Transfer zum AC Mailand:Girlande um die O-Beine von Boateng

Kevin Prince Boateng Milan Milano 21 10 2015 Stadio Giuseppe Meazza Football Calcio Trofeo Berlusc

Wieder beim AC Mailand gelandet: Kevin-Prince Boateng kehrt zu Milan zurück, wo er früher schon einmal Erfolge und Tore feierte.

(Foto: imago/Insidefoto)
  • Kevin-Prince Boateng hat beim FC Schalke 04 zwar schon lange nicht mehr Fußball spielen dürfen.
  • Für eine feierliche Rückkehr zum AC Mailand reicht es trotzdem.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Unter den vielen Bildern auf seinem Twitter-Konto, die ihn mit seiner Frau Melissa und seinem Sohn Maddox, mit Mario Balotelli und Zlatan Ibrahimovic, am liebsten aber mit sich selbst in all seiner bemalten Pracht zeigen - unter all den Dokumenten aus der eigentümlichen Lebenswelt des Kevin-Prince Boateng findet sich nach geduldiger Suche auch ein Filmchen, das tatsächlich von Fußball handelt.

Ein Champions-League-Spiel vor fünf Jahren, AC Mailand gegen den FC Barcelona: Boateng nimmt den Ball aus schneller Bewegung auf, spitzelt ihn mit dem Absatz durch die Beine des Verteidigers und haut ihn ins nächste Toreck.

An dieses Tor aus verblichenen Glanzzeiten des Klubs und des Spielers hat neulich auch die Gazzetta dello Sport erinnert, als sie ihren Lesern Boatengs bevorstehende Rückkehr in den Milan-Kader ankündigte, den Bericht hat am Montagabend der ewige Generalmanager der Rossoneri bestätigt. Adriano Galliani, 71, gab bekannt, Boateng ("Es geht ihm gut") sei ein vielseitiger Spieler und könne auf dem Platz verschiedene Aufgaben übernehmen.

In Gelsenkirchen rief dieser erstaunliche Vorgang keine Regungen mehr hervor, zumindest nicht auf den offiziellen Kanälen. Inoffiziell gab es zumindest noch ein heftiges Kopfschütteln über die Kollegen in Mailand. Schalke 04 hatte bereits am 8. Dezember mitgeteilt, dass der bis Juni 2016 geschlossene Vertrag mit Boateng, 28, aufgelöst worden sei. "Der Schlussstrich ist vollzogen", hieß es - endlich, wie vermutlich mit Geheimtinte darunter geschrieben stand.

Rückkehrer werden in der Serie A oft als Heimkehrer empfangen, Nostalgie ist im italienischen Fußballgeschäft offenbar ein wichtiges Motiv. Manchmal könnte man meinen, die Manager besetzen ihre Teams nach dem Studium alter Panini-Alben. Vor Boateng, der bereits im Oktober das Training im Sportzentrum Milanello aufgenommen hatte, fanden schon Ruud Gullit, Andrij Schewtschenko und Kaká nach Mailand zurück, stets wurden feierlich Girlanden gewunden für die verlorenen Söhne, der Effekt auf dem Platz blieb dann aber sehr bescheiden. Dass Boateng eines Tages auch nach Gelsenkirchen zurückkehrt, ist aber noch weniger zu erwarten als der Gewinn der Meisterschaft im nächsten (oder auch im übernächsten) Sommer.

Gute und weniger gute Momente

Boateng hat sich zwar freundlich verabschiedet von seinem Ex-Verein und den Fans geschmeichelt, indem er sie als loyal und als "verrückt" belobigte. Aber schon die Bemerkung, es habe in der Beziehung mit dem Ruhrpottklub "ein paar gute und ein paar weniger gute Momente" gegeben, wird nicht viel Anklang gefunden haben. In Erinnerung blieben eher die nicht so guten Momente, auch wenn Manager Horst Heldt standhaft behauptet, das erste Jahr mit Boateng sei kein schlechtes gewesen.

2013 war er im Zuge eines spektakulären Überraschungscoups für rund zehn Millionen Euro Ablöse aus Mailand gekommen, er sollte die Sehnsucht nach einem starken Mann und Anführer befriedigen, und dieser Wunsch ging dann auch prompt in Erfüllung, jedoch mit einer Halbwertzeit von wenigen Monaten. Schon bald widmeten sich die Kritiker eher seinen legendären O-Beinen und anderen anatomischen Dispositionen als seinen Auftritten im Mittelfeld.

Auch das unbestreitbare Charisma des gebürtigen Berliners erwies sich bald als gefährlich. Nach dem vorletzten Spieltag der vorigen Saison suspendierte ihn Schalke, weil Boateng nach Meinung der Verantwortlichen keinen guten Einfluss hatte auf seine Follower im Team, zu denen junge Spieler wie Julian Draxler und Max Meyer gehörten. Seitdem zahlte Schalke vertragsgemäß das Monatsgehalt von circa 400 000 Euro, die Hoffnung auf Weiterverkauf im Sommer erfüllte sich trotz diverser Angebote nicht.

In China hätte Boateng noch mehr Geld verdienen können als in Schalke, aber in den fernen Osten wollte er seine Kleinfamilie nicht dirigieren, möglicherweise war es auch seine als Modell tätige Frau, die dem Wechsel die Zustimmung versagte. Selbst die Vertragsauflösung kostete Schalke jetzt noch Geld, der Abfindungszahlung stehen aber zumindest steuerliche Vorteile gegenüber - und die Gewissheit, dass Boateng nicht eines Tages wieder auf dem Trainingsplatz steht, weil er sich entsprechend eingeklagt hat.

Eine Mahnung an Klubmanager: Lest vor Transfers doch erst mal die Twitter-Einträge!

Der Fall Boateng lässt sich nun einerseits als klassisches Transfermarkt-Missverständnis deuten und andererseits als Mahnung an die Klubmanager, vor dem Kauf eines Spielers nicht nur dessen Einsatzstatistiken, sondern auch dessen Twitter- und Facebook-Einträge zu studieren. Eitelkeit gehört ja mittlerweile zu den großen Berufskrankheiten der Profifußballer, die modernen Kommunikationsmittel legen davon Zeugnis ab.

Aber Boatengs reich dokumentierter Hang zur Selbstinszenierung hat die Mailänder nicht abschrecken können. So startet der "Prince", wie er sich gern rufen lässt, am 6. Januar mit Milan in die Rückrunde der Serie A. Und ein paar Tage später erscheint dann auch endlich seine Biografie "Ich Prince Boateng - mein Leben, mein Spiel, meine Abrechnung".

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