TSG-Coach Markus Gisdol :Unterwegs mit schwerem Rucksack

Nach dem 0:1 gegen den Hamburger SV bleibt die Zukunft des Hoffenheimer Trainer ungewiss. Der Mäzen trifft sich mit dem Mannschaftsrat.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Wenn eine Mannschaft in der Krise sich explizit für den in die Kritik geratenen Trainer ausspricht, erhofft sie sich im nächsten Spiel ein Erweckungserlebnis. Die Spieler der TSG Hoffenheim haben genau das getan, als öffentlich über die Ablösung von Markus Gisdol und Dissonanzen zwischen Team und Trainer spekuliert worden war. Am Dienstag voriger Woche waren Kapitän Pirmin Schwegler, Eugen Polanski und Kevin Volland in den Golfklub St. Leon-Rot einbestellt worden. Von Dietmar Hopp, dem Patron des Klubs. Er wollte die Stimmung ausloten. Was Hopp hörte, bewahrte vermutlich nicht nur Trainer Gisdol vor der sofortigen Entlassung.

Freitagnacht stand dann Pirmin Schwegler, der Kapitän nach dem 0:1 gegen den Hamburger SV, lädiert vor den Journalisten, sein Gesicht war mit zwei Pflastern versehen. Äußere Kratzer. Nicht so schlimm wie die die übrigen Probleme: "Wir haben gezeigt, dass wir kein Alibi suchen wollten. Jetzt konnten wir keine Argumente liefern - und haben wieder versagt."

Derzeit kann Gisdol tun, was er will - es greift nicht

Die TSG Hoffenheim verbleibt nach einer bemerkenswerten Woche auf einem Abstiegsplatz. Mit sechs Niederlagen aus zehn Spielen. Erneut bekam die Mannschaft das entscheidende Gegentor kurz vor Abpfiff, diesmal durch Pierre-Michel Lasogga (88.). "Der Versuch, der Mannschaft und dem Verein einen großen Ruck zu geben, ist fehlgeschlagen", so Schwegler. Wie ein Aufbruch sah das krampfige Gerumpel der TSG auch nicht aus. Schwegler erklärte erschöpft wie sonst nur am Ende einer Saison: "Wir sind leer. Wir haben viel versucht, in dieses Spiel reinzupacken."

1899 Hoffenheim - Hamburger SV

Vertrauen fast verspielt: Markus Gisdol sieht beim Spiel gegen den HSV die Felle davonschwimmen.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Das sah auch Markus Gisdol so: "Man hat der Mannschaft deutlich angemerkt, dass sie ein bisschen was mit sich rumträgt." Er fügte an: "Die Ereignisse dienten nicht dazu, Sicherheit ins Trainerteam und die Mannschaft zu bekommen." Gisdol hatte überraschend erstmals Adam Szalai als Mittelstürmer aufgeboten, im Sommer scheiterte der Verkauf des Ungarn, bis Freitag war er von Gisdol ignoriert worden. Szalai spielte nicht schlecht, aber die Rückversetzung des chilenischen Angreifers Eduardo Vargas auf die Zehnerposition erwies sich als falsch. Vargas machte sein schlechtestes Spiel im TSG-Dress. Derzeit kann Gisdol tun, was er will - es greift nicht.

Das HSV-Tor wurde von zwei Ex-Hoffenheimern vorbereitet

Und die Mannschaft will immer zu viel. Auch am Freitag. Trotz Unterzahl - Verteidiger Ermin Bicakcic hatte in der 68. Minute nach einem Foul gegen den eingewechselten Sven Schipplock die Gelb-Rote-Karte gesehen - spielte Hoffenheim auf Sieg. Verteidiger Jeremy Toljan scheiterte jedoch in bester Position an HSV-Torwart Rene Adler in der 87. Minute - und machte nur 60 Sekunden später einen entscheidenden Fehler, der das 0:1 einleitete. "Das Gegentor war ein Spiegelbild unserer Saison", haderte Gisdol. Es passte ins Bild, dass der Treffer durch zwei ehemalige Hoffenheimer vorbereitet wurde: Michael Gregoritsch und Sven Schipplock.

Schema & Statistik

Alle Daten und Fakten zum Spiel stehen hier.

Die TSG Hoffenheim steckt in einer schweren Krise. Gisdol und Sportdirektor Alexander Rosen hatten erst hinterher von den Spielern vom Treffen zwischen dem Mannschaftsrat und Hopp erfahren. Dass sie darüber nicht erfreut waren, ist klar, auch wenn beide betonten, dass "Herr Hopp der Klubboss ist und das Recht hat, das zu tun". Für Rosen aber war der Fakt, dass dieses Treffen öffentlich wurde, "das Enttäuschendste: Wir sehen, dass die Reihen leider nicht geschlossen sind".

Was Rosen schon nach der 2:4-Niederlage zuvor beim VfL Wolfsburg erklärt hatte, wiederholte er nach dem HSV-Spiel: Er glaube nach wie vor an die Konstellation mit Gisdol und halte einen Trainerwechsel nicht für ein Allheilmittel. Ob er noch die Deutungshoheit hat? Rosen weiß: "Über mir stehen Geschäftsführer und Gesellschafter, wir werden Gespräche führen."

Bei Klubchef Hopp hat der Trainer kaum noch Kredit

Wie diese ausgehen, wird spannend. Sportlich liefert die Mannschaft derzeit keine Argumente für den Verbleib des Trainers. Und bei Klubpatron Hopp hat Gisdol kaum mehr Kredit nach einer von Dissonanzen begleiteten Vertragsverlängerung im Frühjahr und der sportlichen Rückentwicklung. Vor zweieinhalb Jahren rettete Gisdol die TSG vor dem Abstieg und emanzipierte sich von Hopp und dessen einflussreichen Freunden. Gisdol und Rosen haben sich damit nicht nur Freunde gemacht. "Herr Hopp", sagt Rosen jetzt, "ist der Klubboss, an ihn werden auf verschiedenen Kanälen Dinge herangetragen."

Rosen erklärte aber auch, seine und Gisdols Zukunft seien nicht aneinander geknüpft. "Ich halte Markus für einen tollen Trainer und Menschen. Das wird auch so sein, wenn wir einmal nicht mehr miteinander arbeiten. Ich hoffe aber, dass dieser Zeitpunkt noch weit entfernt ist." Wie weit, ist völlig offen. Am nächsten Wochenende wartet schon der 1. FC Köln.

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