TSG Hoffenheim:Schön kuschelig

Die Hoffenheimer setzen ihren Aufwärtstrend unter Julian Nagelsmann fort. Der junge Trainer versucht den Kult um die sogenannte "Nagelsmann-Tabelle" zu bremsen, in der die TSG auf Platz drei hinter Bayern und Dortmund rangiert.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Dieser Hype um diese Tabelle, die seinen Namen trägt, sei ihm zu viel, sagt Julian Nagelsmann. Es ist ja auch nur ein inoffizielles Ranking, von dem da gerade oft die Rede ist im Zusammenhang mit der derzeit so erfolgreichen TSG Hoffenheim und ihrem erst 28 Jahre alten Trainer. Aber die sogenannte "Nagelsmann-Tabelle", die die Punkte zählt, seit der mutige Jungtrainer in Hoffenheim vom zurückgetretenen Huub Stevens übernahm, befördert einen Personenkult, der Nagelsmann eher unangenehm ist. Er sei ja nicht der beste Trainer der Welt, sagt er und zählt vorbeugend gleich auf, wer gerade noch so alles zum Erfolg der TSG beitrage: Spieler, alle im Trainerteam, Betreuer, Funktionäre, Fans. Bescheidenheit ist kein schlechter Ratgeber für einen, den manche nach zehn Wochen in der Bundesliga zum "Zauberlehrling" der Zunft überhöhen.

Auch das 2:1 gegen Hertha BSC schreibt diese Erfolgsgeschichte fort. Als Nagelsmann antrat, lag die TSG mit 14 Punkten als Vorletzter sieben Zähler hinter Frankfurt. Seit diesem Wochenende besitzt die TSG 34 Punkte, steht auf Rang 13 und hat die Eintracht als Vorletzten auf sieben Punkte distanziert; in der Zeit mit Nagelsmann gewannen nur Bayern und Dortmund mehr Punkte als die TSG. Die schöne Ausbeute in der Nagelsmann-Tabelle hat aber einen Haken: In der offiziellen Tabelle wird die gesamte Saison dokumentiert - und weil am Wochenende einige Konkurrenten gewannen, kann sich Hoffenheim trotz der hübschen Serie des Klassenverbleibs immer noch nicht sicher sein.

Restprogramm Abstieg

10. SV Darmstadt 98 (34:44) 35 Punkte: Köln (Auswärtsspiel), Frankfurt (Heimspiel), Hertha BSC (A), Mönchengladbach (H).

11. Hamburger SV (35:43 Tore) 34 Punkte: Bremen (H), Mainz (A), Wolfsburg (H), Augsburg (A).

12. 1. FC Köln (29:37) 34 Punkte Mainz 05 (A), Darmstadt 98 (H), FC Augsburg (A), Werder Bremen (H), Borussia Dortmund (A).

13. TSG Hoffenheim (35:45) 34 Punkte: Mönchengladbach (A), Ingolstadt (H), Hannover (A), Schalke 04 (H).

14. FC Augsburg (38:48) 33 Punkte: VfL Wolfsburg (A), 1. FC Köln (H), Schalke 04 (A), Hamburger SV (H).

15. VfB Stuttgart (46:60) 33 Punkte: Borussia Dortmund (H), Werder Bremen (A), Mainz 05 (H), VfL Wolfsburg (A).

16. SV Werder Bremen (42:61) 31 Punkte: Hamburg (A), Stuttgart (H), Köln (A), Frankfurt (H).

17. Eintracht Frankfurt (29:49) 27 Punkte: Mainz 05 (H), Darmstadt 98 (A), Borussia Dortmund (H), Werder Bremen (A).

18. Hannover 96 (26:54) 21 Punkte: FC Ingolstadt (A), Schalke 04 (H), Hoffenheim (H), Bayern München (A).

Der junge Trainer hat die Mannschaft in kurzer Zeit von ihren Fesseln befreit

Ein direkter Abstieg scheint nur noch theoretisch möglich zu sein, aber die Relegation ist bei drei Punkten Vorsprung auf den Sechzehnten Bremen und vier ausstehenden Spielen eine reale Bedrohung. Angesichts der Lage wäre ein Unentschieden gegen Berlin fast zu wenig gewesen. Nagelsmann sagt: "Es bleibt kuschelig da unten.

Vor dem Kamin ist kuschelig schön, in der Tabelle ist kuschelig eher ungünstig." Nagelsmann hat es offenbar schnell verstanden, die ernste Lage durch lässige Formulierungen zu entkrampfen. Seine Ansprachen sind klar, nicht immer sucht er ein Vier-Augen-Gespräch, um Spieler anzustacheln. Manchmal genüge auch ein "bisschen Trashtalk auf dem Weg zum Trainingsplatz", sagt er. Nagelsmann hat in sehr kurzer Zeit ein Team, das sich unter Stevens in die innere Emigration zurückgezogen hatte und dem Abstieg entgegentaumelte, von ihren defensiven Fesseln befreit und auf neue Vorgaben eingeschworen. Gab es am Anfang nur die Vorwärtsverteidigung als Mittel, um Siege einzufahren, so hat Nagelsmann diese bedingungslose Attacke nach dem 1:5 in Stuttgart erst mal abgeschafft. "Wenn man merkt, etwas funktioniert nicht, muss man es ändern", sagt er. Auch der Gegner habe schließlich einen Plan. Die Hoffenheimer rennen am Ende eines Spiels nicht mehr so oft blind ins Verderben wie noch unter Vorgänger Markus Gisdol. Im Gegenteil: Derzeit holt die Mannschaft spät Punkte, beim 1:1 gegen Köln erzielte Kevin Volland den Ausgleich in der Nachspielzeit. Und gegen die Hertha, die vier Tage vor dem Pokal-Halb- finale gegen Dortmund zum dritten Mal in der Liga ohne Sieg blieb, köpfelte der erstaunliche Mark Uth fünf Minuten vor Abpfiff den Siegtreffer. Mit Nagelsmann ist das Spielglück zurück in Hoffenheim.

Man muss nicht von allen taktischen Winkelzügen dieses Trainers überzeugt sein, aber die Richtung stimmt offenbar, die Gesamtstimmung ist positiv. Der Gedanke an ein Scheitern hat in den Köpfen der Spieler offenbar keinen Platz mehr.

"Die Gier, Siege mit unseren Fans zu feiern, muss unser Antrieb sein. Es gibt nichts Schöneres", sagt Nagelsmann. Und Kevin Volland, der ebenso wie die meisten seiner Kollegen seit ungefähr zehn Wochen deutlich besser spielt, sagt: "Es fühlt sich einfach geil an, wenn du regelmäßig wieder gewinnst oder Punkte holst."

1899 Hoffenheim - Hertha BSC

Positive Körpersprache im Abstiegskampf: Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Am Ende dieses Tages hatten die Hoffenheimer nicht nur drei Punkte geholt, sondern sich auch die Tageswertung in der Rubrik "bester Konter" gesichert. Klub- mäzen Dietmar Hopp reagierte auf heftige Schmähungen aus der Hertha-Kurve unter Verweis auf den Berliner Investor: "Unser Sieg war die richtige Antwort. Die werden ja von einem Hedgefonds finanziert."

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