Triathlon:Ende der Wanderjahre

Triathlon: Jetzt auf der Langstrecke: Anne Haug (hier bei Olympia in Rio) startet am Sonntag bei der EM in Frankfurt.

Jetzt auf der Langstrecke: Anne Haug (hier bei Olympia in Rio) startet am Sonntag bei der EM in Frankfurt.

(Foto: imago sportfotodienst)

Anne Haug hat sich nach zwei schweren Jahren in die Weltspitze zurückgekämpft - und trägt die Hoffnungen der deutschen Triathleten auf eine Medaille in Rio.

Von Johannes Knuth

Die Triathletin Anne Haug mag die einfachen Spielregeln ihres Sports, der manchmal so verflixt schwer zu bändigen ist. Haug ist auf der olympischen Distanz aktiv, 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren, zehn Kilometer Laufen, ein Sprint im Vergleich zur mythenumwehten Langstrecke. Aber manchmal liegt das Schwere eben im vermeintlich Leichten. "Wenn man bei uns einen schlechten Moment hat, ist man raus. Das ist das Faszinierende", sagt Haug lächelnd: "Oder das Nervige."

Neulich, in Kapstadt, ist Anne Haug, 33, aus Bayreuth, durch beide Gefühlswelten gewandert, in einem Rennen. Nach dem Schwimmen reihte sie sich in der Verfolgergruppe ein, beim Radfahren schloss sie zur Spitze auf, beim Laufen steuerte sie einem Podiumsplatz entgegen. Erst kurz vor dem Ziel entglitt ihr der dritte Platz, Flora Duffy von den Bermudas stahl sich an Haug vorbei; die Deutsche wurde Vierte. "Der Kopf war nicht stark genug. Oder zu schon zu glücklich", sagt Haug. Am Ende legte sich dann doch Freude über ihren zarten Frust, mit ihrem vierten Platz hatte sie ja die Leistungsbestätigung für die Sommerspiele im August eingereicht, ihre Zulassung für Rio gesichert. Die Deutsche Triathlon Union (DTU) hat sich dort eine Medaille vorgenommen, die Planungen sollten sich eigentlich wie selbstverständlich mit denen von Haug decken, der WM-Zweiten von 2012 und Dritten von 2013. Wenn Haug zuletzt nicht zwei holprige Jahre dazwischengekommen wären. "Dieses Jahr ist das erste", sagt Haug, "in dem ich das Gefühl habe, dass ich wieder mithalten kann."

Haug hatte der DTU bis vor zwei Jahren verlässlich positive Schlagzeilen beschafft. Dann stürzte sie bei einem WM-Rennen in London, ein Knochenödem an der Hüfte, ein halbes Jahr lang konnte sie ihre Beine kaum einsetzen. Sie fuhr mit dem Handbike, arbeitete an ihrem Oberkörper, trotzdem fehlten ihr "Tausende Trainingskilometer", erinnert sie sich, das Fundament also, auf dem man eine Saison errichtet. 2015 war ein schwieriges Jahr, ohne tragfähiges Fundament, Haug musste sich hinter Gegnerinnen einreihen, die sie schon oft hinter sich gelassen hatte. Sie verließ ihre Trainingszelle in Australien, 2011 war sie spontan ausgewandert, um die letzte Etappe auf dem Weg in die Weltspitze bei Trainer Darren Smith zu absolvieren, in Abstimmung mit dem deutschen Verband. Ab und zu hospitierte sie auch bei Weltmeisterin Gwen Jorgensen. "Es war faszinierend zu sehen, wie sie den Sport lebt, in allen Facetten", sagt Haug. Sie beschloss, ihre Wanderjahre nun doch zu beenden, kehrte zu Dan Lorang zurück, der sie einst entdeckt hatte, als Haug noch in München studierte und ab und zu in der zweiten Triathlon-Bundesliga herumfuhr, mit mäßigem Erfolg. Haug lebt und trainiert jetzt also am DTU-Stützpunkt in Saarbrücken. "Ich habe viel gesehen, habe für mich ein perfektes Setup gefunden, dem vertraue ich jetzt", sagt sie. "Ich möchte nicht mehr ständig nach links und rechts schauen."

In der DTU haben sie Haugs vierten Platz in Kapstadt mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Sie verfügen ja über eine wetterfeste Mannschaft bei den Frauen, mit Sophia Saller etwa, oder Laura Lindemann, der zweimaligen Junioren-Weltbesten, der Kontakt zur Weltspitze ist zuletzt aber etwas abgerissen. Und die Männer, die 2008 mit Jan Frodeno den Olympiasieger stellten, müssen vor allem auf die Erfahrung des ehemaligen WM-Zweiten Steffen Justus vertrauen, der nach einem Rollerunfall gerade aus einem Formtief klettert. "Da liegt der Fokus eigentlich schon auf Tokio 2020", sagt DTU-Trainer Dan Lorang. Haug schultert, Stand jetzt, also als Einzige die deutschen Medaillenhoffnungen für Rio. Was gar nicht so einfach ist in einem Wettkampf, der einem in jedem Moment entgleiten kann.

Haugs Schwäche ist das Schwimmen - "die ersten Meter gleichen oft einer Schlacht"

Haug hat eine Weile gebraucht, um mit der Rolle als Favoritin und Medaillenbeschafferin warm zu werden. "Man geht anders in ein Rennen", sagt sie, "das ist eher schlecht". Für ihre Olympia-Kampagne hat sie sich einen Kniff überlegt, raus aus der Favoritenrolle, zurück zum Außenseitertum der frühen Karrieretage. "Man kriegt die Medaille nicht, wenn man ständig an die Medaille denkt", sagt sie. Woran dann? "Einfach auf den Moment", sagt Haug, "damit man aus jeder Sekunde das Optimale herausholt." Sie hat in Saarbrücken ein kleines Team um sich herum hochgezogen, zusätzlich zu den Ressourcen des Verbandes, mit einem eigenen Physiotherapeuten zum Beispiel, ähnlich wie Frodeno, der längst auf die Langstrecke abgewandert ist. "Das kann der Verband nicht alles leisten", sagt Lorang, "da muss der Athlet ein wenig in sich selbst investieren, wie ein Unternehmen." Sie haben zuletzt auch den mentalen Bereich gestärkt, mit Hypnosetechniken, um Haugs Angst beim Schwimmen zu dämmen. "Die ersten Meter gleichen oft einer Schlacht. Wer den anderen als Erster packt, ist oben, der andere unten", sagt sie. Und wer unten ist, hat oft schon verloren. "Körperlich sind viele auf dem gleichen Level", assistiert Lorang, "da macht oft der Kopf den Unterschied."

Haug fühlt sich wieder ziemlich wohl in ihrem Triathlonleben, auf der kurzen, einfachen wie schweren Distanz. Die Mittel- oder gar Langstrecke? "Irgendwann mal", sagt Haug, sie ist schon glücklich, nach zwei harten Jahren zur alten Form gefunden zu haben. "Man ist einfach dankbar", sagt Haug, "dass man noch einmal eine Chance bekommt."

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