Trainerwechsel beim HSV:An der Klippe zur zweiten Liga

Peter Knäbel

Übernimmt bis zum Ende der Saison den Trainerposten beim Hamburger SV: Fußballdirektor Peter Knäbel.

(Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Der beim Hamburger SV entlassene Trainer Josef Zinnbauer konnte der Mannschaft kein Spielkonzept vermitteln.
  • Im Moment steht der HSV auf Relegationsplatz 16.
  • Die Nominierung von Sportdirektor Peter Knäbel als Aushilfscoach könnte darauf hindeuten, dass der HSV auf Thomas Tuchel hofft.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Es ist erst anderthalb Wochen her, da hat Bernhard Peters, der neue Direktor Sport und Trainer-Ausbilder des Hamburger SV, den Bundesliga-Coach Josef "Joe" Zinnbauer, 44, in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt gepriesen wie den kommenden Überflieger. Er sei eine starke, autarke Persönlichkeit. Wie er mit Rückschlägen umgehe, etwa dem 0:8 beim FC Bayern im Februar, nötige ihm großen Respekt ab, sagte Peters. Auch, weil Zinnbauer sich danach "selbstkritisch hinterfragt" habe.

Seit Sonntagabend, zwei Tage nach dem 0:1 gegen Hertha BSC, darf sich Zinnbauer nicht mehr als Profi-Trainer selbstkritisch hinterfragen. Er wurde nach stundenlanger Analyse seiner Vorgesetzten - Klubchef Dietmar Beiersdorfer sowie der Sport-Direktoren Peter Knäbel und Peters - freigestellt. Für den Übergang übernimmt Knäbel, der seit 16 Jahren die Fußballlehrer-Lizenz besitzt, die Aufgabe des Cheftrainers.

"Joe Zinnbauer hat sich seiner Arbeit mit großer Leidenschaft verschrieben und alles gegeben", sagte Beiersdorfer. Aber das Ergebnis der Unterredung hatte sich abgezeichnet. Die Partie gegen Hertha war schon die sechste sieglose nacheinander. Der HSV ist erneut dort angekommen, wo er sich seit vergangener Saison gut auskennt: auf dem Relegationsplatz 16, also an der Klippe zur zweiten Liga. Obwohl die Bosse Sympathie hatten für den erst am 16. September beförderten Trainer-Newcomer, sahen sie in Zinnbauer nicht mehr den Mann, der den noch nie abgestiegenen Klub zum zweiten Mal binnen eines Jahres vor dem Absturz hätte bewahren können.

Erst 16 Treffer stehen zu Buche

Die nackten Zahlen Zinnbauers waren fast so bedrückend wie die seiner Vorgänger Mirko Slomka und Bert van Marwijk. In 23 Bundesligaspielen hat Zinnbauer 24 Punkte erwirtschaftet. Die Abwehr wurde zwar deutlich verstärkt (18 Gegentore weniger als vor einem Jahr), doch der Angriff ist in 26 Spielen 15 Mal leer ausgegangen. Erst 16 Treffer stehen zu Buche, inklusive zwei Eigentoren und drei Elfmetern. Schlimmer noch: Eine "Spielidee", wie von der HSV-Führung gefordert, hat auch Zinnbauer dem Team nicht vermittelt, nur mehr Kampfgeist.

Dabei hatten die HSV-Chefs mit Hilfe des neuen Teilhabers Klaus-Michael Kühne noch einmal viel investiert: Neun Profis wurden für 36 Millionen Euro geholt, um der Mannschaft ein frisches Gesicht zu geben. Eines, das nicht mehr erinnern sollte an die fürchterlichste Saison der Vereinsgeschichte, die 2014 nur dank eines Kopfballtores von Pierre-Michel Lasogga im Entscheidungsspiel bei der SpVgg Greuther Fürth nicht mit dem Abstieg bestraft wurde. Fast jede Position in der neuen HSV Fußball AG wurde anders besetzt. Das Ziel war, durch Nachhaltigkeit langsam wieder in höhere Tabellenregionen aufzusteigen. Nun ist dieser Plan erneut über den Haufen geworfen worden.

Fußballtaktisch an Grenzen gestoßen

Der leidenschaftliche Zinnbauer, der schon mit 24 Jahren mit einer Versicherungsfirma erfolgreich war, ist wohl fußballtaktisch an Grenzen gestoßen. Das dramatisch verlorene Spiel in München habe er "vercoacht", sagen Experten. Ob er eher offensiv oder defensiv im Mittelfeld spielen wollte, blieb häufig unklar. An Kapitän Rafael van der Vaart hat sich Zinnbauer die Zähne ausgebissen. Der berühmte Niederländer durfte sich schon als Zehner, Achter, Sechser und als Ersatzspieler ausprobieren. Zudem gab es immer wieder Verletzte. Vorne fehlten Lasogga und Maximilian Beister oft. Artjoms Rudnevs ist nicht bundesligareif - und dem im Winter aus Wolfsburg zurückgeholten Ivica Olic sieht man seine 35 Jahre zunehmend an.

Namen möglicher Zinnbauer-Nachfolger zirkulieren schon seit längerer Zeit. Bruno Labbadia, Christian Gross und Thomas von Heesen wurden genannt. Der Nothelfer Knäbel könnte dafür sprechen, dass der HSV noch immer auf Thomas Tuchel hofft. Er will erst im Sommer wieder einen Job antreten.

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