TSV 1860 II besiegt Bayern II:Matthias Sammers Miene verdunkelt sich

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Derbysieger: 1860-Spieler Liridon Vocaj (rechts) enteilt Bayerns Rico Strieder. (Foto: Claus Schunk)

Vor den Augen des Bayern-Sportdirektors verliert die zweite Mannschaft des Triple-Siegers 1:2 gegen die Reserve von 1860 München. Die Löwen zeigen große Leidenschaft und machen ihren Trainer "stolz wie Oscar". Am Rande der Partie kommt es jedoch zu 19 Festnahmen.

Von Dominik Fürst

Ein kalter, ungemütlicher Wind fegte am Mittwochabend über die Grünwalder Straße in München-Giesing. Er verlieh der Kulisse etwas Unheimliches: Straßensperren, großes Polizeiaufgebot und - aus dem Bauch des Grünwalder Stadions - Gesänge von tausenden Fußballfans. Es war Derbyzeit in München, und die Atmosphäre hätte nicht passender sein können.

TSV 1860 gegen den FC Bayern - seit neun Jahren sind die Münchner Fußballfans nicht mehr in den Genuss dieses Bundesligaduells gekommen. Am Mittwochabend war es zwar nur ein Regionalligaspiel zwischen den Amateurmannschaften der beiden größten Münchner Fußballklubs, doch immerhin: zu Gast war der Tabellenführer beim Dritten.

Und vor allem das lautstarke Münchner Publikum steigerte dieses Viertliga-Spitzenspiel zu einer denkwürdigen Sportveranstaltung, die am Ende der TSV 1860 II mit 2:1 (0:1) für sich entschied. "Ich muss schon sagen: Ich bin gerade stolz wie Oskar auf die Truppe", jubilierte 1860-Trainer Torsten Fröhling.

MeinungFC Bayern auf Rekordjagd
:Die Tabelle der anderen

Die Stimmungslage ist merkwürdig beim FC Bayern: Der Klub eilt in Champions League und Bundesliga von Rekord zu Rekord, doch Spieler und Trainer reden von Schwächephasen und fehlender Leichtigkeit. Höchste Zeit, dass die Münchner wieder richtig gefordert werden.

Ein Kommentar von Claudio Catuogno

Auch Matthias Sammer dürfte gespürt haben, dass die Münchner Rivalität Blau gegen Rot nach wie vor existiert. Der Sportvorstand des FC Bayern, der das Spiel von der Pressetribüne aus verfolgte, merkte außerdem, dass mit 12.260 Zuschauern mehr Besucher im Stadion waren als einen Tag vorher beim Champions-League-Spiel zwischen Viktoria Pilsen und der Ersten Mannschaft des FC Bayern. Sammer erlebte alle Kuriositäten des Spiels - von Bengalos im Fanblock, über Beinschüsse und Rempeleien auf dem Spielfeld, bis hin zu einer Roten Karte gegen 1860-Spieler Christoph Rech (90.) - bis er sich schließlich kurz vor Schluss in die Münchner Nacht aufmachte.

Sein Nachwuchsteam, der FC Bayern II, lag zur Halbzeit nach einem Tor von Alessandro Schöpf (19.) verdient in Führung. Nach dem Seitenwechsel präsentierten sich jedoch die "Löwen" aggressiver, und wussten zudem einige folgenschwere Schnitzer des Tabellenführers auszunutzen - so wie Liridon Vocaj vor seinem Ausgleichstreffer (47.). Als sich der FC Bayern wieder etwas gefangen hatte, war 1860 mit einem Konter erfolgreich: Mike Ott erzielte den 2:1-Siegtreffer (68.).

Keine Frage, in der Halbzeit war mit den Spielern des TSV 1860 etwas passiert. "Ich habe ihnen gesagt, dass heute mehr als 10.000 Fans da draußen sind, die danach lechzen, wieder Erfolg zu haben", erklärte 1860-Coach Fröhling: "Und ihr könnt machen, was ihr wollt, aber Hauptsache, Ihr zeigt Leidenschaft."

"Es war ein Betriebsunfall"

Der 2:1-Triumph war Balsam für die geschundenen Gemüter der "Löwen"-Anhänger, deren A-Mannschaft gerade den sportlichen Niedergang in der zweiten Bundesliga erlebt. "Die Fans haben viel gelitten, und wir sind ihnen einiges schuldig", sagte 1860-Abwehrspieler Necat Aygün, der kurz vor Spielende das Stadion zum Beben brachte, als er eine letzte Bayern-Chance per Frontalgrätsche vereitelte.

Abgesehen von der emotionalen Bedeutung dieses Regionalliga-Spitzenspiels, stellt sich die sportliche Lage auch nach der Partie recht einfach dar: Der FC Bayern II bleibt Tabellenführer, und hat noch immer acht Punkte Vorsprung auf die Verfolger FV Illertissen und TSV 1860 II. Daher analysierte Bayern-Coach Erik ten Hag auch recht nüchtern: "Das war unsere dritte Niederlage. Bisher haben wir darauf immer gut reagiert. Es war ein Betriebsunfall."

Nichtsdestotrotz herrschte am Mittwochabend eine Stimmung im Grünwalder Stadion, die Fußballnostalgikern Tränen in die Augen getrieben hätte. Zu den unschönen Szenen der Partie gehörten die zahlreichen Feuerwerkskörper, die sowohl im Bayern-, als auch im 1860-Fanblock abgebrannt wurden, und wegen denen Schiedsrichter Lothar Ostheimer die Partie immer wieder unterbrechen musste.

Am Rande des Derbys kam es auch zu mehreren Schlägereien, die von Einsatzkräften geschlichtet werden mussten, und bei denen zwei Menschen leicht verletzt wurden. Die Polizei nahm 19 Personen fest. Einige TSV-Anhänger hatten zudem vor dem Spiel den Mannschaftsbus des FC Bayern mit Flaschen beworfen.

Als dann im Stadion beide Fanlager ihre Bengalos zündeten, setzte auch Matthias Sammer eine ernste Miene auf, die sich mit jedem Gegentor ein Stückchen mehr verdunkelte. Mitten in Giesing, in dieser kalten Münchner Nacht.

© Süddeutsche.de/fued/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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