TSG gewinnt bei der Hertha 3:1:Fingerzeig nach Europa

Hertha BSC - 1899 Hoffenheim

Filmreife Gestik ist nicht Sandro Wagners Problem. Und auch sonst lief alles ziemlich rund für seine TSG Hoffenheim beim 3:1-Auswärtssieg in Berlin.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Hoffenheim liefert weiter Spektakel: Nach einem beeindruckenden Auswärtssieg in Berlin, inklusive einer kinotauglichen Verletzungspause, nimmt die TSG Kurs auf die Champions League.

Von Javier Cáceres, Berlin

Ein bisschen kam sich Sandro Wagner vor wie im Film. Wie "im Actionfilm", wie der Stürmer der TSG Hoffenheim sagte, nachdem seine Mannschaft die Hertha aus Berlin mit 3:1 besiegt und damit die erst zweite Heimniederlage der Spielzeit zugefügt hatte.

Tatsächlich ist das, was Wagner nach knapp einer Viertelstunde Spielzeit der ersten Halbzeit widerfuhr, nur Konsumenten von Filmen bekannt, die vor Blut triefen. Wagner renkte sich bei einem Zweikampf den linken Zeigefinger aus - ohne zu wissen wie, und ohne Schmerzen zu empfinden, wie er sagte: "Ich war voller Adrenalin." Nur der Blick auf den Finger "war ein Schock", wie Wagner gestand. Doch der ging so rasch wieder vorbei wie der Doktor der Hoffenheimer ("Der Arzt meines Vertrauens", erzählte Wagner) den Finger des Stürmers wieder eingerenkt und schließlich mit einem roten Tape-Verband gestützt hatte. Ohne Narkose am Spielfeldrand, vor aller Augen - und damit auch vor jenen des Trainers Julian Nagelsmann, der sich dabei an ein anderes Kino-Erlebnis erinnert fühlte.

"Er hat wie E.T. seinen Finger hoch gestreckt, aber er hat nicht zum Himmel gezeigt, sondern wieder Richtung Boden", sagte Nagelsmann, was zweierlei lehrte: Erstens, dass Nagelsmann etwas mit E.T. anfangen kann, was insofern bemerkenswert ist, als er, der jüngste Trainer der Bundesliga, im Jahr 1987 zur Welt kam, als Steven Spielbergs "E.T." (1982) schon so etwas wie ein Klassiker der Filmgeschichte war. Und zweitens, dass Wagners Verletzung nur halb so schlimm war. "Der Finger behindert mich auf dem Weg nach Europa nicht", sagte Wagner selbst mit Bestimmtheit. "Im Dartspielen würde er vielleicht fehlen, im Fußball nicht", ergänzte Nagelsmann.

Fußball in CinemaScope

Nach ihrem Sieg in Berlin liegen die Hoffenheimer nunmehr als Dritter acht Punkte vor dem Fünftplatzierten: Die Champions-League-Träume, die Hoffenheims Boss Dietmar Hopp hegt (der von Herthas Anhängern wieder mit wilden Flüchen belegt wurde), nehmen immer realistischere Züge an. Im gleichen Maße, wie die Hertha wieder einzubrechen droht wie im Vorjahr, als man auf der Zielgeraden der Saison aus der direkten Qualifikation für die europäischen Plätze rutschte.

Es war, wie alle Beteiligten sagten, ein vollauf verdienter Sieg der Hoffenheimer, die zwar nicht über die volle Distanz der Partie Fußball in CinemaScope boten, aber immer wieder muntere und gefällige Kombinationen präsentierten. Nagelsmanns Team konnte im Übrigen für sich reklamieren, einen Rückstand wettgemacht zu haben. Zur Verblüffung aller hatte der slowenische Rechtsverteidiger Peter Pekarik zum ersten Mal in seiner schon 151 Spiele währenden Bundesliga-Karriere ins gegnerische Tor getroffen (32. Minute).

Doch um es mit einem eng mit Berlin verwobenen Kino-Titel zu sagen: Hoffenheim antwortete mit "Eins, Zwei, Drei": Erst traf der Kroate Andrej Kramaric per Handelfmeter (39.) und zum Ende nach Vorlage von Wagner zum Endstand (86.), zwischendrin markierte Niklas Süle mit einem grandiosen Rechtsschuss in den Winkel aus 25 Metern (76.). "Dies ist mein Lieblings-Sieg der laufenden Saison, denn wir haben viel Charakter und ein großartiges Spiel gezeigt", sagte Kramaric, der in der 66. Minute das Aluminium traf, auch Demirbay traf in der 68. nur den Pfosten.

Kurioser Luxus: Der FC Bayern als Testgegner

Dass Hertha seine zweite Heimniederlage der Saison hinnehmen musste, hatte allerdings auch mit einem Cocktail harter Entscheidungen des Schiedsrichters zu tun. Sie führten dazu, dass Maximilian Mittelstädt, 20, in der 58. Minute per Ampel-Karte des Feldes verwiesen wurde. Seine erste Verwarnung sah Mittelstädt, weil er den Handelfmeter verursacht hatte. Er hatte den Ball nach einer Reflexbewegung im Strafraum regelwidrig berührt. Die zweite Gelbe Karte aber war umstrittener: Mittelstädt war mit edlen Absichten in den Zweikampf mit Hoffenheims Nadiem Amiri gegangen. Doch er rutschte auf dem Ball aus und traf dann Amiri mit offener Sohle am Knöchel. In Unterzahl hatte Hertha keine Chance mehr, für Entlastung zu sorgen. "Es war ein verdienter Sieg für Hoffenheim. Aber es war für uns ein bisschen unglücklich heute", erklärte Herthas Trainer Pal Dardai.

Während die Hertha in der kommenden Woche in Mönchenglabdach seine unheimliche Auswärtsschwäche - nur neun Punkte aus 13 Auswärtsspielen - überwinden muss, um weiter von Europa zu träumen, empfängt Hoffenheim den Spitzenreiter FC Bayern. "Das wird ein Test für das, was uns in der kommenden Saison erwartet", sagte Kramaric und meinte: die Champions League, die nun so greifbar nahe ist. Die Hoffenheimer werden sich nicht verstecken, zumindest kündigten sie dies an: "Wir werden mutig sein", versprach Trainer Nagelsmann.

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