Transfer von Mesut Özil:Schnelles Spiel mit den Millionen

Sein Arbeitgeber Real Madrid legte dem verdutzten Mesut Özil nahe, die Firma zu wechseln - also ging Mesut Özil spontan zum FC Arsenal. Der Nationalspieler ist damit der teuerste deutsche Fußballer der Geschichte. Die Summen in diesem Betrieb machen selbst Beteiligte nachdenklich.

Von Thomas Hummel

Ist das Fußballgeschäft ein irrwitziger Menschenhandel-Betrieb? Muss man Mitleid mit Mesut Özil haben? Oder ist das der Preis, den ein junger Mann zahlen muss, wenn er sich in dem Millionenbetrieb Fußball aufhält und dort monatlich eine sehr üppige Summe verdient?

Mesut Özil schrieb vor einer Woche, dass er auf jeden Fall weiter bei Real Madrid spielen wolle, weil er sich hier wohl und von den Fans geliebt fühle. Am Montagabend schrieb er auf seiner Facebook-Seite: "liebe real madrid fans, vielen dank für drei wundervolle jahre mit euch. die Zeit hier war einzigartig für mich. manchmal entwickeln sich die dinge aber anders, als ich sie selbst vor wenigen tagen noch erwartet hätte."

Mesut Özil ist in einer dieser Spontan-Aktionen des Fußballs am letzten Tag des Transferfensters von Real Madrid zu Arsenal London gewechselt. Nach allem, was bislang bekannt ist, vollzog sich das Geschäft so: Real Madrid gelang es nach langen Verhandlungen, den Waliser Gareth Bale für eine kolportierte Summe von 100 Millionen Euro von Tottenham Hotspur loszueisen. Daraufhin sprachen der neue Trainer Carlo Ancelotti und Klubpräsident Florentino Pérez mit Özil und erklärten ihm, dass der Klub nun nicht mehr mit ihm als Stammspieler plane und er sich doch bitteschön einen neuen Arbeitgeber suchen möge.

Ein kleiner Schock für den sensiblen Mittelfeldspieler

Mesut Özil selbst berichtet in einem Interview mit dfb.tv davon, dass er nach seiner Liebeserklärung zu Real in den vergangenen Tagen "doch noch gemerkt habe, dass ich nicht mehr das Vertrauen vom Trainer oder von den Verantwortlichen habe. Aber ich bin ein Spieler, der das Vertrauen braucht." Der 24-Jährige wirkt in diesem Interview abgekämpft, fast verwirrt, aber auch erleichtert. Die Ansage von Ancelotti und Pérez muss ein kleiner Schock für den sensiblen Mittelfeldspieler gewesen sein.

Umso schöner, dass kurz darauf Arsène Wenger bei ihm anrief. Der Trainer des FC Arsenal brachte ihm die Wertschätzung entgegen, die Mesut Özil in diesem Moment dringend brauchte. Und weil Arsenal bereit war, die astronomische Summe von fast 50 Millionen Euro auf den Tisch zu legen, wird Özil nach der Länderspielpause statt nach Madrid eben nach London fliegen, um dort sein neues Leben zu beginnen.

Immerhin darf sich Özil in diesen turbulenten Tagen eine emotionale Auszeit im Kreis der Nationalmannschaft gönnen. Am Freitag spielt die DFB-Elf in München das Qualifikationsspiel für die Weltmeisterschaft 2014 gegen Österreich, am Dienstag folgt die Partie auf den Färöer-Inseln. Die Gruppe rund um Bundestrainer Joachim Löw wird den Fußballkünstler mit der feinen Seele die gute alte Wohlfühloase bieten. DFB-Manager Oliver Bierhoff berichtete zwar von einem entspannten Özil, sagte aber auch: "Man muss ihm ein paar Tage Zeit lassen, das Ganze zu verarbeiten. Es ging alles sehr schnell."

Der teuerste deutsche Fußballer der Geschichte

Bierhoff versuchte, die öffentlichen Gemüter zu beruhigen: "Die Zeiten haben sich geändert, es geht im Sport schnell. Das muss man als Spieler unemotional sehen. Es kommt ein neuer Chef mit neuen Vorstellungen, das gibt es auch in der Industrie. Das hat weder was mit gut oder schlecht zu tun." Er verwies darauf, dass es auch Mario Gomez so ergangen sei, als Pep Guardiola nach München kam und eine andere Vorstellung des Stürmerspiels mitbrachte.

