnt hatten - aus Kostengründen. Ironischerweise hatte auch Sechzig damals dagegen gestimmt. "Sie ist für einen Zweitligisten mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Aus einer Studie geht zudem hervor, dass nach Einschätzung der Schiedsrichter nur ein marginaler Anteil der kritischen Ereignisse falsch bewertet wird", wurde Rejek damals in der AZ zitiert.

Schiedsrichter Siewer war 2009 unter Manipulationsverdacht

Diese Technologie hätte Schiedsrichter Thorben Siewer am Freitagabend aus der Kritik gebracht. "So gibt es jetzt leider keine Torkamera, kein Beweisfoto", klagte Kreuzer. Dafür erhielt er noch in der Nacht ein anderes Dokument zugespielt, einen Zeitungsartikel, in dem zu lesen war, dass Siewer 2009 unter Verdacht der Spielmanipulation war. Er wurde damals nach einem halben Jahr vom DFB freigesprochen. "Ich ordne das dem Zufall unter", sagte Kreuzer, "aber irgendwo ist es doch speziell."

Möhlmann interessierte all das nur am Rande: "Letztlich geht es um den totalen Einsatz auf dem Platz. Das begreifen zumindest die Spieler, die sich heute zu Wort gemeldet haben. Wir haben jetzt Braunschweig und St. Pauli, da wollen wir die Basis für die absoluten Endspiele legen" - die gegen Paderborn und beim FSV Frankfurt stattfinden. "Wenn wir dann so stehen, dass wir Paderborn mit einem Sieg überholen können, wäre es noch gut." In Duisburg erwiesen sich die Löwen allerdings nicht als finaltauglich, Möhlmann stellte fest: "Das war nicht das, was man braucht, wenn man es als Endspiel ansieht."

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