Transfermarkt:Kann man Ablösesummen im Fußball abschaffen?

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Für Ousmane Dembélé werden Summen von 130 Millionen Euro geboten. (Foto: dpa)
  • Frank Rybak ist Jurist der deutschen Spielergewerkschaft VdV und fordert wie die Spielergewerkschaft Fifpro eine Abschaffung von frei verhandelbaren Ablösesummen.
  • "Was spräche dagegen? Aus Spieler-Sicht würde ich spontan sagen: nicht so viel", sagt er im SZ-Interview.
  • Im Fall Dembélé sagt er: "Ganz klar: Verträge sind einzuhalten. Das gilt aber nicht nur für den Spieler, sondern auch für den Verein."

Von Javier Cáceres

Vor dem Hintergrund explodierender Transfersummen wirbt die internationale Fußballergewerkschaft Fifpro für die Abschaffung frei verhandelbarer Ablösen. "Wir glauben fest daran, dass Spieler die gleichen Rechte wie Arbeiter anderer Industrien haben sollten, einen Karriereweg ihrer Wahl zu gehen, auf jedem Level der Fußballpyramide", heißt es in einer Erklärung der Fifpro, aus der die SZ in ihrer Donnerstagsausgabe zitiert. "Eine Fußballerkarriere darf nicht an einen außer Kontrolle geratenen Transfermarkt gebunden sein." Damit spielte die Fifpro vor allem auf den vergangene Woche vollzogenen Transfer des brasilianischen Fußballprofis Neymar Jr. an. Er wechselte für 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zum französischen Erstligisten Paris Saint-Germain.

Die Fifpro wollte sich auf Anfrage nicht zu den aktuell prominentesten Transferkonflikten äußern, die Fälle Ousmane Dembélé und Diego Costa. Dembélés Klub Borussia Dortmund hat ein Angebot des FC Barcelona in dreistelliger Millionenhöhe ausgeschlagen; der FC Chelsea will Costa nicht an dessen Wunschklub Atlético Madrid, sondern nach China verkaufen. Dembélé blieb vergangene Woche dem Training fern und wurde daraufhin vom BVB suspendiert. "Wir sind uns bewusst, dass es viele Beispiele gibt, in denen die finanziellen Interessen von Klubs denen der Spieler zuwiderlaufen, deren Karrieren nur über einen kurzen Zeitraum andauern", teilte die Gewerkschaft mit.

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Die Fifpro, die rund 60 000 Profis vertritt, hatte im September 2015 eine Beschwerde bei der EU-Wettbewerbskommission in Brüssel eingereicht, die auf die Zerschlagung des aktuellen Transfersystems abzielt. Darin moniert sie, dass die Fußballindustrie ihre Angestellten als Ware behandele. Die in den EU-Verträgen garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit werde durch die Ablösen unterlaufen. Das Transfersystem behindere zudem den freien Wettbewerb der Klubs. Die Beschwerde werde noch geprüft, hieß es am Mittwoch bei der EU-Kommission.

Der Jurist der deutschen Fußballergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV), Frank Rybak, sprach sich in einem Interview mit der SZ ebenfalls dafür aus, Alternativen zum gegenwärtigen System frei verhandelbarer Ablösesummen zu prüfen. Auf die Frage nach einem Modell, bei dem ein Verein, der einen Profi abgibt, aufgrund fester Kriterien wie restlicher Vertragslaufzeit, Alter und Gehalt des wechselwilligen Profis entschädigt wird, sagte Rybak: "Was spräche dagegen? Aus Spieler-Sicht würde ich spontan sagen: nicht so viel. Aber es bliebe die Frage, ob man am Ende durch die Kombination solcher Faktoren nicht ebenfalls auf Summen kommen würde wie nun bei Neymar."

Mit Blick auf den Fall Dembélé warb Rybak um eine differenzierte Betrachtung. Sollte es tatsächlich so sein, dass Dembélé durch seine Abwesenheit beim Training vom Donnerstag einen Transfer nach Barcelona erzwingen wollte, so "würden eine Abmahnung und eine Vertragsstrafe wohl gerechtfertigt sein". Rybak fügte hinzu: "Ganz klar: Verträge sind einzuhalten. Das gilt aber nicht nur für den Spieler, sondern auch für den Verein. Und ich halte es für fraglich, ob Borussia Dortmund dem Beschäftigungsanspruch nachkommt, der sich für Dembélé aus dem Arbeitsvertrag ergibt, wenn ihm die Teilnahme am Mannschaftstraining verweigert wird." Rybak wandte sich auch dagegen, alle Verantwortung für die Situation auf den Schultern von Dembélé abzuladen. "Er ist gerade mal 20 Jahre alt, das sollten wir nicht vergessen. Dass mit seinem Verhalten ein Verein in Verbindung zu stehen scheint, nämlich der FC Barcelona, mit dem Klubs wie der FC Bayern oder Borussia Dortmund in gemeinsamen Gremien sitzen, wird überhaupt nicht thematisiert", sagte Rybak.

Der Jurist erinnerte daran, dass die Vereine bei bestehenden Arbeitsverträgen Planungssicherheit haben. "Ein Spieler kann ja nicht gegen den Willen des Vereins gehen. Der Verein kann auch auf die Einhaltung eines Vertrags bestehen." Borussia Dortmund habe dies beispielhaft praktiziert, als der polnische Stürmer Robert Lewandowski erst 2014 zum FC Bayern München wechseln durfte - obwohl er schon früher auf einen Transfer gedrängt hatte. Wenn der Chef von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke, nun im Fall Dembélé betone, dass "der Zeithorizont", in dem noch etwas passieren könne, "noch für zwei Spiele" reiche, "dann klingt das sicher nicht so, als wolle man die Verhandlungen mit dem FC Barcelona abbrechen". Eine Verschärfung der Imageprobleme der Profifußballer befürchtet Rybak wegen der Verwerfungen rund um die Dembélé-Affäre nicht. "Auch wenn dem Fall jetzt eine große mediale Bedeutung beigemessen wird - ich glaube nicht. Es gab solche Fälle immer schon", sagte Rybak.

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