Der Zufall sah vor, dass neben Bierhoff auch Sami Khedira zu dieser ersten Pressekonferenz der Nationalmannschaft angekündigt war. Sami Khedira spielte bis Montag mit Özil bei Real Madrid zusammen und ist nun Zeuge, wie sein Verein mit den Millionen um sich wirft und Spieler im Schnellverfahren tauscht. Auch für ihn lag in den vergangenen Tagen ein Angebot in Madrid vor, Manchester United wollte den Schwaben für 40 Millionen Euro nach England holen. "Der Verein hat das Angebot abgelehnt, deshalb hat sich das auch erledigt", sagte er. Was er unternommen hätte, hätte Real Madrid das Angebot angenommen, sagte er nicht. Allerdings habe er auch mehrere sehr gute Gespräche mit Trainer Ancelotti geführt, "deshalb war für mich klar, dass ich bei Real Madrid bleibe".

Selbstverständlich ließ sich Khedira keine Kritik an seinem Arbeitgeber entlocken. Selbstredend sprechen alle Beteiligten von einem richtigen Schritt, den Mesut Özil da vollzogen hat. Er könne beim FC Arsenal, wo es nicht so von Stars wimmelt wie in Madrid, mehr Verantwortung für sein Team übernehmen, erklärte Bierhoff. Außerdem läuft Özil nun nicht in die Gefahr, in Madrid die WM-Saison auf der Ersatzbank oder Tribüne zu verbringen, sondern kann in London kontinuierlich spielen. Und weil das Tempo in England sehr hoch sei, werde sich Özils Robustheit weiter verbessern, glaubt Bierhoff.

"Zahlen die man nicht begreifen kann"

Für den Fußball bedeutet das Geschäft Bale-Özil eine neue Dimension im Transfergeschäft. Mesut Özil ist nun der teuerste deutsche Fußballspieler der Geschichte. Und dennoch nur halb so teuer wie Gareth Bale. Das regt zur Nachdenklichkeit an. "Das sind Zahlen, die man nicht mehr begreifen kann. Wir müssen im Fußball darauf achten, dass der Bezug nicht ganz verloren geht, dass das für die Fans begreifbar ist", kritisierte Bierhoff. Der Diplom-Kaufmann zweifelte denn auch, ob etwa 100 Millionen Euro für einen Klub refinanzierbar seien. Wenngleich ja nun Özil die Hälfte bereits wieder eingespielt hat.

Khedira hatte für diese Zahlen nur Schulterzucken übrig. "Damit haben wir Spieler relativ wenig zu tun." Die Spieler seien Angestellte der Klubs und wenn es gerade im Trend liege, dieses Geld für Fußballspieler zu bezahlen, könne er wenig tun. "Ich kann nicht sagen: Zahlt weniger für mich, dann komme ich." Da hat der 26-jährige Mittelfeldspieler völlig recht. Wenngleich er anfügen hätte können, dass die Spieler ja auch ihren Teil am immer größer werdenden Finanzkuchen im Fußballbetrieb abbekämen. Aber auch das ist ihnen nicht anzulasten.

Mesut Özil soll in London etwa sieben Millionen Euro im Jahr verdienen, das Mitgefühl für den Fußballer dürfte sich demnach in der breiten Bevölkerung in Grenzen halten. Auch das Mitgefühl in der Branche, denn einigen Spieler etwa beim Hamburger SV oder der TSG Hoffenheim wurden letztens öffentlich vom Hof gejagt, ohne dass ein finanziell betuchter Herr Wenger gleich bei den Profis anrief. Bei der Vorstellung von Gareth Bale in Madrid riefen Tausende Fans, bitteschön Mesut Özil nicht zu verkaufen. Sie erinnerten sich wohl an dessen teils magischen Auftritte, an 27 Tore und sagenhafte 81 Torvorlagen in den vergangenen drei Jahren.

Es folgt der Neubeginn in London, wo er als Heilsbringer für das verkrustete System Wenger empfangen werden wird. "Ich habe gehört, dass sie (Arsenal) super Fans haben. Die Stadt ist toll, die Mannschaft ist super Klasse, ich freu mich einfach drauf." Dann kann ja nur alles gut werden.

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